Beitrag von Michael Knauf
Die Thüringer Orgelbauerfamilie Knauf aus Tabarz erbaute in ihren Werkstätten, von 1789 bis 1904, um die 300 Orgeln. Diese Orgeln wurden hauptsächlich in Kirchen im südlichen Westfalen und in Thüringen eingebaut.
Auch gab es nachweislich Aufträge aus dem Rheinland, vereinzelt sogar aus dem Baltikum und Russland. In Thüringen, unter anderem in der Rhönstadt Geisa, sind eine nicht unbedeutende Anzahl von Instrumenten aus den Orgelwerkstätten der beiden Knaufschen Familienzweige aus Bad Tabarz, Gotha und Bleicherode funktionstüchtig erhalten.
Johann Valentin Knauf, Sohn eines Dielenschneiders aus Tabarz, durfte sich in der Zeit seiner Gesellenwanderschaft das Handwerk eines Orgelbauers aneignen und ab dem Jahr 1789 eine eigene Orgelwerkstatt betreiben.
Die Familientradition setzte sich mit seinen Söhnen Gottlieb und Friedrich Christian weiter fort. Danach übernahmen Friedrich Christians Sohn Guido und Gottliebs Sohn Robert und letztendlich Roberts Sohn Ernst die Geschicke der Orgelbau-Firma.
Da Ernst schon im Jahr 1904 im Alter von 35 Jahren verstarb endete die Familien-Dynastie. Die größte Knauf Orgel befindet sich in der evangelischen „St. Marien“ Kirche im thüringischen Bleicherode. Diese Orgel ist mit 1579 klingenden Pfeifen und 24 stummen Prospektpfeifen noch in Betrieb, der notwendige Luftdruck wird heute elektrisch erzeugt.
Für Orgelkenner und Musikliebhaber sind die drei Gotteshäuser von Geisa, einmalig in ganz Deutschland, eine ganz wichtige und außergewöhnliche Adresse.
Die katholische Stadtpfarrkirche wurde bereits in den Jahren von 1489 bis 1504 im spätgotischen Stil errichtet. Die Erbauer oder Stifter Hans Steffen und Tolde Knauf wurden namentlich mit der Jahreszahl 1504 an einem Strebpfeiler, an der Südseite verewigt.
Für den Kirchenbau wurden hauptsächlich Natursteine verwendet. Das gefällige Bauwerk ist mit hohen Strebepfeilern und Maßwerkfenstern ausgerüstet.
An der westlichen Seite des Gotteshauses befindet sich ein quadratischer, fünfgeschossiger Turm, diesen schmückt als Krone ein achteckiger Fachwerkbau mit einer Welscher Haube.
Hier oben wohnte in früheren Zeiten bis in das neunzehnte Jahrhundert ein Türmer, welcher über die Bewohner und die Geschicke der Stadt wachte. In der Turmluke der Kuppel hängt die Sterbeglocke von 1472. Der Turm verfügt über ein Gesims und über Wasserspeier.
Die im Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918) eingeschmolzenen Kirchenglocken wurden Anfang der 1920er Jahre ersetzt. Im Jahr 1964 konnten die im Zweiten Weltkrieg (1939 bis 1945) eingezogenen Kirchenglocken durch vier, in Apolda neu gegossene Bronzeglocken (St. Maria, St. Joseph, Cor Jesu und St. Angele) eingeweiht werden.
Restaurierungs- und Umbauarbeiten des Kircheninneren, unter Leitung des damaligen Dechanten A. Wehner, wurden von 1955 bis 1957 durchgeführt. Hierbei konnte der Hochaltar durch einen spätgotischen Flügelaltar, erbaut um 1491, ausgetauscht werden.
Anfang der 1990er Jahre erfolgte die Erneuerung der Außenfassade und eine fortwährende Restaurierung des Kircheninneren. Ab dem Jahr 2003 erklingt, zur Freude aller Besucher und Einwohner der Stadt, ein Glockenspiel (Carillon) bestehend aus 49 handgegossenen Bronzeglocken, welches automatisch oder per Hand bedien- oder bespielbar ist.
