Gastbeitrag von Manuela Henkel
Etwa 250 Wanderer konnte Vorsitzender Thomas Schütz zur traditionellen Frühjahrswanderung des Heimatvereins Kohlbachtal in Gerstengrund begrüßen.
In diesem Jahr standen die verlassenen und zwangsgeräumten Höfe des Kohlbachtales im Mittelpunkt der Wanderung. Als erstes führte die etwa acht Kilometer lange Strecke zum Kohlbachhof. Dort erfuhr die Wandergruppe von Heimatforscher Bruno Leister viel Interessantes über die Geschichte des 1418 erstmals erwähnten Anwesens.
„Der Kohlbachshof bestand ursprünglich aus zwei Höfen“, so Bruno Leister.
Der erste Bauer wurde bei der Aktion Ungeziefer 1952 zwangsausgewiesen und sein Nachbar musste 1972 seinen Hof auf Anweisung des DDR-Regimes verlassen. Einige Kranluckener Männer können sich noch daran erinnern, wie sie zum Arbeitseinsatz 1972 den Hof beräumen mussten. Heute befindet sich an der Stelle des ehemaligen Anwesens eine kleine Mariengrotte. Keller- sowie Mauerreste zeugen von der einstigen Besiedlung.
Weiter ging es zum Hochrain, wo sich die Wanderer mit selbstgebackenen Kuchen und Kaffee stärken konnten. Bruno Leister berichtete, dass die Höfe des Hochraines, der vor 500 Jahren erstmals urkundlich erwähnt wurde, bis 1600 zur Mutterpfarrei Schleid gehörten und später an Zella übergingen.
„1815 bestand der Hochrain aus vier Höfen auf denen 27 Personen lebten“, so der Heimatforscher.
Vor 120 Jahren betrieben die Familien Adam Arnold und Engelbert Schuchert dort mit jeweils 30 Hektar Grundbesitz Landwirtschaft und Viehhandel. Durch ungünstiges Klima und die schlechte Wasserqualität brach Ende des 18 Jahrhunderts das im Volksmund sogenannte „Rauschwerk“ aus.
„Das Vieh magerte ab und litt wahrscheinlich unter dem gefürchteten Milzbrand“, berichtete Bruno Leister.
Das war das Ende der Höfe. Heute sind noch die Kellerreste der beiden Wohnhäuser zu sehen. An den Hof Arnold erinnern noch ein einsamer Stachelbeerstrauch und einige Taglilien. 1900 kaufte der Forst die Anwesen, Arnold zog nach Hümpfershausen und Schuchert nach Weilar. Die Wohnhäuser verpachtete der Forst an zwei Waldarbeiter vom Theobaldshof, die dort auch einen Forstgarten anlegten.
„Die Pächter mussten 1912 den Hochrain verlassen“, so Heimatforscher Bruno Leister.
Alle Gebäude wurden, bis auf das Wohnhaus Schuchert, abgerissen oder teilweise verkauft. Eine Scheune wurde in Kranlucken wieder neu aufgebaut. Das stehengebliebene Haus wurde mit Veranda, Küche Aufenthaltsraum und Pferdestall umgebaut und zur Unterkunft für Jäger und Forstarbeiter umgenutzt. Nach dem II. Weltkrieg diente es Bergleuten zum Aufenthalt und als Lager. Den tatsächlich wurde nach dem Fund erster Braunkohlevorkommen auf dem Hochrain mit dem Bergbau begonnen.
„Die dortigen Vorkommen der etwa 17 Millionen Jahre alten Kohle reichen vom Theobaldshof, über Hochrain, Klingser Hut bis nach Kaltennordheim“, wusste Bruno Leister zu berichten.
Die etwa 0,75 Meter dicke Kohleschicht liegt etwa zwei bis sechs Metern tief. Als Anfang des 18. Jahrhunderts das Fuldaer Land in Blüte stand, gab es auch durch einen großen Bevölkerungszuwachs eine rege Bautätigkeit und einen wachsenden Bedarf an Bau- und Brennmaterial.
„1737 begann man auf dem Hochrain mit dem ersten Abbau in Stollenbauweise“, so der Heimatforscher.
Wegen Unwirtschaftlichkeit gab man das Vorhaben jedoch bereits zehn Jahre später wieder auf.
