Der Deutsche Bruderkrieg von 1866 – Thüringische Rhön war Schauplatz von schweren Gefechten

Gastbeitrag von Michael Knauf

Im Sommer 1866 gerieten Preußen und Österreich mit seinen Verbündeten in einem Krieg um die Vorherrschaft in Deutschland aneinander. Das Königreich Bayern unter König Ludwig dem II. wollte neutral bleiben.

Aber Österreich bestand auf die Bündnispflichten von Bayern. So standen sich in der Rhön Preußen und Bayern in schweren Gefechten erbarmungslos gegenüber.

Im Jahr 1866 gab es noch kein Deutsches Kaiserreich, sondern lediglich einem Flickenteppich aus 35 Kleinstaaten und vier freien Reichsstädten, mit zum Teil unterschiedlichen Währungen, Maßeinheiten und Gesetzen. Erst am 18. Januar 1871 konnte der spätere Reichskanzler Otto von Bismarck im Spiegelsaal von Versailles, durch eine „Kaiserproklamation“, das deutsche Kaiserreich ausrufen.

Vordringen des fünften bayrischen Infantrie-Regiment auf den Nebelberg am 4. Juli 1866

Am 30. Juni 1866 musste der preußische Oberbefehlshaber General Vogel von Falkenstein seine Einheiten gegen die südwestdeutsche Bundesarmee in Marsch setzen. Deren Vorhuten hatten den Thüringer Wald bei Schmalkalden und Zella-Mehlis erreicht.

Es wurden zwei preußische Divisionen bei Gerstungen und bei Eisenach zusammen gezogen. Unbemerkt von bayrischen Vorposten, konnte die Division Goeben, nach Salzungen und Tiefenort vorrücken, wobei die Division Beyer den Raum Vacha besetzte.

Die zwischen Marksuhl und Salzungen, von den Bayern, gesprengten Gleisanlagen der „Werrabahn“ (1858 Werra-Eisenbahn von Eisenach-Salzungen-Meiningen-Lichtenfels eröffnet), wurden durch preußische Eisenbahn-Pioniere unverzüglich wieder in Stand gesetzt.

hist. Kartenausschnitt zu den Kampfhandlungen am Nebelberg

Zwischenzeitlich hatten die bayrischen Bundestruppen am 2. Juli 1866, am frühen Vormittag, Dermbach und Wernshausen eingenommen. Starke bayrische Einheiten besetzten Kaltennordheim. Schwere Abwehrkämpfe entwickelten sich im Raum Immelborn und Barchfeld, die Bayern zogen sich zurück.

Ein Bataillon des V. Bayrischen Infanterie-Regimentes, welches in Dermbach lag, rückte nach Hartschwinden vor. Hier stieß es auf Widerstand und bezog im Raum von Wiesental Stellung.

Die Spitzen der preußischen Division Goeben nahm in den Mittagsstunden Dermbach ein und rückte sofort, die Gemeinde östlich umgehend, auf die Straße nach Glattbach vor.

hist. Kartenausschnitt zu den Kampfhandlungen am Nebelberg

Der 4. Juli sollte der Tag der Entscheidung werden. Starke Konzentrationen der Bayern südlich von Dermbach waren ein Indiz für einen bevorstehenden Angriff.

Die südwestdeutsche Bundesarmee hatte zwischenzeitlich in Kaltennordheim ihr Hauptquartier eingerichtet. Starkes bayrisches Artillerie-Feuer empfing die Preußen aus Richtung Zella.

Nach aufreibenden, zeitraubenden Gefechten konnten die Einheiten von General Kummer Neidhartshausen einnehmen. Ein bayrisches Regiment wurde über Klings nach Zella verlegt. In Diedorf, Andenhausen und Empfertshausen gingen bayrische Truppen in Bataillonsstärke in Stellung.

Der Nebelberg

Um die Mittagszeit stürmten preußische Einheiten nach mehreren Anläufen Zella, sofort konnten in der Nähe des alten Forsthauses vier Kanonen in Stellung gebracht werden. Nun begann ein gegenseitiges Artillerie-Duell über die Ortslage Diedorf, von Zella nach Fischbach.

In der Zwischenzeit konnte der preußische General Wrangel mit seinen Einheiten, der Mainarmee, bei Roßdorf und Wiesenthal dem VII. Bayrischen Korps eine Niederlage zufügen.

Die Bayern bezogen nun aus strategischen Gründen, Stellungen auf dem 524 Meter hohen Nebelberg (zwischen Wiesenthal und Roßdorf gelegen) und führten größere Kontingente an Verstärkungen heran.