Spielzeiten sind täglich um 11 Uhr, 15 Uhr und um 19 Uhr. Das Glockenspiel soll eines der größten und schönsten dieses Typs in der Bundesrepublik sein.
Die Knauf-Orgel in der Stadtpfarrkirche „St. Philippus & Jakobus“ wurde 1848 durch Friedrich Knauf fertiggestellt. Diese ganz besondere Orgel besitzt 29 Register auf drei Manualen und Pedal, ein unverändertes und vollständiges Pfeifenwerk. Die Orgel verfügt über 1.584 Pfeifen, davon sind 603 Holzpfeifen und 27 Zungenpfeifen aus Zink.
Die Prospektpfeifen aus Holz sind bronziert und stumm. Die Manualwerke sind in einer chromatischen Anordnung ausgeführt und mit einer üblichen Strahlentraktur (Winkelanlage) versehen. Die Orgel verfügt über einen neueren Doppelfaltenbalg mit Schöpfer, sowie einer funktionsfähigen Tretanlage.
Erste sinnvolle Veränderungen am Pfeifenbestand soll der Orgelbaumeister Otto Market aus Ostheim, um das Jahr 1906 vorgenommen haben.
Von 1996 bis in das Jahr 2000 konnte die Orgel von der Firma Gerald Woehl aus Marburg und durch die Mitarbeit der Firma Orgelbau Waltershausen, voll Funktionstüchtig restauriert werden.
Die große Knauf-Orgel in der Geisaer Stadtpfarrkirche ist eine der wichtigsten Orgeldenkmale des Bistums Fulda. Weiterhin wird die Knauf-Orgel als Unterrichtsorgel des Bischöflichen Kirchenmusikinstitutes Fulda genutzt. Während zahlreicher Konzerte und einer CD-Einspielung mit Roland Maria Stangier hat das Instrument seine Vielseitigkeit und ihren einmaligen Klang unter Beweis gestellt.
Die evangelische Kirche in Geisa wurde im Sommer 1853 vom Großherzog von Weimar vorerst als Betsaal im ehemaligen Marstallgebäude untergebracht. Hier fanden Gottesdienste und die Unterweisung der Kinder statt.
Durch den großen Stadtbrand 1858 in der Oberstadt, wurde der Betsaal vollständig zerstört. Glücklicherweise kam eine größere Summe von Spendengeldern zusammen, welche einen Wiederaufbau im spätklassizistischen Stil ermöglichten.
Im Jahr 1892 erhielt die Saalkirche im nördlichen Bereich einen Turm. Ein Buntglasfenster mit einem überlebensgroßen Christusbild konnte 1888 im Altarraum eingesetzt werden. Die heutige Innenausstattung stammt aus den 1920er Jahren.
Am Schlossplatz, auf dem sich die evangelische Kirche von Geisa befindet, steht eine weitere Knauf-Orgel. Diese wurde im Jahr 1860 durch die Firma Friedrich und Guido Knauf aus Tabarz/Gotha erbaut. Sie ist als zweimanualiges Werk mit zehn klingenden Registern ausgeführt.
Die Orgel hat 594 klingende Pfeifen, sowie 44 stumme Metall-Prospektpfeifen. Eine zeitaufwendige Restaurierung des Instruments erfolgte in zwei Bauabschnitten durch die Firma Orgelbau Hoffmann & Schindler aus Ostheim vor der Rhön. Am 4. Advent 2014 konnte das Instrument wieder eingeweiht werden.
Die dritte Knauf-Orgel der Stadt Geisa befindet sich in der Friedhofskapelle am Gangolfiberg. Hier soll sich eine vorchristliche Kultstätte befunden haben. Die Kapelle wurde im 15. Jahrhundert (1461) erstmals urkundlich erwähnt. Am Gebäude befinden sich Jahreszahlen von 1564 und von 1624, welche auf Umbaumaßnahmen hinweisen.
