Gastbeitrag von Michael Knauf
Während einer Familienfeier kam die Diskussion auf, was ein Frühmesser in der Rhönstadt Geisa war. Allgemein ist der Frühmesser oder Primissar ein katholischer Geistlicher, der regelmäßig die heilige Messe am frühen Morgen vor dem Arbeitsbeginn der Stadt-Bewohner abhält.
Die Frühmesserei in der Stadt Geisa war eine Stiftung des Fuldaer Fürstabts Heinrich VII. von Kranlucken, aus dem Jahr 1356.
Weitere Stifter waren Andreas der Rektor der Pfarrkirche von Schleid, die Brüder und Priester Berthold und Heinrich sowie die Stadtbewohner von Geisa.
In historischen Aufzeichnungen des Heimatforscher Dr. Hans Goller (†) war folgende Legende über die Frühmesserei aus dem Jahr 1855 in der Stadt Geisa zu finden.
Zum Aufgabenbereich des Frühmesser zählten:
1. An Sonn-und Feiertagen das Zelebrieren der Frühmesse und die Aushilfe im Beichtstuhl
2. Die Durchführung von sieben Fastenpredigten mit dazugehöriger Andacht von Aschermittwoch bis zum Palmsonntag jeweils um 16 Uhr
3. Die wöchentliche Abhaltung des Religionsunterricht in den oberen Klassen der städtischen Elementarschule, später die Unterrichtung von Latein an der am 18. Oktober 1884 gegründeten Bischöflichen Lateinschule zu Geisa
Dem Frühmesser stand eine eigene Dienstwohnung in dem zweistöckigen Wohnhaus Nr. 216 (heute Werner Deschauer Straße Nr. 4) mit zwei Stuben, drei Kammern, einer Küche, Kellerräume und ein Speicher zu.
Zur Wohnung gehörte die Nutzung eines kleinen Hofes, eines Nebengebäudes mit Schweinestall, Heuboden, Hühnerstall und Holzschuppen. Außerdem ein Hausgarten und an der rechten Seite des Hauses ein Zugang zur Gasse.
Zur Frühmesserei gehörten die steuerfreien Grundstücke in der Obergeis/Schützengeis neben der Geismühle als Gartenland, der Krautacker am Weihersrasen im Papiermühlenweg, das Gemüseland in der Aue und das Kartoffelland am Mittelberge, auf der Anhöhe neben der Rasdorfer Straße.
Die Entlohnung des Frühmessers betrug jährlich 144 Reichstaler (1 Taler = 3 Reichsmark), 20 Silbergroschen und 8 Pfennige in bar. Diesen Betrag mussten die Kirchen-, die Hospital und die städtische Kämmereikasse aufbringen.
Außerdem bekam der Frühmesser jährlich von der Geisaer Stadtkirche Naturalien von acht Malter (1 Malter um die 130 kg) Getreide. Weiterhin mussten 17 zinspflichtige Landwirte aus Borsch bis zum 1. November (Allerheiligen) jeden Jahres, sämtliche Zinsfrüchte ohne Anspruch einer Vergütung an die Frühmesserei liefern.
Die Stadt Geisa lieferte jährlich vier Klafter Brennholz (1 Klafter entspricht ca. 3,3 m³) aus dem Stadtwald als Besoldungsanteil. Der Frühmesser musste aber den Lohn für die Baumfällarbeiten und für die Holzabfuhr aus eigenen Mitteln begleichen.
Weitere Zuwendungen bekam der Frühmesser von der Stadt Geisa, zum Neujahr einen Wand-und Hauskalender, am 2. Februar zu Lichtmess eine halbpfündige (250 g) Kerze und am 12. Mai (Gregoriustag) zwölf Fastenbrezeln.
Der Frühmesser besaß alle bürgerlichen Rechte. Für die Gründer der Stiftung hatte der Frühmesser jährlich 36 Intentionen abzuhalten. Das heißt, monatlich zwei Seelenmessen für die Familie Reuter und ebenfalls monatlich eine für die noch lebenden und verstorbenen Stifter.
Die Frühmesserei war für die Kirchengemeinde und für die Stadt Geisa eine fortschrittliche Errungenschaft. Leider musste der letzte Frühmesser Dr. Konrad Gärtner im Jahr 1949, durch die Gründung der DDR, seine geliebte Stadt Geisa verlassen.
Auch die Bischöfliche Lateinschule Geisa fiel schon 1947, der Neuordnung nach dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer und wurde aufgelöst. Das war eigentlich sehr kontraproduktiv, da sehr viele Lateinschüler aus dem Geisaer Land, Akademiker und Priester wurden.
Nicht nur in katholisch geprägten Gegenden wurden Frühmessen abgehalten, sondern auch im protestantischen Bereich. Hier wurde der Frühmesser als Frühprediger bezeichnet, welcher die Frühlehre oder Frühpredigt beim Frühgottesdienst zelebriert.
Wer mehr über die Frühmesserei in Geisa erfahren möchte, dem empfehlen wir das Buch „Land an der Straße“ von dem Geistlichen Rat Herrn Adelbert Schröder, St. Benno Verlag Leipzig, Erscheinungsjahr 1989, ISBN 3-7462-0430-5.
Ein besonderer Dank und Anerkennung gilt dem bekannten Geisaer Heimatforscher Herr Alexander Henning. Er war mir bei der Klärung offener Fragen zu dem vorliegenden Beitrag sehr behilflich.