Kartenausschnitt Wiesenthal-Roßdorf mit dem Nebelberg

Durch intensive, verlustreiche und mehrmalige Sturmangriffe war es den Preußen schließlich möglich den Nebelberg zu stürmen und zu besetzen. Während der Angriffe auf dem Nebelberg verlor der bayrische Brigade-Kommandeur General Faust sein Leben.

Um es auf keine Vernichtungskampfhandlungen ankommen zu lassen, bezog der preußische General Vogel von Falkenstein mit seinen Divisionen die Linie Lengsfeld-Oechsen-Geisa-Hünfeld.

Die bayrischen Truppen waren 36 Stunden in Alarmbereitschaft und erwarteten erneute Kampfhandlungen und Angriffe der Preußen. Weil keinerlei militärischen Auseinandersetzungen erfolgten, zogen die bayrischen Truppen in südlicher Richtung ab, um mit dem VIII. Bundeskorps unter Prinz Alexander von Hessen eine Heeresgruppe zu bilden.

General Vogel von Falkenstein wollte diese Vereinigung unbedingt verhindern und setzte seine Abteilungen nach Fulda in Marsch. Bei nun erfolgten größeren Kampfhandlungen im Raum Kissingen und Hammelburg mussten die Bayern eine weitere Niederlage einstecken.

preußische Artillerie beschießen bei Wiesenthal den Nebelberg. Verwundete werden per Leiterwagen in die Behelfs-Lazarette nach Dermbach gefahren

Kriegsentscheidend war die bereits einen Tag zuvor, am 3. Juli 1866, stattgefundene Schlacht von Königgrätz (Hradec Kralove), aus dieser die Bayern mit den Streitkräften des Deutschen Bund als Verlierer des Bruderkriegs herausgingen.

Am 27. Juli 1866 wurde in Nikolsberg Mähren, der Deutsch-Deutsche Krieg, mit der Unterzeichnung eines Friedensvertrags beendet. Insgesamt sollen 33.000 bayerische und ca. 16.000 preußische Militärangehörige an den Kampfhandlungen in und um die Rhön beteiligt gewesen sein.

Zur Versorgung der unzähligen Verwundeten wurden kurzfristig in Dermbach und in Roßdorf Behelfs-Lazarette eingerichtet.

Behelfs-Lazarett Sparkasse in Dermbach, mit verwundeten Soldaten, Sanitätern und Ordensschwestern

Wie zum Beispiel bis 10. September 1866 im katholischen Franziskanerkloster von Dermbach, in der ehemaligen Korkfabrik Eichhorn & Mester, bis zum 8. September 1866 in der 1862 am Hauck erbauten neuen Sparkasse sowie in der Gaststätte “Zur Klause“.

Hilfreich war das Vorhandensein der 1835 eingerichteten Dermbacher Apotheke, die ab 1855 eine „Amtsapotheke“ wurde. In Roßdorf gab es bis zum 22. August 1866 ein Behelfs-Lazarett. Auch in den Schulen, Amtshäusern und in einigen Bauernhöfen wurden Erste Hilfe und notwendige Grundversorgungen durchgeführt und geleistet.

Durch Unstimmigkeiten in der bayrischen Truppenführung kam es zu Verzögerungen bei der Aufstellung, Verlegung und dem Einsatz der jeweiligen Truppenteile.

bayrische Gedenkmedaille E.K. (bayrischer Löwe), 04.07.1866

Außerdem waren die bayrischen Soldaten mit veralteten Militärtechniken, besonders mit unmodernen Vorderladern (Podewilsgewehre) ausgerüstet.

Die preußische Militärführung setzte auf neue Taktiken, nutzte strategisch die Eisenbahnen (Werrabahn), die Telegraphie (Kabelverbindungen, Morsealphabet) und verfügte über die damals modernen Zündnadelgewehre, mit umgerüstetem System nach Minié.

Außerdem nutzten die Preußen für ihre Gefechtsführung den 671 Meter hohen Gläserberg als Hauptgefechtsleitstelle. Von hier aus waren das Feldatal in der oberen Richtung nach Neidhartshausen, Zella, Diedorf, Fischbach, sowie auch die Geländeabschnitte nach Roßdorf, Wiesenthal und den Nebelberg sehr gut einsehbar.

preußische Gedenkmedaille E.K. (preußischer Adler), 04.07.1866

Dadurch konnten Übermittlungsfehler durch Aufklärer und Melder minimiert werden und es wurde eine optimierte Truppenführung durchgeführt. Am 3. und 4. Juli 1866 waren im Kampfgebiet um Dermbach, sowie bei Zella, auf beiden Seiten, nach nicht amtlichen Angaben, der Tod von um die 181 gefallenen Soldaten und Offizieren zu beklagen. Schwere Gefechte und Kampfhandlungen fanden am und um den Nebelberg zwischen Wiesenthal und Roßdorf, sowie bei Zella statt.