„Doch der wachsende Energiebedarf rief „Schatzgräber“ auf den Plan“, berichtete Bruno Leister.
Darunter war ein Bergmeister aus dem Herzogtum Meiningen. Ihm war es gelungen, den Schulmeister von Neidhartshausen und einen gewissen Thomas aus Schafhausen als Investoren zu gewinnen. Zur Finanzierung hatten die Beiden immerhin 2.000 Gulden hinterlegt, was dem Wert vom Rohbau der Kranluckener Kirche damals entsprach. Der Bergmeister bat 1770 in Fulda um die Zustimmung, nach Kohle auf dem Hochrain zu schürfen. Fulda entzog ihm nach Bekanntwerden der von ihm falsch angegebenen Tatsachen die Konzession.
Selbst Goethe, der für das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach unter anderem für den Bergbau zuständig war, kam Anfang des 18. Jahrhunderts die Region und hielt sich in Kaltennordheim, Zella und Föhlritz auf. In den folgenden Jahren wechselten die Investoren ständig. Zuletzt versuchte Cuno Kammandel aus Geisa sein Glück. Beim Kohlbachhof ließ er einen 24 Meter tiefen Probeschacht graben. Wegen des Wassereindrangs in der Grube mussten die Arbeiten abgebrochen werden.
„Nun wurde die Grube zum reinen Spekulationsobjekt“, so Leister.
Im Oktober 1919 erhielt Hermann Klein aus Vacha einen Schürfschein für das Grubenfeld Hochrain. Noch im Herbst ließ er einen 30 Meter langen Schürfgraben ausheben. Dabei stießen die Bergleute auf ein 1 Meter mächtiges Kohlenlager. Klein verkaufte 1920 die Grube für 40.000 Reichsmark an den Fabrikbesitzer und mehrfachen Millionär Winkler aus Berlin, der kräftig zu investieren begann.
„Es wurde ein neuer Zufahrtsweg, ein Entwässerungsschacht von 135 Metern und ein mit Gleisanbindung neuer Hauptstollen von etwa 140 Metern angelegt. Ebenso gab es eine Förderanlage mit Dampfmobil, eine 1,2 Kilometer lange Seilbahn sowie Lagerräume und Büroräume mit Telefonanschluss. „Tatsächlich waren hier zeitweise bis zu 50 Leute beschäftigt“, weis der Heimatforscher aus den Geschichtsunterlagen.
Beim Vortrieb hatten die Bergleute über 600 Tonnen abgebaut, doch Kleins Berechnungen waren ursprünglich von 300.000 Tonnen ausgegangen. Das Vorhaben scheiterte erneut. Auch in den nächsten Jahrzehnten interessierten sich immer wieder Investoren für den Abbau und im Februar 1945 trafen sich auf dem „Katzenstein“ sogar Ministerpräsident Willy Marschler und Landrat Dr. Undeutsch um die Grube "Hochrain" wieder aufzufahren. Doch auch dieses sowie ein weiteres Vorhaben 1946 scheiterten.
Die Untersuchung auf "Hochrain II" ergaben schließlich, dass das vor 25 Jahren gemachte Bodenprofil nicht der Wirklichkeit entsprach. Das dortige Kohlenlager war nur 20 bis 30 cm stark. In dieser kritischen Situation übernahm die neu gegründete „Rhönkohle GmbH Kaltennordheim“ die Geschäfte auf dem Hochrain. Nach mehreren Gesteinseinbrüchen wurden die Arbeiten eingestellt und die Grube verschlossen.
„In 250 Jahren wurde lediglich 2.000 Tonnen Braunkohle gefördert“, schätzt Bruno Leister.
Die letzten Analysen ergaben ein Vorhaben von 10.000 Tonnen, von denen wegen Basaltstörungen aber nur 5.000 Tonnen abbaubar sind.
„Der letzte Bergmann ist heute hier ein einsamer Dachs, der beim Graben seiner Höhlengänge ab und zu Kohle noch an das Tageslicht befördert“, beschloss Bruno Leister seinen Bericht.
Die Wanderer hatten dann noch vor Ort die Möglichkeit, die alten Hofreste sowie die Spuren des einstigen Bergbaus zu besichtigen, bevor sie sich auf den Rückweg nach Gerstengrund machten. Dort klang der Tag in geselliger Runde aus.