Im 16. Jahrhundert wurden vermutlich die spätgotischen Spitzbogen, die Vorhangbogen der Fenster, sowie eine achteckige Innen-und Außenkanzel mittig an der Nordseite ergänzt. Die Wettergeschützte Nordseite der Kapelle ist mit 13 Grabsteinen geschmückt.
An der Ostgiebelseite befinden sich drei, historisch wertvolle Barocke-Grabsteine, zwei erinnern an den letzten Amtmann vom Rockenstuhl Petrus Faber und seiner Ehefrau Margaretha, sie stammen aus dem Jahr 1703 und haben eine Inschrift in lateinischer Sprache.
Die West-und Südseiten der Kapelle sind in einem einfachen, schmucklosen Stil gehalten. Im Jahr 1875 erfolgte der Orgeleinbau in der Friedhofskapelle. Erbauer war Guido Knauf aus Tabarz. Das Instrument verfügt über sieben Register auf einem Manual und Pedal.
Insgesamt verfügt die Orgel über 331 Pfeifen. Anfang des neuen Jahrhunderts befand sich die Orgel in einem sehr schlechten Zustand. Erst durch die großzügige Spende des Geisaer Ehrenbürger Werner Deschauer (+) konnte die Restaurierung durch die Firma Orgelbau Hoffmann & Schindler aus Ostheim vor der Rhön im Jahr 2015 von statten gehen.
Im Oktober 2018 ist ein neues „Fuldaer Chorbuch“ erschienen, aus diesem Anlass sang das Hünfelder Vokalensemble „St. Benedikt“ unter Leitung des Dirigenten/Regionalkantor Christopher Löbens in allen drei Gotteshäusern von Geisa.
Der Organist Niklas Jahn und die Geisaer Sängerin Rebecca Göb (Solosopran) fesselnden mit ihren Darbietungen die Besucher. Niklas Jahn verstand es gekonnt, den drei Geisaer Orgeln die schönsten Töne zu entlocken.
Wer mehr über die Orgelbaufamilie Knauf aus Thüringen und den drei Knauf-Orgeln in Geisa erfahren möchte, dem empfehlen wir folgende Publikation:
Orgelgeschichte Thüringens: „Die Orgelbauerfamilie Knauf“. Autor: Reinboth Fritz, Verlag: Pape Berlin, ISBN-Nr.: 9783921140765, Preis: 22 Euro
Quellen:
Stadtführer Geisa, Rindt-Druck Fulda-1992, Herausgeber Stadtverwaltung Geisa
Festschrift 1175 Jahre Geisa, Rindt-Druck Fulda-1992,Herausgeber Stadtverwaltung Geisa
Flyer des Tourismusbüro der Stadt Geisa :“Die Knauf-Orgeln in Geisa“
Osthessen News vom 02.11.2018
Familienzeitung ein Mitteilungsblatt des Familienverbandes Knauf, Knauf, und Knauf e.V.
Rhönkanal vom 31.10.2018, Autor: Richard Veltum
Wikipedia
Informationen der evangelischen Landeskirche Thüringen
Internetseiten: Orgelschätze-Thüringen-Thüringer Wald und Rhön
Kilian Gottwald Orgelbaumeister -Publikation: „Wärme, Fülle, Farbe“
Publikationen der Firma Orgelbau Hoffmann & Schindler aus Ostheim vor der Rhön
Erläuterungen :
Tabarz = Großtabarz, heute ein Teil von Bad Tabarz
Prospektpfeifen = meist stumme Dekorationspfeifen
Orgel-Manuale = ähnlich wie bei einem Klavier, eine Tastenreihe mit schwarz, weißen Tasten, bei einer Orgel heißt die Klaviatur Manual (lat. Hand), eine Manual-Tastenreihe hat meist 54 oder mehr Tasten
Register = eine Reihe von Pfeifen (maximal 10 Pfeifen) mit einer gleichen Klangfarbe, welche als Einheit ein-oder ausgeschaltet werden können