Auf dem Friedhof der Rhönstadt Geisa ist heute noch das geschützte Grabdenkmal von dem preußischen Bataillonskommandeur Major Cäsar Rüstow erhalten.

Major Rüstow führte zu Pferd seine Männer bei der Erstürmung des Westhanges vom Nebelberg, im unwegsamen Gelände, bei Wiesenthal an. Sein Bataillon wurde von den Bayern aus drei Seiten beschossen.

Major Cäsar Rüstow, Urheber: L. Riedel (+) Königsberg

Cäsar Rüstow traf eine bayrische Kugel in den Unterbauch. Während der Not-Versorgung durch einen Sanitäter setzte ein zweiter Scharfschützen-Treffer in den Hinterkopf seinem noch jungen Leben ein jähes Ende.

Auf dem Marsch der preußischen Streitkräfte nach Fulda wurden die sterblichen Überreste von Major Rüstow, sowie die des ebenfalls gefallenen Hauptmann von Egidy und eines unbekannten Soldaten in Geisa bestattet.

Da Major Rüstow ein berühmter Militärschriftsteller sowie ein anerkannter Experte der Gewehrtechnik war, wurde ihm, mit Unterstützung seiner Familie, ein würdiges Grabdenkmal gesetzt.

Grabdenkmal Major Cäsar Rüstow, Friedhof Geisa

Cäsar Rüstow war zeitweilig für die Gewehrproduktion der preußischen Armee in Suhl zuständig und leitete als Vorsitzender die Königlich Preußische Gewehr-Abnahme-Kommission in Suhl. Hier heiratete er am 9. Oktober 1851 die Tochter eines Waffenherstellers, Emilie F. J. Spangenberg.

Aus dieser Ehe gingen drei Kinder, ein Mädchen und zwei Jungen, hervor. Leider verstarb seine geliebte Ehefrau schon am 30. Juni 1859 an Tuberkulose. Die Kinder wuchsen bei ihren Großeltern auf.

Major Rüstow war eine Zeit lang Generalstabsoffizier im großen preußischen Generalstab und hat sechs militärwissenschaftliche Bücher, welche auch in andere Sprachen übersetzt wurden, verfasst. Außerdem war er Lehrkraft an verschiedenen militärischen Lehranstalten und an Militärakademien.

Das Grabdenkmal von Cäsar Rüstow - eine weiße, schräg abgebrochene Marmorsäule, welche auf einem Sandsteinsockel ruht - trägt folgende Inschrift: Hier ruht in Gott Cäsar Rüstow Major im 2. Westf. Inf.-Reg. Nr. 15. Geb. Am 18. Juni 1826 Gefallen am 4. Juli 1866 im Gefecht bei Wiesenthal.

Das Grabdenkmal wird erhalten, steht unter Schutz und befindet sich an der westlichen Friedhofsmauer des katholischen Stadtfriedhofs von Geisa.

Am bayrischen Denkmal im Gemeindefriedhof von Roßdorf, ruhen zehn bayrische Offiziere, darunter der Brigade-Kommandeur General Faust sowie 69 Unteroffiziere und Mannschaften.

hist. Aufnahme Grabmal von C. Rüstow am Friedhof von Geisa um 1960

Neben dem Kriegerdenkmal (Sandsteinsockel mit aufgesetztem Eisernen Kreuz), am evangelischen Bergfriedhof von Wiesenthal wurden 20 Soldaten bestattet.

Auf dem nicht mehr erhaltenen Kriegerfriedhof in Dermbach, welcher 1979 wegen Baumaßnahmen (Erweiterung des Sportplatz) beräumt wurde, fanden drei preußische Offiziere und 15 Mannschaftsdienstgrade, sowie 31 bayrische Soldaten ihre letzte Ruhe.

Um 1991 wurde der alte evangelische Friedhof in Dermbach zu einen Park umgestaltet und einige Grabdenkmäler von 1866 wieder aufgestellt. Auch hier wurde von der Gemeinde, zum 125. Jahrestag der Kampfhandlungen von 1866, ein würdevolles Denkmal errichtet.

Denkmal am Friedhof von Wiesenthal

Am westlichen Dorfrand von Zella befindet sich der katholische Friedhof, dort wurde zum Gedenken der Opfer des Bruderkriegs ein Denkmal mit Kreuz errichtet und es fanden 27 Soldaten hier ihre letzte Ruhe. Es gibt noch auf anderen Friedhöfen in den angrenzenden Rhöngemeinden drei Soldatengräber von 1866.

Am Nebelberg steht ein Gedenkstein mit einer Gedenktafel, welche an die Geschehnisse des 4. Juli 1866 aufmerksam macht und vor kriegerischen Auseinandersetzungen warnen soll.

