Gastbeitrag von Jennifer Schellenberg
Zum Besuch des Thüringer Landtags rief die Gleichstellungsbeauftragte des Wartburgkreises, Petra Lehmann, im Rahmen des “Aktionsprogramms Kommune – mehr Frauen in die Politik“ auf.
Mitte März fanden sich zehn interessierte Frauen und Männer zusammen, um in Erfurt den Thüringer Landtag zu besuchen. Darunter waren mit Sina Römhild, Bürgermeisterin in Oechsen, und Ulrike Jary, Kreistagsvorsitzende, auch zwei Teilnehmerinnen des Mentoring-Programms, vertreten.
Zur Begrüßung ging es für die Gruppe aus dem Wartburgkreis in das Besucherzentrum. Hier wurde der Landtag mit seinen Gebäudeteilen und seiner Historie vorgestellt sowie eine kurze Videogrußbotschaft von Landtagspräsidentin Birgit Pommer, ehem. Keller, gezeigt.
Im Anschluss gab es eine Führung durch die Ausstellungen in den Fluren bis hin zur Besichtigung einer ehemaligen Haftzelle im Keller des Abgeordneten- und Fraktionsgebäudes.
Die Haftzelle ist eine von ehemals drei Zellen, welche die Gestapo in den Jahren 1939 bis 1945 für politische und weltanschauliche Gegner des NS-Regimes für Gefangene nutze.
Heute dient die Zelle als Erinnerungsort ihrer dunklen Vergangenheit während der NS-Zeit, als Menschen hier gefangen und misshandelt wurden.
Geringer Frauenanteil in Parlamenten
Passend zum Hintergrund des Landtagsbesuches gab es eine Ausstellung im Gebäude mit dem Titel „Nur hundert Jahre – Die Aktualität von Frauenwahlrecht und Frauenpolitik“ zu besichtigen.
Die Ausstellungstafeln beinhalteten u.a. Themen wie „Kämpferinnen: Frauen aus der Geschichte als Vorbilder für Frauen heute“. Ein paar Meter weiter fanden sich zwei gerahmte Plakate zur Besetzung des Thüringer Landtags mit dem Aufruf „Frauen in die Politik in Thüringen“.
Hier zeigt sich, dass im Thüringer Landtag mit seinen 90 Abgeordneten nur 28 Frauen vertreten sind, was einem Anteil von 31,3 Prozent entspricht.
Thüringen liegt mit diesem Anteil an Parlamentarierinnen noch unter dem Durchschnitt der Landesparlamente mit einem ebenfalls geringen Frauenanteil von 33,3 Prozent.
Präsentiert wurden zudem Befragungsergebnisse einer Umfrage der EAF Berlin, in der sich Politikerinnen wie folgt äußerten: 65 Prozent der Mandatsträgerinnen sind der Meinung, dass an sie andere Erwartungen gestellt werden als an Politiker, z.B. in Bezug auf Verhalten, Leistung oder Aussehen.
66 Prozent der befragten Frauen gehen davon aus, dass die Art der politischen Diskussion Frauen abschreckt. Auch Handlungsfelder zur Verbesserung des Frauenanteils in politischen Ämtern ist hier zu finden.
Thematisiert sind die Vereinbarkeit des politischen Engagements von Beruf und Familie, die Gewinnung und Bindung von Frauen in Parteien, Bekämpfung von Diskriminierung und sexueller Belästigung, Vernetzung von Frauen und ihrer Handlungsfelder sowie die Gleichstellung als Führungsaufgabe und die Einbeziehung von Männern.
Debatte zur Finanzausstattung der Kommunen
Nach dem Rundgang ging es für die Teilnehmer in den Plenarsaal. Hier war die 105. Sitzung des Thüringer Landtags bereits in vollem Gange.
Die Gruppe konnte zu Tagesordnungspunkt 12: Stand und Entwicklung der finanziellen Situation der Kommunen in Thüringen für eine Stunde der Debatte auf den Rängen folgen.
Von den aktuell sieben vertretenen Parteien im Plenum konnten die Redebeiträge der Abgeordneten Sascha Bilay (DIE LINKE), Raymund Walk (CDU), Madeleine Henfling (Bündnis 90/Die Grünen) sowie Robert Sesselmann (AfD) vernommen werden, bis es im Anschluss zu einem Austausch mit Landtagsabgeordneten ging.
Gesprächsrunde mit Landtagsabgeordneten
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde der Abgeordneten und der Teilnehmer aus dem Landkreis, entwickelte sich ein angeregtes Gespräch.
Grundlegende Problemstellungen in Bezug auf Frauen in der Politik, bzw. deren fehlende Sichtbarkeit in vielen Bereichen, wurden angesprochen und Themenschwerpunkte gesetzt, die es zukünftig gilt mehr in den Fokus zu rücken.
„Es wurde deutlich, dass in vielen Bereichen der Entscheidungsfindung der weibliche Einfluss fehlt und viele Frauen die männliche Arroganz in der Politik als abstoßend empfinden“, so der Eindruck einer erfahrenen Parlamentarierin.
Auch die Gleichstellungsbeauftragte des Wartburgkreises, Petra Lehmann, betonte noch einmal die Schwierigkeiten der Vereinbarung von Beruf und Familie.
Dieses Thema stellte sich heraus, war in Vorgesprächen oft ein wesentlicher Hinderungsgrund für Frauen politisch aktiv in Erscheinung zu treten.
Aber auch für Männer spielt dies eine Rolle: als Kreistagsmitglied oder Landtagsabgeordneter ist es ebenso ein Balanceakt Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren.
Weitere Inhalte waren u.a. die gesellschaftliche Prägung eines veralteten Familienbildes und der Verteilung von Erziehungsaufgaben.
„Hieran muss gearbeitet werden. So muss es künftig beispielsweise mehr männliche Erzieher in Kindergärten geben, denn Männer können genauso Erziehungsarbeit leisten“, betonte ein Landtagsabgeordneter.
Bürgermeisterin Sina Römhild wies darauf hin, dass es vorab gut wäre zu wissen, welchen zeitlichen Umfang ein politisches Ehrenamt mit sich bringe, um es mit anderen Verpflichtungen in Einklang bringen zu können.
Sie machte auch noch einmal deutlich, dass sie sich darüber freue, den Schritt gewagt zu haben und sich als ehrenamtliche Bürgermeisterin aufstellen ließ.
Zum Abschluss stand noch einmal der Appell an alle Frauen in der Runde: das jeder Platz [in politischen Gremien] der von Frauen nicht besetzt wird, einem Mann gehöre. Frauen müssten einfach den Absprung wagen und sich gegenseitig unterstützen.