Beitrag von Michael Knauf
Das 560 Einwohner zählende, traumhaft gelegene Fachwerkdorf Möhra, wird direkt von der Landstraße 1023 durchquert und befindet sich nördlich der Kreisstadt Bad Salzungen und in Westthüringen am Thüringer Wald.
Die urkundliche Ersterwähnung von Möhra erfolgte bereits im Jahr 1257. Schon 1680 wurde die Gemeinde zum Herzogtum Sachsen-Meiningen und zum Amt Salzungen eingegliedert.
Um 1830 wurden die Möhra umgebenden Moore trockengelegt und in fruchtbares Ackerland umgewandelt. Durch den Zusammenschluss von Möhra mit einigen Nachbardörfern entstand im Jahr 1994 die Gemeinde Moorgrund.
Die Gemeinde Moorgrund, inklusive des Ortsteils Möhra, wurden am 1. Dezember 2020 durch die Kreisstadt Bad Salzungen eingemeindet.
Weitere Sehenswürdigkeiten in Möhra sind, neben dem Lutherdenkmal, das Lutherstammhaus, die Lutherkirche, das Lutherzimmer, der Geflügelpark mit ehemaligen Thüringer Geflügel-und Kaninchenrassen, sowie ein Kräutergarten für die Tiermedizin.
Das Wohnprojekt Dharmazentrum „Djagpo Möhra“ wurde 2005 gegründet und ist Zentrum für die Lehre des tibetischen Buddhismus.
Das Naturdenkmal der Lietebaum, eine 200 bis 250 Jahre alte Winterlinde, und die dreihundert Jahre alte Frühstückseiche in der Möhraer Flur sind ebenfalls sehenswert.
Die Gemeinde Möhra gilt außerdem als Thüringer Lutherstammsitz. Die Familiensippe war ab dem 14. Jahrhundert in Möhra ansässig. Seine Eltern zogen aber vor Luthers Geburt ins Mansfelder Land.
Martin Luther wurde am 10. November 1483 in Eisleben geboren. Er verstarb am 18. Februar 1546 in Mansfeld. Im Jahr 1521 besuchte Martin Luther Möhra, auf der Heimreise vom Reichstag in Worms und hielt hier am 3. Mai auf dem heutigen Lutherplatz eine Predigt ab.
Im Jahr 1845 waren die Vorbereitungen der Feierlichkeiten zum 300. Todestag von Martin Luther, am 18. Februar 1846 in vielen Landesteilen Deutschlands, in vollem Gang.
Auch im damaligen Meininger Land wurden Überlegungen laut, dem Reformator in seinem Stammort Möhra ein würdiges Denkmal zu setzen.
Das Meininger Volksblatt veröffentlichte in seiner Ausgabe vom 10. November 1845 einen diesbezüglichen Spendenaufruf. Dieser wurde von weiteren Presseerzeugnissen Landesweit in einer Kampagne aufgegriffen.
Nach der Gründung eines Denkmalskomitees in Meiningen wurde der berühmter Märchenerzähler, Sagensammler und Dichter Hofrat Ludwig Bechstein in einem Abstimmungsverfahren zu dessen Leiter ernannt.
Herr Bechstein hatte eine sehr gute Ortskenntnis, denn er war von 1826 bis 1828 als Provisor in der Salzunger Schwanen-Apotheke tätig.
Da er ein Naturliebhaber war, durchstreifte er Salzungen und seine Umgebung und war mit seinem Freund, dem Heimatdichter L. Wucke, einige Male in der Ortschaft Möhra.
Er widmete Möhra und der Lutherbuche am Altenstein einige ergreifende Gedichte und Verse. Damals reifte schon die Idee, hier den Reformator Martin Luther ein bleibendes Denkmal zu setzen.
Fast das ganze protestantische Deutschland beteiligte sich wohlwollend an dem Meininger Spendenaufruf. Es kamen auch viele Spenden aus dem europäischen Ausland.
Die erste Spende soll Friedrich Schillers Schwester Christophine, verwitwete Reinwald, aus Meiningen getätigt haben. Ein weiterer bekannter Wohltäter, mit einer Spende von beachtlichen 1000,00 Gulden, war der Herzog des Meininger Hofstaat, Bernhard Erich Freund.
