Beitrag von Michael Knauf
Philippsthal (Werra) ist eine Marktgemeinde, welche direkt an der Landesgrenze Hessen/Thüringen, im osthessischen Landkreis Hersfeld-Rotenburg liegt. Der Titel „Marktgemeinde“ wurde bereits am 30. Mai 2001 an den Ort verliehen.
Die Marktgemeinde Philippsthal mit ihren fünf Ortsteilen Harnrode, Gethsemane, Röhrigshof, Heimboldshausen und Unterneurode, liegen an den Flüssen Werra und an der Ulster.
Zwischen der Marktgemeinde Philippsthal und dem Ortsteil Röhrigshof mündet die Ulster in die Werra. Eine Ersterwähnung von Philippsthal erfolgte im Jahr 1191 durch einem Schutzbrief des Papst Coelestin III. an die Abtei Hersfeld.
Heute leben rund 4100 Bürgerinnen und Bürger in Philippsthal. Eine Höhenlage über NN wird mit 230 Metern angegeben.
Das Notgeld der Marktgemeinde Philippsthal
Als Notgeld bezeichnet man Geld-und Gutscheine, welche bei Mangel an Zahlungsmitteln vom Staat oder Gebietskörperschaften in Umlauf gebracht oder gesetzt werden und nur eine örtlich begrenzte Geltung besitzen.
Da die Kursmünzen aus den Edelmetallen Kupfer, Silber und Gold als kriegswichtig eingeschätzt wurden und das deutsche Kaiserreich diese einzog, bestand ein Münzmangel in den Anfangsjahren des Ersten Weltkrieges (1914-1918) und in der Nachkriegszeit.
Dadurch waren die meisten deutschen Städte und Gemeinden gezwungen, selbstständig Kriegs-oder Notgeldscheine herzustellen. Immobilien und Liegenschaften der Auftraggeber waren auf Grundlage des Gesetz § 807 des BGB die Deckung für die Zahlungsmittel.
Ein Reichsgesetz vom Februar 1923 untersagte eine weitere Ausgabe von Notgeldscheinen und rief alle Länder des Deutschen Reich zur Einlösung des Geldes auf.
Sehr viele Sammler suchen heute noch auf Börsen oder im Internet nach dem begehrten Philippsthaler Notgeld.
Der hauptamtliche Kassenrechner der Gemeinde Philippsthal (von 1912 – 1924), Heinrich Bohn, hatte keine leichte Aufgabe. Durch den Krieg und die Inflation waren die Finanzen der Ortschaft stark geschrumpft.
Er berief dringlich den Gemeinderat unter Vorsitz des damaligen Bürgermeister Waschinski (Bürgermeister von 1914 bis 1922) ein und es wurde eine Ausgabe von Notgeldscheinen zum 1. Oktober 1921 beschlossen.
Dem Gremium gelang die Verpflichtung des angesehenen Künstlers, Karikaturist und Maler Herr L. Metz. Ob die ortsansässige Hof-Druckerei Hoßfeld den Auftrag zum Druck der Not-Geldscheine erhielt, ist leider nicht überliefert.
Auch über die Auflage und die Produktionskosten der Scheine gibt es keine schlüssigen Erkenntnisse. Die Gutscheine hatten alle die gleiche standardisierte, rechteckige Größe in einer Höhe von 72 mm und in einer Länge von 107 mm.
Es konnten acht unterschiedliche Motiv-Gutscheine (Rückseite) mit einen Nominalwert von „Einer Mark“ herausgegeben werden. Die Vorderseiten der Geldschein-Serie hatten alle die gleiche Bedruckungsvariante.
Hierbei wurde das Wappen der Gemeinde Philippsthal als ein Doppelkreuz, ähnlich dem Doppelkreuz der Abtei Hersfeld, abgebildet, da das Philippsthaler Kloster Kreuzberg eine Filiale der Hersfelder Abtei war.
In der Mitte der Notgeldscheine sieht man den Hessenlöwen und das Doppelkreuz. Diese stammen aus dem Familienwappen der Landgrafen von Philippsthal.
Es ist das Allianzwappen der Eheleute, von Landgraf Karl von Hessen-Philippsthal und von Katharine Christine von Sachsen-Eisenach.
