Sie halten sich gerne in düsteren Höhlen, alten Scheunen oder Kirchengemäuern auf und lieben vor allen Dingen die Dunkelheit. Unter dem Dach der Schleider Kirche fühlt sich eine besondere Art von ihnen wohl: die Rede ist von dem Grauen Langohr – einer mittlerweile immer seltener gewordenen Fledermausart.
Fledermäuse haben heutzutage nicht mehr sehr viele Rückzugsorte und die, die es noch gibt werden regelmäßig von Biotechnologe Christoph Treß und Biologin Julia Gombert kontrolliert. Die beiden sind von der Interessengemeinschaft für Fledermausschutz und Forschung (IFT), die sich thüringenweit auf lokaler Ebene für den Schutz der Fledermäuse einsetzt.
Regelmäßig im Sommer und im Winter kontrollieren Julia Gombert und Christoph Treß ehrenamtlich die Wochenstuben und die Winterquartiere der kleinen Tierchen in der thüringischen Rhön. So kamen sie auch zur Stippvisite in die Kranluckener und Schleider Kirche, wo sie von Bürgermeisterin Manuela Henkel begrüßt wurden.
Auf dem Dachboden der beiden Kirchen durchsuchten die Beiden akribisch mit Taschenlampen jede Ritze in den Dachsparren, wurden in Kranlucken aber nicht fündig. Nur kleine schwarze „Überbleibsel“ auf dem Boden deuteten auf das Vorhandensein eines Fledermausquartieres hin. Diese „Beweise“ wurden eingesammelt und an ein Labor zur Bestimmung der Fledermausart geschickt.
Umso gespannter waren die beiden Naturfreunde, als sie sich nach Schleid aufmachten, den dort hatten sie in den zehn letzten Jahren regelmäßig eine kleine Wochenstube der Grauen Langohren gefunden.
„Die Kirche in Schleid ist nur noch eine von drei Wochenstuben dieser Art in ganz Thüringen“, erklärte Christoph Treß.
Doch in diesem Jahr wurde die Geduld der beiden Fledermausspezialisten ziemlich auf die Probe gestellt. Erst als sie sich schon auf den Rückweg machen wollten entdeckten sie endlich in einer kleinen Balkenritze die Tierchen eng aneinandergedrängt. Schätzungsweise waren es etwa 15 Muttertiere der Grauen Langohren.
„Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie artenreich die Rhön und unsere Region ist und wie wenig wir oft darüber wissen“, kommentierte Bürgermeisterin Manuela Henkel den Fund. „Das wir in Schleid eine von drei thüringischen Wochenstuben haben ist schon etwas ganz Besonderes.“
Die Weibchen des Grauen Langohres bekommen pro Jahr ein Junges und leben gemeinsam in den Wochenstuben, die Männchen sind Einzelgänger. Das Graue Langohr ist eine typische „Dorffledermaus“ und seine Jagdgebiete sind Wiesen, Weiden, Brachen, Haus- und Obstgärten sowie Gehölzränder und Wälder.
Sehr auffällig sind die sehr großen Ohren und eine weitere Besonderheit ist ihre Fähigkeit, wahlweise durch den Mund oder die Nase Ultraschallrufe abzugeben.
Warum gerade diese Art im Vergleich zu anderen so sehr rückläufig ist, ist noch nicht ganz klar. Es gibt wahrscheinlich mehrere Faktoren, wie der Verlust geeigneter Sommer- und Winterquartiere und die Strukturveränderung in der Landwirtschaft.
„Wenn es weniger Hecken- und Blühstreifen gibt, dann gibt es auch weniger Insekten und darunter leiden nicht nur die Vögel, sondern eben auch die Fledermäuse“, argumentier Julia Gombert.
Vor allen Dingen fasziniert die beiden Fledermausfreunde die heimliche Lebensweise der nachtaktiven Tiere. Das macht sie irgendwie außergewöhnlich. Diese Besonderheit ist wohl auch der Grund, warum unsere Vorfahren oft unheimliche Geschichten um diese Tiere spannen.
Nicht zuletzt hat dies auch mit ihrer lang unerforschten Fähigkeit zu tun, sich durch Ultraschallorientierung auch in tiefer Dunkelheit problemlos zurechtfinden. Dadurch sprachen ihnen die Menschen magische Kräfte zu. In China sind Fledermäuse übrigens ein Symbol für Glück und ein langes Leben und für die nordamerikanischen Indianer symbolisieren sie die Unsterblichkeit.
Sie sind das einzigste Säugetier, das fliegen kann. „Diese Tiere sind einfach anders und besonders“, erklärten Julia Gombert und Christoph Treß ihre Faszination für die „Vampire der Nacht“.