Gastbeitrag von Susanna Leubecher
Des Kaisers neue Kleider, so lautet der Titel eines Märchens von Hans Christian Andersen. Doch anders als im Märchen wurde der Hirte aus Psalm 23 tatsächlich in ganz prächtige Gewänder musikalischer Art gekleidet.
Beim Konzert „Schmecket und sehet“ in der vollen Tanner Stadtkirche am Pfingstsonntagabend erlebten unzählige Zuhörer nicht nur ein buntes Programm zum Thema „Essen“, sondern auch eine wunderbare Uraufführung des 23. Psalms durch den Kirchenchor Tann und das Rathgeberensemble Fulda mit Solisten.
Das Rathgeberensemble bewies mit Orchesterwerken von Wolfgang Amadeus Mozart (Kirchensonate C-Dur, KV 329) und Sätzen aus der Sinfonie 85 von Joseph Haydn seine feine Klanggestaltung.
Regionalkantor Ulrich Moormann führte mit Charme durch die Raffinessen der Partitur und entlockte seinen Streichern und Bläsern feinsinnige und vielfältige Details der Phrasierung und Klangsinnigkeit.
Der Kirchenchor Tann unter der Leitung von Kantor Thomas Nüdling hatte sich kleine und große Werke zum Thema ausgesucht: Mozarts „Ave verum“ gewann mit unprätentiöser Zurückhaltung eine wunderbare Tiefe; Maurice Duruflés „Notre Père“ (Vaterunser) wurde mit besonderem Sinn für weiche Klänge a cappella wiedergeben.
Mit Johann Michael Bachs Kantate „Schmecket und sehet“ meisterten Chor und Orchester zarte Linien und forsche Bewegung meisterhaft.
In der gewichtigen Arie „Kommt und schmecket“ achtete Bariton Peter Schüler besonders auf das Gleichgewicht von drängender Bewegung und diskreter Zurückhaltung.
Sopranistin Anna Ziert faszinierte mit präsenter Bescheidenheit im Rezitativ „Ich komme denn, mein Gott“. Mit dem Choral „Du, Herr, hast aus Barmherzigkeit“ beschlossen Chor und Orchester feierlich die Kantate des Tanner Bach.
Höhepunkt des Abends war die Uraufführung der Kantate „Der Herr ist mein Hirt“ von Thomas Nüdling. Er hat das fünfsätzige Werk „seinem“ Tanner Kirchenchor auf den Leib geschrieben.
Und so hingen die Sängerinnen und Sänger dem Komponisten, der das Werk auch dirigierte, aufmerksam und voller Energie an Lippen und Händen.
Kompositorisch nutzt Nüdling darin einen wunderbaren Reichtum romantischer Klangkunst gepaart mit dem Willen zur formalen Klarheit. So schritt der Hirte mit dem unermüdlichen Schwung einer Pastorale feierlich daher.
In der Bass-Arie „Er führet mich“ von Bariton Peter Schüler stand die liebevolle Führung durch den Hirten der Bedrohung im finsteren Tal diametral gegenüber.
Von erfrischendem Gestus war die Sopran-Arie „Du bereitest vor mir einen Tisch“ durch Anna Ziert geprägt. Und die Freude über die Barmherzigkeit erinnerte im Chor „Gutes und Barmherzigkeit“ an einen royalen Lobgesang voll von emphatischer Grandezza.
Chor, Orchester, Solisten und natürlich der Komponist zeigten sich von ihrer besten Seite. Daher wurde die Uraufführung des Werks zu Recht mit viel Applaus und Standing Ovations bejubelt.
Damit endete kein Märchen, sondern ein wunderbares Pfingstkonzert des Kirchenchores Tann.
Prof. Dr. Christoph Gregor Müller betrachtete das Motto „Essen“ des Konzerts im Licht des pfingstlichen Geschehens. Daraus leitete er Impulse zum alltäglichen Leben und zum Umgang miteinander ab.