Ageing Smart Ergebnisbericht – Hohe Verbundenheit der Babyboomer mit dem Geisaer Land

Trotz niedriger Einkommen sind die sogenannten „Babyboomern“ im Geisaer Land zufriedener und fühlen sich der Heimat mehr verbunden als in vergleichbaren Regionen. Das ergab eine Umfrage der TU Kaiserslautern unter den sogenannten Babyboomern der Region.

Die Ergebnisse einer Umfrage unter der Generation der Babyboomer des Geisaer Landes im Rahmen des Forschungsprojektes „Ageing Smart“ der Technischen Universität Kaiserslautern wurden vergangene Woche im Rathaus der Stadt Geisa präsentiert.

Die Resultate waren für die Forscher recht erstaunlich, da sie doch so ganz anders als in vergleichbaren Kommunen ausfielen.

„Die Menschen im Geisaer Land legen Wert auf Familie und Gemeinschaft und fühlen sich trotz relativ niedriger Einkommen und teilweise fehlender kultureller Angebote hier pudelwohl“, fasste die Soziologin Prof. Dr. Annett Spellerberg die Ergebnisse zusammen.

Diese stellte sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Benjamin Stefan der interessierten Öffentlichkeit vor. Das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Ageing Smart“ beschäftigt sich mit den Bedarfen der sogenannten Babyboomer, der geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1969.

„Da diese nach und nach ins Rentenalter eintreten, sind wir als Kommunen gefordert, altersgerechte Wohnstandorte und Versorgungstrukturen zu schaffen“, erläuterte Geisas Bürgermeisterin Manuela Henkel die Beteiligung am Forschungsprojekt.

Ziel ist es, ein datengestütztes System zu entwickeln, das öffentlichen Akteuren als Entscheidungshilfe in ihren Planungsprozessen dient.

Dazu hatten in einem ersten Schritt die Forscher gemeinsam mit der Stadt Geisa und den Gemeinden Buttlar, Schleid und Gerstengrund im Herbst 2022 die Geburtenjahrgänge ab 50 Jahren aufwärts angeschrieben und um das Ausfüllen eines recht umfangreichen Fragebogens gebeten.

Dabei ging es um Fragen zum Wohnstandort, zu den Angeboten im Wohnumfeld, zur Mobilität, das Verhalten hinsichtlich Freizeit- und Erholungsaktivitäten sowie um die Versorgung mit medizinischen Angeboten und Dienstleistungen.

Von 2.570 versendeten Fragebögen kamen etwa 20 Prozent wieder ausgefüllt zurück und wurden ausgewertet. Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass das Geisaer Land mit der Stadt Geisa und 21 Orten mit insgesamt 7.500 Einwohnern eine handwerklich und landwirtschaftlich geprägte Region ist.

Das monatliche Einkommen ist mit 1.086 Euro niedrig. Der Bildungsstand, sprich die Quote bei Abitur und Studium, ist im Vergleich zu anderen Regionen eher niedrig.

„Das liegt wohl auch daran, dass man zu DDR-Zeiten meist staatskonform sein musste, um studieren zu können“, machte Roland Schel vom Gemeinderat Buttlar deutlich.

„Das katholisch geprägte Geisaer Land war damals schon eine Ausnahme.“ Nach religiösen Prinzipien leben heute noch in der Region 73 Prozent der sogenannten Babyboomer.

Auch die Quote an Wohnungseigentum liegt mit 91 Prozent sehr hoch. Im Alter wollen 55 Prozent selbständig im eigenen Haus oder mit ihrer Familie leben.

„Die Familienorientierung ist deutlich stärker als in anderen Kommunen“, betonte Spellerberg. Im Alter spielen die altengerechte, barrierefreie Wohnung, die Nähe zu den Kindern und eine gute Gesundheitsversorgung für die Befragten die größte Rolle.

Grundsätzlich war die Gesundheitsversorgung bei den Befragten ein größeres Thema als bei anderen.

