Beitrag von Michael Knauf
Ludwig Bechstein erblickte am 24. November 1801 als uneheliches Kind der Johanna Carolina Dorothea Bechstein und des französischen Emigranten Louis Dupontreau in Weimar das Licht der Welt.
Da seine leibliche Mutter mit dem Kind überfordert war, wuchs er neun Jahre bei verschiedenen Pflegemüttern auf, bis ihn 1810 sein Onkel, der Forstwissenschaftler Johann Matthäus Bechstein, aus Meiningen adoptierte.
Der wohlhabende Onkel konnte ihm eine schulische Ausbildung am Gymnasium in Meiningen ermöglichen. Anschließend begann er eine dreijährige Ausbildung zum Apotheker in Arnstadt, wo er anschließend bis 1824 als Gehilfe beschäftigt war.
Während dieser Zeit (1823) erschien sein erstes Buch „Thüringer Volksmärchen“. Es folgten zwei weitere Jahre als Apothekengehilfe in Meiningen.
In den Jahren von 1826 bis 1828 hatte er eine sehr kreative Salzunger Lebenszeit. Beruflich wurde er Provisor (Leiter und Verwalter einer fremden Apotheke), in der „Schwanen Apotheke“.
Privat lernte er den damals noch nicht erblindeten Heimatdichter Ludwig Wucke kennen, da sie seelenverwandt waren, verband sie eine Männerfreundschaft für ihr Leben lang.
Es folgen liebevolle Beschreibungen der alten Salzstadt und deren Umgebung, wie zum Beispiel Schilderungen über den Salzunger See, den Krayenberg, die schwimmende Insel des Hautsees oder über die Altensteiner Höhle und den beiden Friedhofskirchen Husen und St. Wendel. Hier entstand auch die Novelle „Der Sohn der Hexe“.
Neben dem Beruf des Apothekers, befasste sich Bechstein auch mit wissenschaftlichen Angelegenheiten. So entstanden 1828 einige Berichte über die Zeitrechnung in Indien, sowie über Fabelwesen im Tierreich Griechenlands, Indiens, Deutschlands und im alten Rom.
Weiterhin betrachtete er die Götter in Lappland. Auch entstanden hier die poetische Sagensammlung „Winfried Bonifatius“, die „Sonettenkränze“, sowie seine Zeichnungen der Thüringer Flora: „Die Blumen und das Leben“. Seine beruflichen Tätigkeiten als Apotheker befriedigten ihn immer weniger.
Der Herzog Bernhard II. Erich Freund von Sachsen-Meiningen, wurde auf die literarischen Leistungen und Fähigkeiten von Bechstein aufmerksam und gewährte ihm ein Stipendium und die Mittel zu einem mehrjährigen Studium der Literatur, der Kunstgeschichte und der Philosophie, ab 1829 in Leipzig und ab 1830 in München.
Der Herzog berief ihn 1831 an den Meininger Hof und ernannte Bechstein zum Kabinettsbibliothekar. 1833 wurde er Leiter der Herzoglichen Bibliothek.
In den späten 1830iger Jahren erschien ein zehnbändiges Sammelwerk „Das malerische und romantische Deutschland“. Ausgehend von dem Sammelwerk verfasste Bechstein 1838 „Wanderungen durch Thüringen“.
Auf dieser schönen Reise begleitete ihn der damals bekannte Kunstmaler Otto Wagner. Wagner hielt alle Motive mit Stift oder Pinsel fest, die es Bechstein angetan hatten.
Das letzte Kapitel des Buches handelt von Salzungen: Das gemalte Abschluss-Motiv im Buch ist der Salzunger Burg See.
1832 gründete er den hennebergisch, altertumsforschenden Verein, den er bis 1857 leitete. Aus der Feder von Bechstein erschien 1834 die Chronik der Stadt Meiningen von 1676 bis 1834.
Im Jahr 1840 wurde Bechstein zum Meininger Hofrat berufen. Im gleichen Jahr konnte er in der Halbestadtstraße (heute Neu Ulmer Straße) sein eigenes Haus (Bechstein Haus) beziehen.
Bechstein trat 1842 in die Meininger Freimaurerloge Charlotte zu den drei Nelken ein. Das Hauptanliegen der Loge ist Humanität, Wohltätigkeit und Toleranz. Die Brüder der Loge konnten eine Armen- und Musterschule, sowie ein Lehrerseminar gründen.
Außerdem war eine weitere wichtige Aufgabe der Loge, sich um Waisenkinder zu kümmern und das bestehende Schulwesen zu reformieren. Das Gemeinschaftliche Henneberger Archiv übernahm im Jahr 1848 Bechstein als Leiter und Archivar.
Privat musste Ludwig Bechstein einige Schicksalsschläge einstecken, so verstarb 1834 nach nur zweijähriger Ehe seine erste Frau, die aus dem Rhöndorf Oechsen stammende Caroline Wiskemann.
