Gastbeitrag von Wolfgang Weber
Dr. Dalia Grybauskaité hat Trennendes überwunden und Grenzen geöffnet, mit Zielstrebigkeit einen Platz in der europäischen Familie für ihr Land erkämpft, mit Begeisterung für die europäische Idee Brücken gebaut und sich einen Namen als schärfste Kreml-Kritikerin in der EU erworben: Die Staatspräsidentin a.D. der Republik Litauen ist im US Camp der Gedenkstätte mit dem Point Alpha-Preis 2024 ausgezeichnet worden.
Am einst heißen Punkt im Kalten Krieg nahm die 68-Jährige als erste Frau die Ehrung für ihre Verdienste um die Deutsche Einheit und die europäische Einigung in Frieden und Freiheit entgegen.
Die Auszeichnung wurde zum 15. Mal seit 2005 vom Kuratorium Deutsche Einheit e. V. in Verbindung mit der Point Alpha Stiftung vergeben. Zahlreiche Ehrengäste und Bürger wohnten der Veranstaltung auf Point Alpha zwischen Rasdorf (Hessen) und Geisa (Thüringen) bei.
Der Präsident des Kuratoriums, Christian Hirte MdB und der Vorsitzende des Stiftungsrates, Dr. Stefan Heck, MdB, übergaben ihr in festlichem Rahmen Stele und Urkunde: „Dr. Grybauskaité hat die europäische Idee verinnerlicht und das Zusammenwachsen der Länder mit Leidenschaft, Verantwortungsbewusstsein und Weitsicht gefördert. Sie hat den Preis absolut verdient.“
Grybauskaité ist eine Frau der klaren Worte, die kein Blatt vor den Mund nimmt und auch unbequeme Wahrheiten ausspricht. So hat sie Laudator Michael Roth kennengelernt in seiner Zeit, in der er als Staatsminister für Europa die Bundesregierung von Angela Merkel im Europarat repräsentierte.
Roth, der aus Heringen im Landkreis Hersfeld-Rotenburg stammt und aktuell dem Auswärtigen Ausschuss in Berlin vorsteht, zeichnet den Werdegang und das Wirken, die Fachkompetenz und das Verhandlungsgeschick der Ausnahmepolitikerin und deren Traum und die Verwirklichung von der Integration Litauens in das europäische Friedensprojekt nach.
Der 53-Jährige Laudator skizzierte die leidvolle Geschichte von Litauen, in der Unabhängigkeit und Freiheit bis 2004 die Ausnahme waren.
Litauer, Esten und Letten haben nach langer Fremdbestimmung wieder ihren Platz in einem freien Europa unabhängiger Demokratien gefunden und wurden NATO- und EU-Mitglied.
Grybauskaité habe bei diesem Prozess eine entscheide Rolle eingenommen. Und als Litauen in dramatische Wirtschaftsturbulenzen geriet, sei Grybauskaité sofort in ihrer Heimat zur Stelle gewesen.
Wie die anderen baltischen Staaten war Litauen mit sehr kritischem Blick auf Russland seiner Zeit weit voraus. Grybauskaité habe die Gefahren durch den gewaltbereiten Imperialismus kommen gesehen, als in Deutschland viele noch auf Ausgleich, Dialog und Verständigung setzten.
Bereits 2014 habe sie mit der Annektion der Krim eindringlich gewarnt. Über wiederholten Warnungen aus Vilnius, Riga und Tallinn und die Sicherheitsinteressen der baltischen Partner sei man arrogant hinweg gegangen, habe geschwiegen oder weggehört.
„Es gibt da keinen Anlass zu Harmonie, wir müssen selbstkritisch reflektieren.“ An ausgewählten Ereignissen, machte Roth deutlich, jedes Land habe für Geschichte und ihre Folgen eine eigene Sensibilität, bewerte aus einer eigenen Perspektive. „Wir haben noch keine europäische Erinnerungskultur. Und für die Wahrheit braucht es auch immer den Blick des anderen.“
„Frieden ist mehr als ein Schweigen der Waffen“, sagte Roth, und die Preisträgerin trete ein für einen Frieden der Gerechtigkeit, für einen Frieden der Würde und einen Frieden der Wahrhaftigkeit. „Applaudieren wir der Freiheit, applaudieren wir Frau Grybauskaité.“
„Ein besonderer Ort, ein besonderes Datum und ein besonderer Punkt in unserer Geschichte“, antwortete Dr. Dalia Grybauskaité in ihrer Dankesrede und nahm so Bezug auf Point Alpha und den Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR am 17. Juni 1953.
„Der Beitrag der Point Alpha Stiftung zur Bewahrung des historischen Gedächtnisses ist sehr wichtig. Nur auf dieser Grundlage können wir fatale Fehler in Zukunft vermeiden.“
Direkt spielte sie damit auf die Schrecken der russischen Aggression an. Zu lange habe Europa gedacht, dass der Kalte Krieg in Museen und Geschichtsbüchern bleiben würde. Zu lange habe Europa das Ausmaß der Gefahr nicht erkannt, und Einige hätten sich von der russischen Manipulation täuschen lassen.
