Gastbeitrag von Johannes Heller
Der Autor Konstantin Ferstl ist am Mittwochabend für sein Romandebüt „Die blaue Grenze“ von Fuldas Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld mit dem Literaturpreis Fulda 2024 ausgezeichnet worden. Dotiert ist der Literaturpreis Fulda mit einem Preisgeld von 10.000 Euro.
Literaturkritiker und Jury-Mitglied Christoph Schröder hielt eine anregende Laudatio. Anschließend zog Preisträger Konstantin Ferstl mit einer atmosphärischen Lesung das Publikum in seinen Bann.
Im Fürstensaal des Fuldaer Stadtschlosses unterstrich Dr. Wingenfeld die vielfältige literarische Tradition, die das 744 errichtete Kloster Fulda unter Abt Rabanus Maurus begründet hat.
„Der 2019 erstmals vergebene Preis erinnert an dieses kulturelle Erbe“, sagte das Stadtoberhaupt. „Zugleich weist die Auszeichnung für ein literarisches Debüt in die Zukunft, indem sie Talente fördert, und hebt einmal mehr Fuldas Bedeutung als Stadt der Literatur hervor“, sagte der Fuldaer Oberbürgermeister.
„Als Stadt Fulda sind wir froh und dankbar, dass wir mit der Jubiläumsstiftung der Sparkasse Fulda, die auch die städtische Reihe „Literatur im Stadtschloss“ finanziell unterstützt, von Beginn an einen zuverlässigen Förderer und treuen Wegbegleiter des Literaturpreises Fulda an unserer Seite wissen“, betonte Dr. Wingenfeld mit Blick auf Uwe Marohn, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Fulda.
Zudem dankte das Stadtoberhaupt Silke Hartmann von der Agentur Kulturperle, die den Literaturpreis Fulda im Auftrag der Stadt Fulda und in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt organisiert, sowie den Mitgliedern der Jury.
Diese bestand in diesem Jahr aus dem Literaturkritiker Christoph Schröder, der Schriftstellerin Zsuzsa Bánk, Schriftsteller Christoph Peters, Autorin Silke Stamm und Literaturkritikerin Julia Schröder.
Im Mittelpunkt von „Die blaue Grenze“ steht Fidelis Lorentz. Er ist Komponist und verdient sein Brot mit Titelmelodien für Fernsehfilme. Als er einen Anruf von seiner großen Liebe J. erhält, ahnt er, dass sie sich trennen will.
Kurzerhand steigt er in den Zug mit dem Ziel Pyeongyang. Denn – so ist er sich sicher – wenn man gegen die Zeit anrennen will, dann nur gen Osten. Während die verschneiten Weiten Sibiriens an ihm vorbeiziehen, reist er gedanklich in die Vergangenheit: Zu seinem Urgroßvater, in dessen Fernweh Fidelis sich wiederfindet – ein Träumer aus dem Bayerischen Wald, der als Matrose zur See fuhr und später im Dorfteich ertrank.
Zu seiner Großmutter, selbst beim Beten pragmatisch, die nichts von Heiligen hielt und sich immer direkt an die höchste Instanz wandte. Zu ihrem Mann, Berufssoldat in der Wehrmacht, der den Anblick von Waffen nicht ertrug.
Sie alle waren tief von der Härte des 20. Jahrhunderts geprägt, und doch rebellierten sie auf ihre ganz eigene Weise gegen die provinzielle Enge und die Erwartungen an sie, behaupteten ihr eigenes Leben.
Nach und nach enthüllt sich auch die Gegenwart – und Fidelis’ verlorene Liebe zur mysteriösen J. Angekommen in Nordkorea, einem Land, das wie eine Filmkulisse erscheint und in einer verherrlichten Vergangenheit feststeckt, muss sich Fidelis Lorentz endlich der Gegenwart und der Zukunft stellen.
Anregende Laudatio
Jury-Mitglied Christoph Schröder warf in seiner Laudatio auch einen Blick auf das Gesamtwerk von Konstantin Ferstl, der nicht nur Schriftsteller ist, sondern auch Musiker und Filmemacher.
„Die blaue Grenze“ sei ein grandioser Reise- und Abenteuerroman und zugleich ein politisches Buch auf unterschiedlichen Ebenen. Beeindruckt von der Sprachkraft des Preisträgers konstatierte Schröder: „Es ist ein Leseabenteuer, aus dem man ungern wieder auftaucht“.
Nach der Laudatio präsentierte Konstantin Ferstl mehrere Passagen aus seinem Buch „Die blaue Grenze“ (Rowohlt Berlin), die er mit gekonnten Überleitungen in den Zusammenhang einordnete und zur Geltung brachte.
Dabei verstand er es, das Publikum mit seinem atmosphärischen Vortrag zu fesseln und stellte auch beim gesprochenen Wort seine Lust am bildhaften Erzählen unter Beweis. Unter den zahlreichen Ehrengästen der Verleihung war auch Sophie Nieder, die Lektorin des Preisträgers.
Die Verleihungsveranstaltung wurde musikalisch umrahmt von George Wagner (Gitarre) und Klaus Schenk (Vibraphon). Die beiden Musiker der Musikschule der Stadt Fulda brachten Kompositionen von George Wagner zu Gehör.
Der Hessische Rundfunk hat die Verleihung des Literaturpreises Fulda 2024 aufgezeichnet und strahlt einen gekürzten Mitschnitt der Veranstaltung am Sonntag, 21. Juli 2024, um 12:04 Uhr in der Sendung „Literaturland Hessen“ auf hr2-kultur aus. Die Wiederholung des Beitrags läuft am Dienstag, 23. Juli 2024, um 15:04 Uhr bei hr2-kultur.
Der aktuelle Preisträger Konstantin Ferstl
Konstantin Maria Ferstl, geboren 1983 im Altmühltal, ist Regisseur, Autor und Musiker. Er studierte Regie in München. Bereits sein Abschlussfilm „Trans Bavaria“ kam ins Kino und wurde mehrfach ausgezeichnet.
Für „Finis Terrae“, einen Essayfilm mit dem Philosophen Alain Badiou, reiste Konstantin Ferstl einmal um die Welt. „Die blaue Grenze“ ist sein Debütroman, für den er das Münchner Literaturstipendium erhielt. Konstantin Ferstl lebt in München, Rom und in der Hallertau.
Die bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger des Literaturpreises Fulda
Erste Preisträgerin war Johanna Maxl, die 2019 für ihren Roman „Unser großes Album elektrischer Tage“ mit dem Literaturpreis Fulda geehrt wurde.
2020 ging die Auszeichnung zu gleichen Teilen an Nadine Schneider für ihr Debüt „Drei Kilometer“ und an Olivia Wenzel für ihr Buch „1000 Serpentinen Angst“.
Timon Karl Kaleyta wurde 2021 ausgezeichnet für sein Romandebüt „Die Geschichte eines einfachen Mannes“. Edgar Selge erhielt 2022 den Literaturpreis für „Hast du uns endlich gefunden“. Silke Stamm nahm 2023 die Auszeichnung für ihr Erstlingswerk „Hohe Berge“ entgegen.