Im Geysoschen Schloss von Roßdorf, in Privatbesitz, befindet sich im Gutsspeicher des Schlosshofs ein kleines Museum mit einer sehenswerten Ausstellung, wo an die Kampfhandlungen am Nebelberg vom 4. Juli 1866 erinnert wird.

Gedenkstein mit Kreuz am katholischen Friedhof in Zella

Wer mehr über den deutschen Bruderkrieg in der thüringischen Rhön, im Feldatal, erfahren möchte, dem empfehlen wir folgende Literatur:

  • Der deutsche Krieg von 1866 in der Rhön, Herausgeber und Redaktion: Hans-Peter Mötzung, Dermbach 2016, Druckhaus: Saxionia Dresden, keine ISBN-Nummer
  • Rossdorf im „DEUTSCH-DEUTSCHEN KRIEG VON 1866“-Gefecht am Nebel- Begleitschrift zum Gedenkmuseum im Gutshaus zu Roßdorf, Herausgeber und Autor: Walter Hamm, Uettingen/Roßdorf, 2003
  • „Der Feldzug in Böhmen und Mähren 1866“ (mit dem deutschen Bruderkrieg), Autor: Theodor Fontane, Neuauflage: Verlag und Versand Rockstuhl, Bad Langensalza 2001, ISBN: 3-9347 48-75-9
  • 50 Jahre Rhön-Feldabote, Jubiläumsausgabe von 1936, Zusammenstellung von heimatgeschichtlichen Berichten, Herausgeber: Hans-Peter Mötzung, Dermbach Februar 2024,Druckhaus: Saxionia Dresden, Autor Dr. Fritz Otto Weimar (+), Seiten 38 bis 47, keine ISBN-Nummer
  • Festschrift zum Jubiläum 875 Jahre Dermbach und Führer durch Dermbach, Redakteur und Herausgeber: Hans-Peter Mötzung, Oktober 2019, Seite 18-19, keine ISBN-Nummer
  • Wikipedia – Deutscher Krieg/Bruderkrieg
  • Gedenkstein am Nebelberg

An dieser Stelle möchte ich mich bei den Heimatfreunden, dem Buchautor und Ortschronisten Hans-Peter Mötzung aus Dermbach, Robert Trautwein, stellvertretender Vorsitzender des Kulturring Roßdorf e.V., und bei dem Buchautor Walter Hamm aus Uettingen für ihre Unterstützung zur Erarbeitung des vorliegenden Beitrags bedanken.

Kriegerdenkmal/Obelisk zum Gedenken an die schweren Gefechte, am Nebelberg, vom 3. und 4. Juli 1866 bei und um Roßdorf

Quellen:

Der deutsche Krieg 1866 in der Rhön, Herausgeber und Redaktion: H.-P. Mötzung, Dermbach 2016, 50 Jahre Rhön-Feldabote, Zusammenstellung von heimatgeschichtlichen Berichten, Herausgeber H.-P. Mötzung, Dermbach Feb.2024, Seiten 38-47,Autor Dr. F. O. Weimar (+)

Wikipedia: Deutscher Krieg, Otto von Bismarck, Cäsar Rüstow

Osthessen News vom 4. Juli 2016, Autor: Dr. Stefan Arend
Tageszeitungen: Freies Wort, STZ, Tageblatt

Broschüren: Geisa 1150 Jahre, Seite: 31, 32, Autor: G. Möller (+), Geisa 1175 Jahre, Seite: 41, Autoren-Team: Dr. H. Hahn, A. Henning, W. Ritz, H. Kleber, M. Kiel

Festschrift zum Jubiläum 875 Jahre Dermbach, Redaktion und Herausgeber H.-P. Mötzung, Okt. 2019, Seiten 18-19

Rossdorf im Deutsch-Deutschen Krieg von 1866, Gedenken an den 4. Juli 1866-Gefecht am Nebel-, Begleitschrift zum Gedenkmuseum im Gutshaus von Roßdorf, Autor: Walter Hamm, Uettingen / Roßdorf 2003

Bruderkrieg zwischen Preußen und Bayern, Autoren: Walter Nickel und Armin Hepp, 1991, Verlag, Satz und Herstellung: Christels Copythek

Publikation von Hans-Peter Mötzung: Der deutsche Krieg von 1866 in der Rhön

Erläuterungen:

Deutscher Bund = Österreich, Königreich Sachsen, Königreich Bayern und bis Ende Juni 1866 das Königreich Hannover, Truppen des Bundeskorps = Königreich Württemberg, Großherzogtum Hessen, Großherzogtum Baden, Herzogtum Sachsen-Meiningen, Kurfürstentum Hessen, Herzogtum Nassau und die Freie Stadt Frankfurt

Major Cäsar Rüstow, Urheber: L. Riedel (+) Königsberg