Gastbeitrag von Michael Knauf
Auch die Bevölkerung der Stadt Vacha hatte sehr unter der Inflation, nach der Beendigung des Ersten Weltkriegs und durch die Reparationszahlungen Deutschlands, als Kriegsverlierer, zu Beginn der 1920iger Jahre zu leiden.
Um der Inflation entgegen zu steuern, bekam die Stadt Vacha durch ein staatliches Genehmigungsverfahren die Lizenz zur Herausgabe von Notgeldscheinen.
Als Notgeld bezeichnet man Geld oder auch Gutscheine, welche bei Mangel an Zahlungsmitteln vom Staat oder von Gebietskörperschaften in Umlauf gebracht oder gesetzt werden und nur örtliche Geltung besitzen.
Die damalige Stadtverwaltung, der an der Werra gelegenen Rhönstadt Vacha, konnte den Künstler und Kunstmaler Georg Hoffmann aus Freiberg in Sachsen für die graphische Herstellung der Notgeldscheine verpflichten.
Es wurde großen Wert auf ansehnliche und künstlerisch gestaltete Noten gelegt, deren Herstellung sehr aufwendig und zeitraubend war.
Die Scheine besitzen einen hohen geschichtlichen Wert und werden von Sammlern und Liebhabern sehr geschätzt. Das Vachaer Notgeld ist ein begehrtes Objekt auf Börsen und wird heute noch im Internet täglich angeboten.
Es wurde eine Serie von zwölf Scheinen mit einem Nennwert von je 75 Pfennig genehmigt. Alle zwölf Notgeldscheine hatten einen Gesamtwert von 9,00 Mark.
Die Scheine haben alle die gleiche, standardisierte, rechteckige Größe von hoch 65 mm und von lang 95 mm. Die Vorderseite der zwölf Notgeldscheine besitzt sämtlich ein gemeinsames Motivbild.
Sie tragen neben der Nummerierung, die Serienbuchstaben A bis M in einem roten Aufdruck. Die Farbausführung der gemeinsamen Vorderseite besitzt eine braune Grundfarbe, die mit zeitlos schönen Ornamenten verziert ist.
Neben der Wertangabe von 75 Pfennig die rechts und links des Scheins auf blauem Grund eingerahmt ist, prangt in grüner Überschrift Stadt Vacha.
In der Mitte ist auf grünem Untergrund das Stadtsiegel von Vacha angeordnet, Bonifatius ist mit der Jahreszahl 1631 zu sehen. Alle Scheine sind mit einem Wasserzeichen, einem Flämmchen versehen und tragen das Datum vom 18.Oktober 1921.
Nach nicht gesicherten Erkenntnissen oder Angaben sollen um die 120.000 Exemplare der Notgeldscheine gedruckt worden sein. Es kam um die Hälfte der Exemplare in den Umlauf.
Da per Reichsgesetz vom Februar 1923 die weitere Ausgabe von Notgeldscheinen untersagt wurden, verkaufte die Stadt Vacha die nicht in Anspruch genommenen Scheine, in Serien zu je zwölf Stück, versehen mit einem Informations-Beiblatt ( in den Farben rot und grün) aus der Hofdruckerei Hossfeld, an Sammler.
Die Rückseite ist etwas aufwendiger in Wort und Schrift gestaltet. Auf jedem der 12 Geldscheine befinden sich rechts unten auf einem blauen Feld Großbuchstaben. Diese ergeben den Satz: „Die Stadt Vacha.“
Weiterhin ist auf dem blauen Feld ein Wort über den Großbuchstaben vermerkt. Diese Wörter zusammengesetzt ergeben folgenden sinnvollen und zeitgemäßen Vers: „Wer uns zerschlagen das stattliche Haus, den jage der Teufel zum Lande hinaus.“
Die 12 Bilder der Rückseiten, sind mit folgenden Aufschriften versehen.
Zitate:
1. Merianisches Stadtbild um 1650. Es ist ein fein führnehm Städtlein, die Einkünfte des Ortes sind etwas schlecht. (S. Merian).
2. Die Burg, als Brückenkopf 1260 vom Abt Heinrich IV. von Fulda erbaut.
3. Werrabrücke, erbaut 1342, Frankfurt-Leipziger Heeresstraße.
4. Storchenturm, Vachas Störche auf hoher Warte mit weitem Blick und unverkürzter Arbeitszeit.
5. Klosterkirche der Marienknechte, erbaut 1390
6. Widemarkt, erbaut 1613, seit 1911 Rathaus. Hier übernachtete Napoleon auf der Retirade (Rückzug) 1813; von Kosaken gestört, flüchtete er unter Zurücklassung seines (goldenen) Essbestecks. (ausführliche Informationen in der Stadtchronik)
7. Vitus-Brunnen, erbaut 1613 zur Verehrung des Stadt-heiligen Vitus; auf dem Schild das „Vitche im Töpfche“, den Märtyrertod des Heiligen darstellend.
8. Kemenate, 1621 erbaut, 1921 Realgymnasium, 1919 Fachwerk unter altem Putz entdeckt und freigelegt.
9. Hospital am Untertor, eines der ältesten Bauwerke der Stadt
10. Münze, 1455 vom Abt Hermann II. errichtet. Beim Brande 1467 unversehrt geblieben. (Eine Silhouette bei Mondschein, links einen Nachtwächter und rechts ein Dukatenmännchen zeigend).
11. Marktplatz.
12. Sachsenheim. 1785 fiel hier der Dichter Seume in die Hände hessischer Werber. (S. Seume „Mein Leben“).
Anmerkung: Die Gebäude der Gasthof „Sachsenheim“ und das Hospital (im Volksmund Spittel oder Spital genannt) wurden zu DDR-Zeiten wegen unmittelbarer Grenznähe abgerissen.
Wer Lust auf das Sammeln von Vachaer Notgeld Scheinen bekommen hat, der wird im Internet fündig (Ebay oder Antik Shops). Allerdings liegen die Preise pro Satz (12 Scheine) um die 55,00 € plus Porto.
Besonderen Dank möchte ich Herrn Thomas Wolf aus Vacha für seine Hilfe bei der Erstellung des Beitrags sagen. Er öffnete sofort seine wohl sortierte Sammlung und stand mit Rat und Tat zur Seite.