Gastbeitrag von Anja Nimmich
Die Stadt Geisa hatte diese Woche in den Gangolfisaal des Schlosses Geisa zum Jahresempfang eingeladen. Unter dem Motto „Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun“ begrüßte Bürgermeisterin Manuela Henkel (CDU) dazu Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Kirchen, Vereinen und weiteren Institutionen.
Besonders willkommen hieß sie den Festredner des Abends, Altbundespräsident Christian Wulff, und Landrat Reinhard Krebs. In ihrer Ansprache hielt die Bürgermeisterin Rückschau auf das vergangene Jahr sowie Ausblick auf die kommenden Monate.
„Die Stadt Geisa und das gesamte Geisaer Land haben sich von einer einst aufgrund der Lage im Sperrgebiet benachteiligten Grenzregion in eine erfolgreiche Region mit Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum entwickelt“, betonte Henkel.
„Innovative Unternehmen, zahlreiche Vereine, bürgerschaftliches Engagement, ein gutes Miteinander und Zusammenhalt – das sind wir im Geisaer Land!“
Am 9. November dieses Jahres stehe das 35-jährige Jubiläum der Grenzöffnung an. Damals sei viel Euphorie und Aufbruchstimmung zu spüren gewesen, doch schnell sei man im Alltag und im Selbstverständlichen angekommen.
Laut der Bürgermeisterin sei heute allerdings nichts mehr selbstverständlich und deutlich spürbar, dass das Zeitalter der Technik, der Wissenschaft und der reinen Orientierung auf Ökonomie an seine Grenzen gekommen sei.
„Höher, weiter, schneller, immer mehr und das auf Kosten von anderen Menschen, anderen Ländern, von Umwelt und Natur funktioniert nicht mehr“, ist sich Manuela Henkel sicher.
„Wir sind in einer System- und Sinnkrise angekommen. Unzufriedenheit und Spaltung machen sich im ganzen Land breit. Die Probleme sind bekannt, die großen Lösungen seien allerdings nicht in Sicht“, erklärte sie.
Die Bürgermeisterin warb dafür, die Krise als Chance zu nutzen und auch mal den Blick auf das Positive, auf das bisher Erreichte zu richten. Sie rief dazu auf, den „Immerschlimmerismus“ mal auf der Seite zu lassen.
„Ein echter Wandel entsteht, wenn wir unsere innere Angst und damit die Vergangenheit überwinden und aus dem krisenhaften Denken endlich mal rauskommen“, appellierte Henkel.
„Wir benötigen eine positive Entscheidung zur und für die Zukunft. Zukunft ist Kopfsache und hängt davon ab, was wir heute tun“, so die Bürgermeisterin. „Zukunft braucht mutige Bürger, Macher, Unternehmer, Ehrenamt, letztlich braucht sie Helden - der Saal sitzt voll davon!“
Reinhard Krebs (CDU), Landrat des Wartburgkreis, lobte die gute Entwicklung im Geisaer Land: „Ich erkenne hier einen Zusammenhalt aller gesellschaftlichen Kräfte. Wir haben hier einen guten Geist, der dafür sorgt, dass die Entwicklung immer weiter nach vorne führt.“
Wer als Fremder zum ersten Mal in die Region komme, gehe davon aus, dass es viele Jahrzehnte gedauert haben muss, um den aktuellen Entwicklungsstand zu erreichen, doch es seien nur drei Jahrzehnte gewesen.
„Das ist nicht selbstverständlich. Es sollte jeder darüber nachdenken, was sich hier entwickelt hat und wem das zu verdanken ist“, so Krebs.
Wer dies tue komme zu dem Ergebnis: „Es geht nur gemeinsam und es gibt keine Alternative zur Demokratie“, erklärte der Landrat weiter.
Altbundespräsident Christian Wulff (CDU), der zum ersten Mal zu Besuch in Geisa war, sprach von einem „WOW-Effekt“. „Das ist schon beachtlich und beeindruckend, was hier auf die Beine gestellt wird“, betonte er.
In seiner Festrede widmete er sich dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. „Je mehr wir haben, desto mehr haben wir zu wenig“, beschrieb er die Stimmung der Gesellschaft.