„Fast niemand aus der Altersgruppe 50 Plus will umziehen, fast alle wollen im Geisaer Land wohnen bleiben“, berichtete Prof. Dr. Annett Spellerberg. Man fühle sich der Region sehr verbunden.

Auch die Ergebnisse beim ehrenamtlichen Engagement und bei der Bedeutung von Familie schlugen die der anderen Kommunen um Längen. Immerhin noch ein Fünftel der älteren Generation geht mindestens ein Mal pro Woche ehrenamtlichen Tätigkeiten nach.

96 Prozent der befragten Bürger ist die Familie besonders wichtig. Freizeitaktivitäten finden häufig vor Ort statt, die sich stark um Haus und Hof, die Familie und die Organisationen am Ort ranken.

Die Zufriedenheit mit der Freizeit ist dabei weniger stark ausgeprägt.

„Ich führe ein einfaches und bescheidenes Leben“, diese Aussage konnten 32 Prozent der Befragten voll und 55 Prozent mit eher bestätigen: „Die Menschen fühlen sich insgesamt gesehen einfach hier wohl und lieben ihre Heimat“, so Spellerberg.

Und dass, obwohl es Defizite in der Infrastruktur gibt und das monatliche Einkommen weit deutlich unter dem der anderen befragten Kommunen liegt.

„Das Materielle ist den Menschen nicht so wichtig“, fasste Manuela Henkel zusammen. „Im Geisaer Land zählen Familie und Gemeinschaft und das ist gut so!“

Die Digitalisierung ist für die Babyboomer nicht so ein großes Thema. Die Smartphone- und Internetnutzung fällt im Vergleich zu den anderen Modellkommunen zurück.

„Bei diesem Thema müssen die Kommunen die Menschen besonders mitnehmen, damit sie nicht den Anschluss verlieren“, sagte Benjamin Stefan.

Die Erreichbarkeit der Verwaltung bewerteten die meisten Bürger als sehr gut, was besonders Bürgermeisterin Manuela Henkel freute.

Abschließend konnten die Wissenschaftler feststellen, dass die hohe Verbundenheit mit der Region, das ehrenamtliche Engagement und die Zufriedenheit im Geisaer Land bei den Altersgruppen 50 Plus außerordentlich hoch ist.

„Im kulturellen Bereich und bei der medizinischen Infrastruktur haben wir Nachholbedarf“, so Manuela Henkel. Ebenso sollten die Kommunen vor Ort Angebote für altersgerechtes Wohnen schaffen.

Dazu hatte die Stadt Geisa bereits Ende des letzten Jahres ein geeignetes Grundstück in Geisa erworben. „Was wird man mit den Ergebnissen nun machen“, fragte Silvio Busold vom Ortsbeirat Borsch.

„Manches lässt sich mit schmalem Geldbeutel umsetzen, z.B. die Verbesserung des kulturellen Angebotes“, sagte Henkel. Hier sei man bereits seit letztem Jahr in Planung mit Ehrenamtlichen.

„Ein Schwimmbad, dass sich viele der Befragten wünschten, sei leider aktuell ausgeschlossen“, betonte die Bürgermeisterin. Ein großes Thema ist immer noch die Mobilität.

„Die älteren Bürger nutzen kaum den Rufbus, weil die Zeiten nicht optimal sind“, meinte Franziska Göb, Ortsteilbürgermeisterin von Otzbach und Geblar.

Hier seien Gespräche mit Wartburgmobil zu führen. In einem nächsten Schritt werden die zehn beteiligten Forscher aus den Disziplinen Raumplanung, Stadtsoziologie, Klimatologie, Informatik und Mathematik die Ergebnisse aufarbeiten und Handlungsoptionen für die Kommunen des Geisaer Landes ausarbeiten.

Das Forschungsprojekt Ageing Smart wird seit April 2021 über einen Zeitraum von fünf Jahren von der Carl-Zeiss-Stiftung mit rund 4,3 Mio. Euro sowie von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau mit weiteren 0,9 Mio. Euro gefördert.