Gastbeitrag von Julia Otto
Ein Rock-Konzert in einer Kirche, Verstärker vor dem Altar und Standing Ovations in den Bankreihen. Am vergangenen Samstag ist für viele Fans der ostdeutschen Kultband „Karussell“ ein Traum in Erfüllung gegangen.
Auf ihrer Kirchentour „Rock meets Church“ machte die legendäre DDR-Band in Bad Salzungen halt und rockte mit sensibel interpretierten Songs, die unter die Haut gingen, sowie einer lebendigen Bühnenshow die Stadtkirche.
Nachdem das Konzert aufgrund der Pandemie verschoben werden musste, konnten nun endlich über 200 Gäste die Kultband in einer außergewöhnlichen Atmosphäre live erleben.
In den 1980er-Jahren war die Formation in der DDR neben „Electra“, „Karat“ und „Puhdys“ eine der beliebtesten Bands und spielte vor Zehntausenden Menschen. In der Nachwendezeit (1991) löste sich die Band wie viele andere DDR-Gruppen auf.
2017 transportierte Joe Raschke, Sohn des Bandgründers Wolf Rüdiger, die Kultband wieder ins 21. Jahrhundert und setzte damit den Startpunkt für ein Comeback.
So wurde mit Reinhard „Oschek“ Huth (voc./acc. git.), Jan Kirsten (bass) und Wolf Rüdiger Raschke (keyb) als Urbesetzung von Karussell, sowie Moritz Pachale (git.), Benno Jähnert (drums), und Joe Raschke (voc, harp, keyb) die Band wieder auf gesunde Füße gestellt.
Mit Titeln die bis heute noch in den Köpfen der Fans nachklingen, wie „Entweder oder“, dem Renft-Song „Ehrlich will ich bleiben“ und vor allem „Wer die Rose ehrt“, heizte die Band nicht nur die Stimmung an, sondern weckte bei dem Publikum Erinnerungen und Emotionen.
Birgit aus Bad Salzungen, die in der DDR aufwuchs, freute sich, die Band mit der sie viele schöne Momente aus dieser Zeit verbindet, live erleben zu können: „Ich finde es ganz toll, dass die evangelische Kirchgemeinde das Konzert organisiert hat.“
Aber auch durch aktuelle Songs wie z. B.: „Meine Stadt“ – eine hymnisch-träumerische Liebeserklärung an ihre Heimatstadt Leipzig – und einen zeitgemäßen Akustik-Sound vereinte die Band die Zuhörer über mehrere Generationen.
Mit dem Song „Mein Bruder Blues“ erinnerte die Band in Begleitung von aufsteigendem Nebel an das ehemalige Bandmitglied Peter „Cäsar“ Gläser. Lauthals ließen die Besucher den Superhit „Als ich fortging“ von 1987 durch das Kirchenschiff erklingen und sorgten so für echte Gänsehautmomente.
Der Song "Das einzige Leben" passte mit seiner eindeutig pro-christlichen Botschaft besonders gut in das Konzertprogramm der Kirchentour. Mit ihren tiefgründigen und zeitlosen Texten voller Poesie inspirierten die Musiker Geist und Seele des Publikums und gaben viel Spielraum für eine eigene Interpretation.
Und tatsächlich wurde die alte Gruppe Karussell dank der charismatischen Stimme ihres alten Frontsängers Reinhard (Oschek) Huth spätestens beim Titel "Fischlein unterm Eis" so auf die Bühne gezaubert, als wäre sie nie weg gewesen.
Dazu der vielversprechende Auftritt des neuen Frontmanns und Sängers Joe Raschke, Sohn des Bandgründers Wolf Rüdiger, der mit alten und neuen Songs mit viel Gefühl und vollem Körpereinsatz für einen echten Hörgenuss sorgte.
Ohne Zugabe ließ das Publikum die sechs Musiker nicht von der Bühne gehen und bedankte sich für das grandiose Konzert mit Standing Ovations und einem lang anhaltendem Applaus.
Gabriele aus Leimbach war mit ihrem Mann schon auf einigen Konzerten in unterschiedlichen Kirchen. Für sie haben die Kirchenkonzerte einen ganz besonderen Charme. „Es ist familiärer“, erzählt Gabriele.
Ein besonderer Höhepunkt war für viele Fans die anschließende Autogrammstunde vor der Stadtkirche. Hier zeigte die Band keine Berührungsängste mit den treuen Fans und nahm sich Zeit für persönliche Worte und für ein Erinnerungsselfie.
Ein langjähriger Fan aus Leimbach zeigte der Band stolz seine ersten beiden LPs der Rockband "Entweder oder" und "Das einzige Leben" und ließ sich gleich beide Schallplatten von den Bandmitgliedern signieren.