Auch Adelheit, die Schwester des Meininger Herzogs, konnte dem Denkmalskomitee 2000,00 Goldmark (100,00 Pfund Sterling) überweisen. Sie war die Gemahlin des Königs von Großbritannien.
Der Herausgeber des Meyers-Lexikon, Josef Meyer aus Hildburghausen, hatte auf eigene Kosten und auf eigener Presse 300.000 Lutherbilder drucken lassen.
Von je 10.000 verkauften Exemplaren steuerte er 1.000 Taler für die Lutherehrung in Möhra bei und ermöglichte so, dass man im Luther Stammhaus ein Museum einrichten konnte.
Innerhalb kürzester Zeit war für damalige Verhältnisse eine beachtliche Summe auf dem Denkmalskonto eingegangen. Zunächst kamen aber von mehreren bekannten Thüringer Persönlichkeiten andere Vorschläge, wie von dem Schöpfer der Kindergärten Friedrich Fröbel.
Dieser plädierte nicht für den Bau eines Denkmals, vielmehr wollte er einen Musterkindergarten am Denkmalplatz in Möhra errichten, weil Martin Luther ein großer Kinderfreund gewesen sein soll. Wieder andere wollten die gesammelten Gelder für Wohltätige Zwecke verwenden.
Das Komitee beauftragte den berühmten, aus Meiningen stammenden, Hofbildhauer Ferdinand Müller mit der künstlerischen Gestaltung des Luther Denkmals.
Friedrich Wilhelm, der König von Preußen mischte sich mit einem Vorschlag ein, er wollte sehr gerne in Möhra eine Kopie des Lutherdenkmal von Wittenberg, des Künstler Wilhelm von Schadow sehen.
Das Denkmalkomitee zeigte Größe und lehnte das Ansinnen des Preußenkönigs ab, vielmehr sollte in Möhra eine Originalschöpfung von Ferdinand Müller entstehen.
Müller legt auch prompt einige mit viel Beifall belohnte Skizzen vor. Auch der Meininger Herzog war begeistert, er beauftragte Müller umgehend, mit dem in Kopenhagen lebenden Bildhauer Bertel Thorwaldsen eine weitere Zusammenarbeit zu vereinbaren.
Nach seiner Dänemarkreise begab sich Müller nach Wittenberg und studierte eingehend das dortige Lutherdenkmal. Endlich nach der Anfertigung einiger Modelle durch Müller im September 1847, wurde der Erzgießer Jakob Daniel Burgschmiet aus Nürnberg mit dem Guss des Denkmal beauftragt.
Erst 1853 war die überlebensgroße Lutherfigur gegossen und es begannen die Arbeiten an dem künstlerisch sehr wertvollen Reliefsockel.
Während der Arbeiten am Denkmalsockel verstirbt 1858 der Künstler Burgschmiet, Schüler von ihm stellten den Sockel schließlich fertig. Die Vorderseite des Sockels ziert die Inschrift: „Unserem Luther in seinem Stammort 1846.“
Die drei Reliefs an den Seitenflächen geben wichtige Stationen im Leben von Luther wieder. So der Thesenanschlag in Wittenberg, oder die Gefangennahme hinter dem Altenstein 1521 und Junker Jörg während der Bibelübersetzung auf der Wartburg.
Die vier Kanten des Denkmals zieren die Evangelisten, man erkennt diese an ihren Emblemen. Vorne rechts steht Johannes (Adler), vorne links Matthäus (Engel), hinten links Lukas (Löwe) und hinten rechts Markus (Stierkopf).
Die Lutherfigur auf dem Denkmal hält eine aufgeschlagene Bibel in der linken Hand, auf der einen Seite befindet sich ein Auszug aus dem Johannesevangelium (Joh, 8, 31-32): „So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“
Die andere Bibelbuchseite gibt eine Widmung von Ludwig Bechstein wieder:
„Ein Denkmal, Luther, hast Du Dir gestiftet und in Marmortafeln der Geschichte die Heil`ge Kunde klar und tief gegraben. Dass Wahrheit ewig ist und dass zunichte der Herr den Trug macht, der die Welt vergiftet.“
Das Meininger Denkmalkomitee erhält die traurige Nachricht, dass ihr amtierender und leitender Vorsitzender Ludwig Bechstein am 14. Mai 1860 in Meiningen verstorben ist. Er konnte die Einweihung des Denkmals, welches ihm sehr am Herzen lag, in Möhra nicht mehr miterleben.