„Das Fulda Gap erinnert an andere strategische Korridore zwischen Krieg und Frieden, zwischen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsverletzungen, zwischen Selbstbestimmung und Autokratie. Heute aber werde die Zukunft des NATO-Bündnisses in einem anderen Korridor gestaltet – in der Suwałki-Lücke, dem Gebiet, in dem Litauen, Polen und die russische Enklave Kaliningrad aneinandergrenzen“, machte die Preisträgerin dem Publikum im US Camp deutlich.
Für Grybauskaité liegt das Ziel auf der Hand: Frieden bestehe nicht darin, Gebiete aufzugeben, sondern den Aggressor auf das eigene Territorium zurückdrängen.
Trotz Cyber-Kriminalität oder atomarer Sprengköpfe nur 40 Kilometer von der Landesgrenze entfernt., Litauen habe keine Angst, sei bereit zu kämpfen und als „Botschaft des Tages“ forderte sie die Entschlossenheit und dieses Selbstbewusstsein von Europa und besonders Deutschland.
„Es ist an uns, die Geschichte der europäischen Union weiterzuschreiben, in schwierigen Zeiten für unsere Werte einzustehen“, betonte Christian Hirte, MdB. Die nächsten Jahre würden politisch Verantwortlichen viel abverlangen.
Völkischem Wahn, menschenfeindlichen Tendenzen, autokratischen Fantasien sei entschieden entgegenzutreten. Es brauche Staatsleute, die mit persönlicher Haltung und Einsatz unsere Errungenschaften von Freiheit, Frieden und Demokratie bewahren.
„Das Beispiel von Dr. Grybauskaité ist dafür ermutigend und verpflichtend“, hob der der Präsident des Kuratoriums Deutsche Einheit e.V., hervor. Litauen ist in ganz besonderer Verantwortung“, erläuterte Hirte, „gewissermaßen wie einst der „Observation Post Alpha“ ein Frontposten zwischen West und Ost, zwischen Freiheit und Unfreiheit.“
Auf Point Alpha werden nach Ansicht des Kuratoriums-Präsidenten die Absurditäten des 20. Jahrhunderts erlebbar gemacht. Hier werde deutlich, welche Lehren wir für die Gegenwart und die Zukunft Deutschlands und Europas ziehen müssen.
Vor 35 öffnet sich die tödliche Grenze zwischen Ost und West, Point Alpha ist wohl der symbolträchtigste Ort dafür.
Vor 35 Jahren bildeten mehr als zwei Millionen Menschen ausgehend von der litauischen Hauptstadt Vilnius eine 650 Kilometer lange Kette durch das Baltikum und machten ihre Sehnsucht nach Unabhängigkeit in der Welt bekannt. Die Liste der bedeutenden Ereignisse, die in diesem Jahr Jubiläum feiern, ist lang.
„Verknüpft sind sie alle mit dem unsichtbaren Band der Freiheit, des Friedens und der Rechtstaatlichkeit“, sagte Dr. Stefan Heck MdB, „und sie sind verbunden mit mutigen Menschen und Vorbildern, die sich für diese Werte engagieren, wie Dr. Grybauskaitė, die beharrlich für den Freiheitsraum Europa eintritt. Die Botschaft, die von Point Alpha ausgeht, ist in Litauen aktueller denn je.“
Der Regierungspräsident des RP Kassel, Mark Weinmeister, bemerkte in seinem Grußwort für das Land Hessen, dass die osteuropäischen Länder dieselbe Unterstützung bräuchten, die damals die deutsche Gesellschaft nach dem Krieg auf ihrem Weg in die Demokratie erlebt habe.
Dr. Thomas Maier, Ministerialdirigent in der Staatskanzlei, übermittelte die Grüße des Freistaates Thüringen und forderte ebenfalls eine „Solidarität der Tat“. Beide betonten die partnerschaftlichen Verbindungen ihrer Bundesländer nach Litauen.
Für die musikalische Umrahmung der Veranstaltung sorgte das Bundespolizeiorchester Hannover unter der Leitung von Jörg Wassenberg.
Die Musiker brachten unter anderem „Skyfall“ von Adele und ein Medley “Game of thrones“ von Carrara zu Gehör und intonierten zum Abschluss die Europahymne.
Benedikt Stock, Geschäftsführender Vorstand der Point Alpha Stiftung, bedankte sich für die freundliche Unterstützung bei den Mitgliedern der Freiwilligen Feierwehr aus Rasdorf unter Leitung von Maik Lewalter, der Freiwilligen Feierwehr von Geisa unter Leitung von Patrick Reckenbeil, dem Deutschen Roten Kreuz von der Ortsgruppe Rasdorf und der Polizeistation aus Hünfeld.