Die Grafiken auf den Rückseiten der Geldscheine zeigen:
Schein 1
Auf der linken Seite ist eine Zeichnung von Landgraf Philipp zu sehen und rechts wird ein Burgvogt dargestellt.
In der Mitte ist das Torbogenhaus von 1734 mit seinem Mansardendach zu sehen, es befindet sich in der östlichen Schlosshofeinfahrt. Das historische Holztor mit dem kleinen Einlasstürchen für verspätete Besucher oder Heimkehrer ist heute noch vorhanden.
Das Tor wurde 1978 während einer General-Renovierung des Torbogenhauses ebenfalls wieder Instand gesetzt. Von Juli 1951 bis zum Mai 1952 diente das Torbogenhaus als Grenzkontrollstelle.
Ab dem Jahr 1978 wurde es bis zum Jahr 1989 als Grenz-Informationsstelle des Grenzzolldienstes genutzt. Heute betreut das sehenswerte Grenz-Museum die Arbeiterwohlfahrt. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und hatte in grauer Vorzeit ein heute noch erhaltenes Kellerverließ.
Schein 2
Die linke Seite ziert eine Karbid-Grubenlampe und rechts ist ein Bergknappe oder Kalikumpel zu sehen. Das Hauptbild stellt das Kaliwerk Hattorf dar.
Im Jahr 1905 erfolgten die ersten Abteufarbeiten. Anfang des Jahres 1908 wurden zwischen 600 und 700 Meter Tiefe die Kaliflöze „Thüringen“ und „Hessen“ gefunden.
Am 28. Juli 1908 konnte das erste Rohsalz gefördert werden, gleichzeitig nahm die Rohsalzmühle ihren Betrieb auf. Ein erster Bahnversand des Düngemittelsalzes „Kainit“ erfolgte planmäßig am04. August 1908.
Heute ist die K+S Minerals and Agriculture GmbH Werk Werra, der größtes Arbeitgeber und Motor in der Werra/Ulster Region. Der Volksmund sagt. „Kali und Salz, Gott Erhalts!“
Schein 3
Auf der linken Seite ist ein Landsknecht abgebildet, wobei die rechte Seite einen aufständischen Bauern zeigt.
Die mittlere Karikatur erinnert an die Zerstörung des Klosters Kreuzberg am 22. April 1525, während des großen deutschen Bauernkriegs.
Nach der Reformation wurde das Kloster von den Nonnen verlassen und im Jahr 1593 säkularisiert. 1685 ließ Prinz Philipp von Hessen an dem ehemaligen Klosterstandort ein Schloss errichten, das er Philippsthal nannte.
Schein 4
Die linke Seite zeigt einen zeitgenössischen Webstuhl, auf der rechten Seite ist das Philippsthaler Original Kurt Amhof, auch das „Essigs Kürtche“ genannt, zu sehen.
Kurt Amhof hatte keinerlei eigene Besitztümer, er war ein anspruchsloser Naturmensch. Man kannte ihn nur mit weißen Hemdsärmeln im Sommer und auch bei bitterer Kälte im strengsten Winter, natürlich ohne Kopfbedeckung.
Der Analphabet und Alkoholiker „Essigs Kürtche“ starb am 2. Dezember 1905 im Alter von 76 Jahren.
Das mittlere Bild zeigt einen Teil des heutigen Tiefenkeller. Früher floss noch ein Bach durch den Tiefenkeller bis zur Mühle.
Schein 5
Der schöne Marktbrunnen ist auf der linken Seite zu sehen, die rechte Seite zeigt ein ballspielendes Mädchen.
In der Mitte wurden die imposanten Gebäude und die alte ehemalige Schule am Marktplatz um 1750 abgebildet.
Schein 6
Die linke Zeichnung zeigt stilistisch die Justitia und rechts ist der Ortsdiener und Ausscheller-Bekanntmacher zu sehen.
Auf dem mittleren Bild sieht man das alte Rathaus, es wurde durch die Baufirma W. Schlotzhauer erbaut und am 1. März 1914 eingeweiht.
Die ersten Dienstzimmer bezogen der Gemeinderechner und späterer Bürgermeister Bohn (Bürgermeister von 1924 bis 1936), sowie der damalige zweite Bürgermeister Lingmann.