Das Denkmal wird per Eisenbahn am 19. Juni 1861 von Nürnberg über Lichtenfels, auf der damals schon existierenden Werrabahn bis nach Immelborn befördert.
Hier wurde das Standbild von einer großen Menschenansammlung begrüßt, begutachtet und bewundert. Möhraer Landwirte transportierten das Denkmal mit großer Sorgfalt, mittels Pferdegespanne, zu seinem zukünftigen Standplatz.
Am 25. Juni 1861, ein Dienstag, bei strahlendem Sonnenschein und nach einem ergreifenden Gottesdienst, erfolgte unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und der lokalen Meininger Obrigkeit, die feierliche Denkmalsenthüllung.
Während des Festakts erklang tausendstimmig das bekannte Lutherlied „Eine Feste Burg ist unser Gott“. Anschließend fand ein großes und unvergessliches Weihefest, mit Chorgemeinschaften, Feuerwehr- und Militärkapellen statt.
Ehrengäste der Feierlichkeiten waren der Meininger Oberhofprediger Ackermann, der Erbprinz Georg II. von Meiningen, der spätere Theaterherzog, und Sohn von Bernhard dem II. , dessen Gemahlin Prinzessin Feodora, Prinz Bernhard III. und Prinzessin Marie, Oberhauptmann Freiherr von Todenwarth, Baurat Döbner, die Nürnberger Erzgießer Lenz und Herold, sowie der Hof-und Holzbildhauer Ferdinand Müller.
Im Jahr 1942 ordnete die Thüringer NS-Gauleitung in Weimar die Einschmelzung des Luther-Denkmals, zwecks Gewinnung von Buntmetallen, für die Kriegswirtschaft des II. Weltkriegs an.
Der damals in Möhra lebende Heinrich Hofmann konnte das Luther Denkmal zweimal, unter Einsatz seines Lebens, mit viel Arrangement und List vor dem Einschmelzen retten.
Eine Generalsanierung des Denkmals, durch die Herstellerfirma Burgschmiet aus Nürnberg, erfolgte im Jahr 1991.
Möhra, das idyllische Fachwerkdorf im grünen Herzen von Thüringen, erlangte überregionalen Bekanntheitsgrad. Dazu trugen nicht zuletzt die herzlichen und aufgeschlossenen Einwohner bei. So wurde im Jahr 2004 hier der ARD-Fernsehfilm: „Sehnsucht nach Liebe“ gedreht.
Außerdem entstanden in der Lutherkirche von Möhra die Hochzeitsszenen, zur 3. ARD Staffel aus der TV-Serie „Familie Dr. Kleist“. Der MDR wählte im Jahr 2016 für die Sendung „Unser Dorf hat Wochenende“ ebenso Möhra aus.
Wer mehr über die Geschichte des Lutherstammortes Möhra und das Leben des großen Reformators erfahren möchte, dem empfehlen wir eine ca. 60 minütige Orts-und Lutherführung (Kontakt: Christine Ihling, 36433 Moorgrund OT Möhra, Lutherplatz 1 a, Tel.: 03695/84535).
Die Lutherkirche in Möhra ist täglich von 8 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit geöffnet (Kontakt: Tel.: 03695/84273).
Dieser Beitrag wurde zum Teil nach Überlieferungen und Aufzeichnungen der Heimatforscher, Schriftsteller und ehemaligen Chronisten der Stadt Vacha Dr. dent. Hans Goller (†) sowie dem ehemaligen Ortschronisten der Stadt Bad Salzungen, dem Pädagogen Paul Luther (†) erstellt.
Für die Unterstützung bei der Erstellung des vorliegenden Artikels möchte ich mich herzlich bei Frau Christine Ihling und Herrn Hans Georg Ihling aus Möhra bedanken.
Quellen:
Internet: Wikipedia
Tageszeitungen: STZ, Freies Wort, Thüringer Tageblatt, Meininger Volkszeitung
Erläuterung:
Gemeinde Moorgrund: Ortsteile Witzelroda, Gumpelstadt, Waldfisch, Etterwinden, Kupfersuhl, Möhra und Gräfen-Nitzendorf