Gastbeitrag von Anja Nimmich
Die Kommunen des Geisaer Landes informierten im Kulturhaus Geisa über den aktuell erarbeiteten kommunalen Notfallplan sowie über die Eigenvorsorge der Bürger bei Großschadensereignissen wie Hochwasser- und Extremwetterlagen sowie bei einem flächendeckenden Blackout.
„Es geht heute um Aufklärung, um pragmatische Lösungen, um Eigenverantwortung und Vorsorge, es geht nicht um Angstmache“, mit diesen Worten begrüßte Geisas Bürgermeisterin Manuela Henkel vergangene Woche zahlreiche interessierte Bürger im Kulturhaus Geisa zur Informationsveranstaltung „Vorsorgen schützt vor Sorgen“.
Die Stadt Geisa sowie die Gemeinden Buttlar, Schleid und Gerstengrund hatten hierzu eingeladen, um über die kommunalen Maßnahmen sowie die Eigenvorsorge bei den Szenarien Hochwasser, Unwetterereignisse und Blackout zu informieren.
„Die letzten Jahre haben uns gezeigt, dass unerwartete Ereignisse unser Gesellschaftssystem schnell durcheinanderbringen können“, so Manuela Henkel.
Das Hochwasser im Ahrtal, vermehrt auftretende Unwetter- und Starkregenereignisse, Lieferengpässe, die Energiemangellage seit dem Ukrainekrieg sowie erhöhte Netzwerkschwankungen zeigen, dass man sich mit neuen Situationen auseinandersetzen und darauf reagieren müsse.
Zu früheren Zeiten gäbe es im Vergleich zu heute drei große Unterschiede.
„Unsere Gesellschaft ist komplexer geworden, wir leben in starken Abhängigkeiten und haben in vielen Bereichen die Verantwortung abgegeben“, meint die Bürgermeisterin.
All die neuen Herausforderungen haben die Kommunen des Geisaer Landes bewogen, die Sicherheit und die Handlungsfähigkeit bei einem Hochwasser HQ100, bei Unwetterereignisse sowie bei einem 10tägigen flächendeckenden Blackout zu überprüfen und nach Lösungen zu suchen.
Dazu sei eine Gefährdungsanalyse und ein Notfallplan mit konkreten Handlungsempfehlungen aufgestellt worden. Manuela Henkel begrüßte als Vortragsredner Dr. Tobias Angert aus Hanau, der als „Blackout-Experte“ gilt.
Er ist promovierter Verhaltensgenetiker, Philosoph und Theologe und im Malteser Hilfsdienst seit Jahren ehrenamtlich im Kriseninterventionsteam, in der Notfallseelsorge und in der Einsatzkräftenachsorge (CISM = Critical Incident Stress Management) tätig. In seiner Heimatstadt ist er auch als Willkommenslotse und als Deutschlehrer für Flüchtlinge aktiv.
Die komplette von der Bundesregierung vorgesehene Umstellung auf regenerative Energien sieht Dr. Tobias Angert als problematisch an.
„Solarenergie gibt es nur, wenn die Sonne scheint und Windenergie nur, wenn der Wind geht“, so Angert. „Das Stromnetz sei kein Speicher.“
Auch das Gas werde zur Stromerzeugung benötigt, Deutschland will Atom- und Kohlekraftwerke abschalten und unsere europäischen Nachbarn, von denen die Bundesrepublik Strom bezogen hat, haben ebenso einen Energiemangel.
Ebenso hätten die Redispatchmaßnahmen, sprich die Eingriffe in das Stromnetz, um Energieengpässe zu verhindern, in den letzten Jahren deutlich zugenommen.
Im Jahr 2021 gab es 15.423 solcher Eingriffe, im Vergleich zu 2013 waren es nur 334. Bereits in diesem Jahr beläuft sich ihre Zahl auf 3.000.
Das alles seien Entwicklungen, die die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts - eines großflächigen Ausfalls des Stromnetzes und der Infrastruktur - erhöhen.
Die österreichische Regierung schätzt die Wahrscheinlichkeit für ein solches Ereignis „in den nächsten drei bis fünf Jahren als sehr realistisch“ ein.
Ebenso seien die Gefahren von Naturkatastrophen und Unwetterereignissen, wie dem im Ahrtal, nicht zu unterschätzen.
„Das Problem ist allerdings, dass die politisch Verantwortlichen meist wenig bis nichts aus solchen Ereignissen lernen“, so Angert. „Das Thema Vorsorge wird ausgesessen, weil es negativ behaftet ist.“
Die Folgen eines Blackouts könnten allerdings schwerwiegend für die Gesellschaft sein. „Zeitnah fallen so gut wie alle stromabhängigen Infrastruktur- und Versorgungsleistungen aus“, so Angert.