Am 1. April 1924 kam im Erdgeschoß die Poststelle hinzu. Nach 1945 betrieb die Kreissparkasse im Postraum eine Filiale. Bis Anfang der 1990iger Jahre verblieb das Rathaus bzw. Gemeindeverwaltung in den Räumlichkeiten.
Heute ist die Gemeindeverwaltung mit allen Ämtern im modernen und behindertengerecht ausgestatteten Schloss untergebracht.
Im alten Rathaus sind heute die Praxis-Räume eines bekannten und angesehenen Gesichtschirurgen und Zahnarzt.
Schein 7
Die heilige St. Katharina ist auf der linken Seite dargestellt. Sie gehört in der katholischen Kirche zu den vier großen heiligen Jungfrauen und zählt zu den heiligen vierzehn Nothelfern.
Rechts ist der Ritter Cruceberg mit voller Rüstung, Schwert und Schild abgebildet. Das Geschlecht der Cruceberg gilt als Förderer oder Gründer des Klosters Kreuzberg.
In der Mitte ist die ehemalige Klosterkirche Kreuzberg, die heutige evangelische Schlosskirche zu sehen.
Die Kirche weist eine wechselvolle Geschichte auf, sie wurde bereits im 12. Jahrhundert von dem Benediktiner Orden geplant und 1191 von dem Zisterzienser Orden erbaut.
Nach dem Kloster und Klosterkirche, Eigentum von Landgraf Philipp wurden, nahm dieser bis 1733 größere Umbauarbeiten vor.
Er ließ eine Fürstengruft errichten und das südliche Seitenschiff schlossartig ausbauen. Um 1900 erfolgte eine schlichte Bemalung der Holzdecke. Die Orgel wurde im Jahr 1795 eingeweiht.
Schein 8
Dieser Notgeld-Schein befasste sich mit dem Traum von einem Kurort. Links ist ein genesener, wohl genährter Proband abgebildet.
Auf der rechten Seite sieht man eine stilistisch gezeichnete Frau im wohl griechischen Gewand, die als Sanitas, im lateinischen als „Gesundheit“ bezeichnet wird.
In der Mitte ist die 1731 erbaute Orangerie zu sehen, die hier schon etwas voreilig als Kursaal bezeichnet wird.
In der Tat wurde in Philippsthal eine sehr starke und ergiebige Solequelle entdeckt. Unsere Vorfahren hatten die Vorstellung, aus der Gemeinde Philippsthal einen berühmten Kurort zu machen.
Alle Baupläne über den Neubau der Kuranlagen lagen bereits vor. Leider wurden sämtliche Genehmigungsverfahren von höheren Stellen abgelehnt.
Wahrscheinlich wurden andere heutige Kurorte in der näheren Umgebung bevorzugt. So blieben nur die Vision und eine verpasste Gelegenheit. Die Quelle wurde von einem bekannten Getränkehersteller genutzt.
Zum Thema Marktgemeinde Philippsthal möchten wir folgenden Lesestoff empfehlen:
- Philippsthal (Werra) und seine Ortsteile im Wandel der Zeit; Bilder aus dem letzten hundert Jahren
Geiger-Verlag GmbH, Horb am Neckar, 1991
Autoren: Werner Landeck und Klaus-Dieter Radick, ISBN 3-89264-510-8
-
-
- - Heimatbuch des Dorfes Philippsthal
- Hoßfeldsche Hofdruckerei, Vacha/Philippsthal, 1925
-
Autor: Karl Münch, Aufarbeitung: Uwe Kranz, Philippsthal, keine ISBN-Nr.
- Philippsthal in alten Ansichten
Europäische Bibliothek-Zaltbommel/Niederlande
Autor: Hugo Kossick, ISBN 10: 90288 3081 2
- Philippsthal in alten Ansichten Band 2
Europäische Bibliothek-Zaltbommel/Niederlande
Autorin: Helga Klotzbach, ISBN 90 288 3726 4
Alle angegebenen Publikationen sind gleichzeitig die Quellenangaben zu dem vorliegenden Beitrag. Original Notgeldscheine von Philippsthal sind noch mit etwas Geduld im Internet erhältlich.