„Man schaut nicht auf die Vergangenheit, sondern darauf, was der Nachbar hat“, so Wulff. „Unsere Aufgabe ist es, an die junge Generation zu denken, für die wir eine gemeinsame Verantwortung haben, dass diese in Wohlstand, Freiheit und Frieden lebt“, erklärte Christian Wulff.
„Die Zukunft ist offen, es kann auch schlimm kommen – das kann ich Ihnen nicht ersparen, die Zeit ändert sich schnell“, so Wulff.
Zuvor hatte der Altbundespräsident gemeinsam mit Vertretern der Point Alpha Stiftung und Zeitzeuge Berthold Dücker die Mahn- und Gedenkstätte Point Alpha bei Geisa besucht.
„Erinnerungsorte wie Point Alpha sind wichtig, weil die Menschen irgendwann vergessen und meinen, übers Wasser gehen zu können“, so Wulff. Der Politiker betonte die Notwendigkeit offener Grenzen, einer gemeinsamen Währung und der Europäischen Union.
„Ich finde wir haben so viel in Deutschland erreicht. Frieden seit 80 Jahren, das gab es in Deutschland nie zuvor. Wir haben einen Rechtsstaat, eine liberale, weltoffene Demokratie. Aber nichts ist von Dauer. Das kann in drei Jahren anders sein“, beschrieb Wulff.
Die Bevölkerung müsse begreifen, dass sie selbst für ihr Land und ihre Demokratie verantwortlich sei. „Demokratie klingelt nicht, sie ist dann auf einmal weg. Sie wieder zurückzubekommen ist schwierig“, so der Altbundespräsident.
Im Anschluss an seine Festrede wurde zum dritten Mal der mit 1.000 Euro dotierte Athanasius-Kircher-Preis der Stadt Geisa für besonderes soziales und gesellschaftliches Engagement verliehen.
Gestiftet wird die Auszeichnung von Ernst-Josef Strätling, der 1940 in Geisa geboren wurde und seit 1993 Geschäftsführer des letzten familiengeführten Pharmaunternehmens Hofmann & Sommer im thüringischen Königsee ist.
Der ehemalige Erste Beigeordnete der Stadt Geisa und jetzige Hauptamtsleiter Steffen Bott hielt sodann die Laudatio für den diesjährigen Preisträger Wilhelm Ritz.
Der Preisträger, welcher sich seit mehr als 60 Jahren für Geisa engagiert, war unter anderem von 1990 bis 1999 Stadtratsmitglied und Erster Beigeordneter in der Zeit von 1994 bis 1999.
Mit viel Leidenschaft widmete er sich der Heimatforschung, war Leiter der Gruppe, die später das Heimatmuseum einrichtete und das erweiterte Grenzmuseum betrieb.
Ebenso war er viele Jahre lang Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins Geisaer Amt e. V., arbeitete das Stadtarchiv auf und engagierte sich als Vorsitzender des Geisaer Rhönklub-Zweigvereins. Weiterhin gründete er den Gesangverein, den er viele Jahre leitete.
15 Bücher schrieb Wilhelm Ritz oder wirkte an diesen mit. Darunter ein Buch über Athanasius Kircher, den großen Sohn der Stadt Geisa, der als einer der letzten Universalgelehrten seiner Zeit in die Geschichte einging.
Ein 16. Buch über den Indianerpater Eugen Büchel ist derzeit in Arbeit. Bei der Preisverleihung durch Bürgermeisterin Manuela Henkel bedankte sich Wilhelm Ritz bei all seinen Begleitern und Unterstützern.
Die musikalische Umrahmung des Abends übernahmen Matteo Fischer (Trompete), Leo Weber (Tenorhorn) und Lorena Diel (Saxophon), jeweils begleitet am Klavier durch Katharina Gärtner, von der Musikschule Wartburgkreis.
Im Anschluss an den Jahresempfang wurde zum Imbiss und Austausch eingeladen. Hierzu hatten die Spahler Backhausfrauen aus dem Bachkaus leckere Rhöner Pizza und Zwiebelsploatz zubereitet, die sich die Gäste des Jahresempfangs schmecken ließen.