Gastbeitrag von Sandra Blume
Die Fachgruppe Seniorinnen und Senioren des Netzwerks Prävention veranstaltete unter der Federführung der Sozialplanung des Landratsamtes Wartburgkreis am Montag den ersten Pflegefachtag im Wartburgkreis im barrierefreien Bürgersaal „Rautenkranz“ in Gerstungen.
Eingeladen waren Interessierte, private und beruflich Pflegende sowie Vereine und Verbände. Zum Fachtag konnten sich die zahlreichen Besucher im Foyer und in Teilen des Saals an knapp 20 Ständen von Fachausstellern, wie zum Beispiel der AWO, dem ASB, dem Klinikum Bad Salzungen, dem Verein „Aktiv im Leben mit Behinderung“ sowie bei den Sanitätshäusern zu den Themen betreutes Wohnen, basale Stimulation, Essen auf Rädern, Hilfsmitteln und vielen weiteren Inhalten informieren und beraten lassen.
Der Ausstellungsbereich war gut besucht und es wurden zahlreiche Gespräche geführt. Per Umfrage fand eine Bedarfserhebung unter den Besuchern statt, um die konkreten Schwierigkeiten, Wünsche und Bedürfnisse der Pflegenden zu erfassen.
Vorträge beleuchten Schieflage in der Pflege
Parallel dazu fanden ein Vortragsprogramm und eine Podiumsdiskussion statt.
„Die Pflegesituation wird unsere Gesellschaft in Zukunft noch stärker beschäftigen. Im Jahr 2042 wird rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung im Wartburgkreis über 65 Jahre alt sein“, verwies Sozialplanerin Carina Unkart-Schmidt in ihrem Vortrag auf die Bevölkerungsvorausberechnungen der amtlichen Statistik.
Da der Anteil Hochaltriger an der Gesellschaft stark ansteigt, wächst auch die Zahl der Pflegebedürftigen.
In ihren Ausführungen präsentierte sie anhand statistischer Analysen die demografische und sozialräumliche Ausgangslage und Prognose in der Pflege im Wartburgkreis.
„Ein besonderes Defizit besteht im Bereich der Tagespflege. Hier gibt es rein rechnerisch nur für jeden 83. hochaltrigen Menschen einen Platz in einer Tagespflegeeinrichtung“, stellt Unkart-Schmidt heraus.
„Aber gerade für pflegende Angehörige wären solche Tagesbetreuungsangebote ein zwingend benötigtes Format für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.“
Pflegende Angehörige unterstützen
Dass die häusliche Pflege durch Angehörige in der Zukunft immer stärker den Mangel an Versorgung durch professionell Pflegende abfedern müsse, betonte auch Prof. h.c. Christel Bienstein, Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe – DBfK, die in ihrem Vortrag Perspektiven für pflegende Angehörige aufzeigte.
„Pflegende Angehörige sind unsichtbar und haben keine Interessenvertretung“, machte Bienstein mit berührenden Geschichten, unter anderem von pflegenden Minderjährigen, deutlich.
Die Unterstützung pflegender Angehöriger stand beim Fachtag ebenso im Fokus, wie die Belange von beruflich Pflegenden.
Ein weiterer Fachbeitrag von Dr. Heiko Tierling, Geschäftsführender Gesellschafter der ZIPP- Pflegekonzepte und Inhaber der Zipp Akademie aus Diedorf, widmete sich der Fragestellung „Was läuft aktuell schief in der Pflege?“
Landrat Reinhard Krebs begrüßte die Initiative des Netzwerks zur Veranstaltung des ersten Pflege-Fachtages: „Ich bin sehr froh über diesen Tag.
Die Welt hat sich verändert und der Bedarf, neue gute Wege in der Pflege zu gehen, ist immens. Ich bin stolz, dass aus dem Landratsamt und dem Netzwerk die Idee zu dieser Veranstaltung kam und ich danke allen Akteuren für die hervorragende Umsetzung. Folgeveranstaltungen werden stattfinden, da bin ich ganz sicher“, betonte der Landrat.
Auch Thüringens Sozial- und Gesundheitsministerin, Heike Werner, richtete in einer Videobotschaft ein Grußwort an das Publikum in Gerstungen.
„Ich freue mich über die Initiative vor Ort zu diesem wichtigen Zukunftsthema. Ich bin froh, dass Ihre Fachveranstaltung eine Gruppe in den Vordergrund rückt, die sonst oft im Verborgenen ist – nämlich die pflegenden Angehörigen, die eigentlich die größten Pflege-Dienstleister sind“, so Werner.
Podiumsdiskussion und Wusch nach besseren Rahmenbedingungen
Am Nachmittag folgte eine Podiumsdiskussion mit prominenter Besetzung. Vertreten waren unter anderem Dr. Jan Steinhausen (Geschäftsführer des Thüringer Landesseniorenrats), Olaf Hubrig (Themenleiter Pflege bei der AOK Plus), die Kommunale Beauftragte für Menschen mit Behinderung Nicole Briechle (Perspektive der pflegenden Angehörigen) und Dr. Sigrun Fuchs (Thüringer Agentur für Fachkräftesicherung).
Hier gab es auch für Zuhörer Gelegenheit, an Vertreter der genannten Institutionen themenspezifische Fragen zu stellen.
Die Moderation des Pflege-Fachtags übernahm Simone Rieth. Sie begleitet das Netzwerk Prävention mit in beratender Funktion bereits seit 2021.
Abgerundet wurde der erste Pflege-Fachtag durch die Schlussworte von Kathrin Schlotzhauer, die als beratende Pflegefachkraft des Wartburgkreises und Mitglied der Fachgruppe Seniorinnen und Senioren vor Ort war.
„Es ist nicht allein der Fachkräftemangel in der Pflege. Digitalisierungszwang, horrende Energiekosten, hohe Benzinpreise usw. zwingen immer mehr Pflegeeinrichtungen zur Aufgabe“, so das Resümee von Schlotzhauer.
„Daher würde ich mir wünschen, dass wir mit dem Fachtag einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung leisten konnten, damit zukünftig gemeinsam an besseren Rahmenbedingungen für Pflegende gearbeitet werden kann,“ so Schlotzhauer weiter.
Sozialplanerin Unkart-Schmidt bilanziert: „Es war das erste große Gemeinschaftsprojekt unserer Fachgruppe. Ich finde, diese Premiere ist mehr als gelungen.
Besonders eindrucksvoll war das tolle Hand-in-Hand unter den Fachgruppenmitgliedern, einfach großartig.“