Während dieser Ehe wurde der Sohn Reinhold Bechstein geboren, der später ein bekannter Germanist und Philologe wurde. Bereits 1836 ehelichte Bechstein seine zweite Ehefrau Therese Schulz aus Untermaßfeld. Das Ehepaar bekam sieben Kinder, unter ihnen war der berühmte Illustrator und Zeichner Emil Ludwig Bechstein.
Zu den bekanntesten Werken von Ludwig Bechstein zählt zweifelsohne der „Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringer Landes“, welche in vier Bänden von 1835 bis 1838 erschienen sind.
Danach folgte das „Deutsche Märchenbuch“, die Erstausgabe wurde 1845 verlegt. Dieses Buch wird bis heute immer wieder publiziert und beinhaltet ab 1857 Zeichnungen und Holzschnitte von Ludwig Richter.
Im Jahr 1853 entstand sein Hauptwerk das „Deutsche Sagenbuch“, mit über 1000 Sagen auf 800 Seiten. Außerdem konnte er dreizehn Erzählungen, ca. fünf Gedichtbände, sieben Chronik-und Reiseliteratur Bände, um die 120 Märchen, fünf Novellen, eine Hymne und zehn Romane veröffentlichen.
Im Jahr 1926 erschien von Günther von Goeckingk die viel beachtete Abhandlung zu den freimaurerischen Schriften von Ludwig Bechstein.
Angeregt durch seine Salzunger Zeit, in der er oft den Luther Stammort Möhra besuchte, verfasste er während seiner Münchner Studienjahre den Epos „Luther“.
Jahre später, erst 1846, entstanden in Meiningen verschiedene Ideen, Dr. Martin Luther in seinem Geburtsort Möhra ein Denkmal zu setzen.
Ludwig Bechstein wurde zum Vorsitzenden des Denkmalvereines gewählt, dieses Amt übte er mit großem Arrangement und Freude aus. Er konnte die Einweihung des Denkmals nicht erwarten.
Leider war ihm dieser Wunsch nicht vergönnt. Bechstein verstarb am 14. Mai 1860 in Meiningen. Die Enthüllung des Lutherdenkmals fand erst am 25. Juni 1861 in Möhra statt.
Auch dem berühmten Literaten Ludwig Bechstein wurde Jahre später, in Form eines Märchenbrunnen (von Prof. Dietz entworfen), im Goethepark von Meiningen, ein bleibendes Denkmal errichtet.
An seinem ehemaligen Wohnhaus in der Meininger Halbestadtstraße (heute Neu Ulmer Straße) wurde eine Gedenktafel angebracht. Auf dem Meininger Parkfriedhof befindet sich Ludwigs Bechsteins Familiengrab, in welchem auch seine Ehefrau Therese ihre letzte Ruhe fand.
Weiterhin trägt eine Meininger Grundschule den Namen „Ludwig Bechstein“ und eine Straße wurde nach ihm benannt. Besonders sehenswert ist der Ausstellungsraum im Literaturmuseum Baumbachhaus, welcher in würdiger Form an den großen Ludwig Bechstein erinnert.
Der Wanderverein „Bakuninhütte“ widmete dem Literaten Bechstein einen 4,8 km langen Rundwanderweg zwischen Meiningen und Dreißigacker.
Wer mehr über das Leben und das Wirken von Ludwig Bechstein erfahren möchte, dem empfehlen wir einen Besuch im Meininger Literaturmuseum Baumbachhaus, in der Burggasse 22.
Das Museum ist von April bis September, dienstags bis freitags von 10 bis 13 Uhr und 14 bis 18 Uhr geöffnet. Von Oktober bis März kann das Museum dienstags bis freitags von 11 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr besucht werden. Gruppenführungen sind auch außerhalb der Öffnungszeiten, nach vorheriger Anmeldung (Tel.: 03693/502848), möglich.
An Literatur ist das Reprint aus dem Jahr 2002 „Deutsche Volksmärchen“ von Ludwig Bechstein aus dem Rockstuhl-Verlag in Bad Langensalza mit der ISBN Nr.: 3-936030-71-5 und „Ludwig Bechstein. Ein Lesebuch“, 2. Auflage Meiningen 2011, erhältlich im Buchhandel oder in den Meininger Museen, ISBN Nr.: 978-3-910114-17-3, zu empfehlen.
Ein besonderer Dank geht an das Meininger Literaturmuseum Baumbachhaus, an die Herrn Dr. Andreas Seifert, Axel Wirth und Manfred Koch, für das Bereitstellen der Fotos und für die uneigennützige Unterstützung zur Erstellung des vorliegenden Beitrages.
Quellen: Dr. A. Seifert Meininger Literaturmuseum Baumbachhaus, Wikipedia, Tageszeitungen STZ und Freies Wort.