Das betreffe die Beleuchtung, die Kommunikation, Kassen, Geldautomaten, Tankstellen, Heizung, Wasser- und Abwasserversorgung und vieles andere mehr.
Die Krisenvorsorge sollte für Angert auf drei Säulen stehen: Behörden und hauptberufliche Einsatzkräfte, Hilfsorganisationen und ehrenamtliche Einsatzkräfte sowie die persönliche Notfallvorsorge der Bürger.
Der Experte rät für die individuelle Vorsorge einen zwei- bis dreiwöchigen Campingurlaub in der Wildnis zu planen, bei dem man nicht einkaufen kann.
Er rät zu einer Bevorratung von 2,5 Litern Trinkwasser, 4,5 Litern Brauchwasser, haltbaren Lebensmitteln, einer Versorgung mit stromunabhängigen Licht- und Wärmequellen, einem Erste Hilfe Kasten und wichtigen Medikamenten, einer Reserve an Bargeld, einem immer halb voll getankten Pkw, zur Anschaffung eines batteriebetriebenen Radios und noch einigem mehr.
Jeder sollte sich seiner Meinung nach um seine eigene Vorsorge eigenverantwortlich kümmern. „Rechnen Sie im Notfall damit, dass Hilfe kaum oder verzögert kommt“, so der Experte.
Krisenmanager Winfried Büchel und seine Kollegin Tina Gruß-Nelkert stellten im Anschluss die Gefährdungsanalyse und den Notfallplan für das Geisaer Land vor.
„Wir wollen vor der Situation sein“, betonte Büchel. Das heißt, dass manche Krise mit guter Vorbereitung und einem gut überlegten Notfallmanagement vermieden werden kann.
Zur Erstellung des Notfallplanes hätten die Kommunen im Geisaer Land Gespräche mit wichtigen Akteuren wie Versorgungsverbänden, Medizinern, Apotheke, Landwirten, Feuerwehren und Unternehmen geführt.
Die Gemeinden hätten mittlerweile bedarfsgerecht Notstromaggregate, die multifunktional genutzt werden können, angeschafft. Ebenso seien Treibstoffvorräte angelegt worden.
Demnächst werde es zum Notfallplan auch eine Übung geben. Ziel der Veranstaltung sei es nun, die Bürger zu sensibilisieren, aber nicht Angst zu verbreiten.
„Bitte verfallen Sie nicht in blinden Aktionismus und in Hamsterkäufe“, betonte Winfried Büchel. Der Einsatzstab selbst werde in einem Notfall im Rathaus in Geisa tagen und sich mit den Gemeindeverwaltungen der anderen Gemeinden vernetzen.
Für die Bürger selbst wird es in allen Orten in den Feuerwehrgerätehäusern, teilweise in Dorfgemeinschaftshäusern Anlaufstellen geben, die nach zwei Stunden besetzt sind.
„Dort erhalten Sie Informationen, können gemeinsam Hilfe organisieren oder Notfälle melden“, erklärte Bürgermeisterin Manuela Henkel.
„Bitte legen Sie Schritt für Schritt einen lebenden Vorrat an, der in den alltäglichen Verbrauch integriert ist“, so Manuela Henkel.
„Belegen sie ebenso einen Erste-Hilfe-Kurs und sichern sie wichtige Dokumente.“ Henkel wies auch auf den von den Kommunen erstellten Flyer zur Notfallvorsorge hin, der alle wichtigen Informationen für die Region enthalte.
Die Trinkwasserversorgung sei in den meisten Orten des Geisaer Landes bei einem Stromausfall für 72 Stunden gesichert. Darauf wies Geisas Feuerwehrsachbearbeiter Christian Ehmann hin.
Eine Bevorratung für längere Ausfälle sei empfehlenswert. Die Löschwasserversorgung sei ebenfalls in den Ortsteilen gesichert. Es gäbe Löschwasserbehälter, Löschteiche und offene Gewässer und die Feuerwehren seien mit mobilen Staustufen ausgestattet worden.
Auch die Versorgung mit Medikamenten über einen zentral zu verschreibenden Arzt und die Herausgabe von Teilmengen wurde besprochen. Die Bürgermeisterin wies besonders auf die Bedeutung der Gemeinschaft in Not- und Krisenfällen hin.
„Eine gute Dorfgemeinschaft und nachbarschaftliches Miteinander können vieles lösen“, so Henkel. „Solange wir miteinander reden und kooperieren, finden wir Lösungen und können Ausnahmesituationen am besten bewältigen.“