Video online – Vortrag zum Lebensraum „Kirchturm“- Einblick in tierische Wohngemeinschaft

Gastbeitrag von Lea Hohmann

Am 21. September fand wieder ein Online-Vortrag der Reihe „In der Rhön – für die Rhön“ statt. Karola Marbach, zuständig für Forschung und Monitoring in der Thüringer Verwaltungsstelle des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön, gab einen Einblick in ihr Monitoringprojekt „Lebensraum Kirchturm“.

Zu der Veranstaltung hatten die Verwaltungen des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön eingeladen. Die Aufzeichnung der Veranstaltung kann man sich ab sofort online anschauen.

Durch Veränderungen ihrer ursprünglichen Habitate in Wald und Wiesen flüchten viele Tierarten in die Siedlungsräume des Menschen. Dadurch werden Gebäude werden zum Beispiel für verschiedene Vogelarten und Säugetiere als Ersatz für natürliche Bruthöhlen interessant.

Insbesondere Kirchtürme eignen sich für viele Tierarten als Rückzugsorte: Dort ist es warm, es geht keine Zugluft und tagsüber herrscht Dunkelheit.

Untersuchung der Kirchtürme in der Thüringer Rhön

Das Monitoringprojekt startete 2019 mit einer Erfassung aller Kirchtürme in der Thüringer Rhön. Rund um die Kirchen wurde nach Hinweisen potentieller Bewohner gesucht. Im Folgejahr wurden 28 der 75 Kirchen ausgewählt.

Neben einer erneuten Außenbegehung wurden – natürlich mit der Erlaubnis der jeweiligen Kirchengemeinden – die Kirchtürme auch von innen nach Bewohnern untersucht, inklusive einer Fotodokumentation.

Auch bereits vorhandene Nistkästen wurden kartiert und mit den Kirchengemeinden zusätzliche Einbaumöglichkeiten besprochen.

Zuhause zahlreicher Vogel- und Fledermausarten

Welche „Neubürger“ konnte das Monitoring-Team nun also erfassen? Neben zahlreichen Dohlen, intelligenten Rabenvögeln, die gerne die obersten Stockwerke in Kirchtürmen belegen, finden sich in den Rhöner Kirchen oft Turmfalken, Mauersegler und Fledermäuse.

Wie ihr Name schon vermuten lässt, sind auch Turmfalken häufig in Kirchtürmen anzutreffen. In Gebäudenischen ziehen sie ihre Brut auf, die sie mit Mäusen, kleineren Singvögeln und auch Käfern versorgen.

Die Jagd nach Beute erfolgt von ihrem hohen „Ansitz“ aus oder aus dem Flug heraus.

„Wussten Sie, dass der Turmfalke, wenn er rüttelnd in der Luft steht, die Wege der Mäuse durch deren Urinspur nachverfolgen kann?“, ergänzte Karola Marbach ihren wissenschaftlichen Vortrag mit interessanten Details.

Mauersegler als Artisten der Lüfte

Auch Mauersegler traf das Forscherteam häufig in den Dachkästen, Lüftungsöffnungen und Mauerfugen an, wo die Vogelart ihre Nester für die Brut baut.

Denn das Brüten ist das einzige, was die Artisten der Lüfte nicht im Flug tun. Die Mauersegler verbringen fast ihr gesamtes Leben im Flug, so dass ihre Beine und Füße stark zurückgebildet sind.

Der Start in die Lüfte vom Boden aus ist damit nicht mehr möglich. Als heimliche Säugetier-Nachbarn schleichen sich einige Fledermausarten in die gefiederten Kirchturm-Wohngemeinschaften.

Karola Marbach entdeckte und untersuchte unter anderem Kolonien des Grauen Langohrs und des Großen Mausohrs.

Manchmal muss man genau hinsehen, denn die Wochenstuben sind oft in den engsten Spalten und Rissen im Mauerwerk im Inneren der geschützten Kirchtürme versteckt.

Zuerst findet man meist die Hinterlassenschaften der Fledermäuse mit glänzenden Chitin-Partikeln, den Überresten der Insektennahrung. „Ein hervorragender Blumendünger,“ so die Referentin.

Gerne gefunden hätte Karola Marbach auch die Schleiereule - als Jäger von Mäusen und Ratten nicht nur bei Landwirten eine geschätzte Tierart.

Leider konnten keine Brutnachweise in den untersuchten Kirchtürmen gefunden werden. Mit dem (Wieder-) Einbau von sogenannten Eulentüren könnte man den Wiedereinzug der Schleiereule in Kirchtürme oder auch in Scheunen und andere landwirtschaftlich genutzte Gebäude fördern.

Den Kirchturm als Lebensraum erhalten

Unruhe in die Wohngemeinschaft bringt immer öfter ein Neuankömmling: Die Nilgans. Diese Art ist zwar sehr anpassungsfähig, weist allerdings zur Brutzeit ein ausgeprägtes Aggressionsverhalten auf, was vereinzelt zur Verdrängung von Falken und Schleiereulen führen kann.

Leider sinken die Zahlen der genannten Arten durch die Störungen des Menschen. Im Rahmen von Kirchensanierungen werden zum Beispiel Gitter angebracht, die vor allem Tauben fernhalten sollen.

Auch Abrisse, das Anbringen von Wärmedämmung oder andere Sanierungen an Wohngebäuden können die Lebensraumbedingungen verschlechtern.

„Wir möchten einen Beitrag dazu leisten, auf die Veränderungen im Lebensraum und die Bedürfnisse der Kirchturmbewohner aufmerksam zu machen und Möglichkeiten aufzeigen, um den Kirchturm als Lebensraum zu erhalten“, betont Karola Marbach.

Sabine Klenk, Forschungskoordinatorin und Moderatorin der Vortragsreihe, zeigte sich gemeinsam mit den knapp 20 Teilnehmenden begeistert vom Projekt:

„Ein wirklich tolles Projekt, das die Siedlungen in den Fokus stellt! Denn nicht nur in unseren geschützten Kern- und Pflegezonen des Biosphärenreservats ist die Artenvielfalt hoch, gerade auch in der Entwicklungszone, dort wo der Mensch lebt und wirtschaftet, gibt es viel Schützenswertes!“

Neugierig geworden? Zur Aufzeichnung der Online-Veranstaltung und den Vortrag zum Download finden Sie unter: www.biosphaerenreservat-rhoen.de.

Mit der länderübergreifenden Vortragsreihe „In der Rhön, für die Rhön“ werden aktuelle Forschungs- und Projektergebnisse aus dem UNESCO-Biosphärenreservat für alle Interessierten greifbar gemacht.

Auch für 2024 ist ein spannendes Programm geplant. Informationen folgen rechtzeitig auf den üblichen Kanälen.