Gastbeitrag von Dr. Stefan Stadtherr Wolter
Vier historische Kerzenleuchter in barocker Formgebung, die einst den Kaltensundheimer Altar schmückten und um 1970 als Schenkung veräußert wurden, gibt Historiker Dr. Stefan Stadtherr Wolter der Kirchengemeinde Kaltensundheim zurück.
Die dekorativen Leuchter, die der damalige Gemeindekirchenrat dem langjährigen Pfarrer Jürgen Wolter (1938-2013) aus Dankbarkeit für die Sanierung der Kirche überlassen hatte (worüber es einen Kirchenbucheintrag geben soll), waren nach mehr als fünf Jahrzehnten mittlerweile im Land verteilt und an die nachfolgende Generation weitergegeben worden.
Ihre heutigen Besitzer in Berlin, Bad Homburg und Büdingen gaben sie bereitwillig in die Hände des Sohnes von Pfarrer Wolter, damit sie nach mehr als einem halben Jahrhundert wieder auf dem Altar der Kirche von Kaltensundheim erstrahlen können.
Pfarrer Jürgen Wolter trieb nicht nur die Sanierung der Kirche voran, er baute mit Helfern aus der Gemeinde auch das in Teilen marode jahrhundertealte Pfarrhaus um (1972) und errichtete 1974/75 anstelle der Pfarrscheune ein kleines Gemeindezentrum.
So prägte er das bauliche Ensemble der Kirchengemeinde Kaltensundheim wie kein anderer im letzten halben Jahrhundert.
Anlass zur Rückführung der historischen Leuchter an den ursprünglichen Ort gaben dem Berliner Historiker Dr. Stefan Stadtherr Wolter die jüngsten Renovierungsarbeiten in der Kaltensundheimer Kirche, die sukzessiven Änderungen der Ausstattung der Kirche nach 1990 und der Blick ins Familienarchiv.
Die letzte große Kirchensanierung erfolgte in den Jahren 1967 bis 1970. Jürgen Wolter, 1963 bis 1978 Pfarrer von Kaltensundheim, renovierte in den Jahren der DDR-Mangelwirtschaft im Alter von rund dreißig Jahren den Kirchenraum unter großem persönlichem Einsatz.
Die vorgefundene Ausmalung in Brauntönen, die den Kirchraum verdunkelten, wurde damals in ein lichtes Graublau geändert. Eine Farbgebung, die dankbar angenommen wurde und über ein halbes Jahrhundert hinweg erhalten blieb.
Hingegen entschied sich der Kirchenvorstand innerhalb der letzten dreißig Jahre zu einigen Änderungen hinsichtlich der sakralen und erinnerungskulturellen Ausstattung der Kirche, welcher Pfarrer Wolter ein deutlich anderes Gepräge gegeben hatte.
Das betrifft zum einen das Altargerät, zum anderen das Gedenken an die Kaltensundheimer Opfer der letzten großen Kriege.
Pfarrer Jürgen Wolter ging es bei der damaligen Kirchensanierung um die weitgehende Wiederherstellung der Schlichtheit des sakralen Raumes. Das Ziel war der unverstellte Fokus auf das Anliegen der christlichen Verkündigung.
In Abkehr von nationalprotestantischen Traditionen wurde in Absprache mit den Denkmalbehörden ein den Kirchenraum verdunkelndes farbiges Fenster mit seiner nicht mehr zeitgemäßen Symbolik, jedoch auch den Namen von Gefallenen darauf, als späterer Einbau in die Kirche entfernt und die Namen auf der noch heute vorhandenen Kupfertafel würdevoll verewigt.
Die Tafel fand ihren Platz im hinteren Bereich der Kirche, um Taufstein und Altar frei von jeglichen Assoziationen an die einstige Allianz von „Thron und Altar“ zu halten und den Fokus auf das Zentrum der christlichen Botschaft zu richten.
Diesem Ansinnen entsprach auch die Taufnische, in die Wolter den ins Abseits geratenen schlichten Taufstein aus dem Jahr 1440 rückte, sowie die Neugestaltung des Altargerätes: Das klassische Kruzifix mit dem Corpus des gedemütigten Leidenden wurde gegen ein Kreuz mit der symbolischen Darstellung des strahlenden Auferstandenen getauscht.
Zur Neugestaltung des Innenraumes der Kirche um 1970 engagierte Pfarrer Wolter die bekanntesten Künstler und renommiertesten Werkstätten in der DDR: Taufschale, Kanne und Altargerät fertigte die Erfurter Firma Helmut Griese aus Kupfer.
Für die Wand neben dem Taufstein ließ Wolter 1971/72 einen Behang mit religiöser Symbolik durch keinen Geringeren als den noch anderswo noch heute geschätzten Künstler Harry Franke anfertigen.
Die erwähnten Kerzenleuchter sowie der Kronleuchter wurden damals als im Stil „unpassend“ ausrangiert. Der viel Symbolik beinhaltende Kirchenschmuck aus den Jahren der DDR wurde zu einer Besonderheit der Kirche, für die in der Zeit nach der Friedlichen Revolution (1989) möglicherweise das Verständnis fehlte.
Anstelle des Behangs befindet sich heute in unmittelbarer Nähe zum Altar die Kupfertafel zur Erinnerung an die Opfer der letzten großen Kriege.
Nach und nach erobert sich die Kirche ihr historisch gewachsenes Antlitz zurück - und entwickelt sich weiter. Ein Kruzifix mit dem Corpus Christi wurde vor Jahren wieder aufgestellt und der schmückende Kronleuchter wieder angebracht.
Zuletzt - eine wirkliche Krönung - wurde unter vielen Farbschichten die ursprüngliche Ausmalung der Kirche wiedergefunden, an die in den 1960er Jahren nicht zu denken gewesen ist.
Die vor allem durch die Holzmalerei wieder zum Vorschein gebrachten barocken Anteile der Kirche, ihre entsprechend neue Pracht, sowie auch die Tatsache, dass das Kruzifix nach historischem Vorbild wieder an seinem Platz steht, ließ die Einsicht wachsen, dass auch die Leuchter anstelle der schlichten Kerzenschalen zurück in die Kirche gehören.
Die Geschichte der vier Kerzenleuchter in der Welt jenseits des sakralen Raumes erzeugt eine neue Symbolik.
Nun, wo die Kerzen dieser Leuchter zum Lob der Schöpfungsmacht wieder erstrahlen können, mögen sie daran erinnern, dass Gott jenseits unserer Vorstellung von Zeit und Raum zusammenfügt, was auf Erden getrennt und zerrissen wurde.
Möge ihr Licht an diesem Ort die Herzen erwärmen, die Seelen beruhigen und den Geist ermutigen.