Gastbeitrag von Julia Otto
Ernst Krämer aus Diedorf ist ein Mann, für den die Orgel weit mehr als ein Instrument ist. Sie steht für seine Hingabe, seine Leidenschaft und seine tiefe Verbundenheit mit der Kirche.
Seit 65 Jahren begleitet der 85-Jährige als ehrenamtlicher Organist Gottesdienste, Hochzeiten, Trauerfeiern und besondere Anlässe mit seiner Orgelmusik – ein Engagement, das ihn zum dienstältesten Organisten in der Region macht.
Was für andere „nur Musik“ ist, ist für Ernst Krämer ein Moment der Besinnung. Wenn er an die „Königin der Instrumente“ geht und dem Chor die ersten Töne vorsummt, dann bringt er mehr als nur Noten zum Klingen.
Es sind seine Lebensgeschichte, sein Glaube und seine Liebe zur Musik, die in seinen Klängen mitschwingen. Er hat in über 32 Kirchen gespielt und sich im Laufe der Jahre weit über Diedorfs Grenzen hinweg einen geschätzten Namen gemacht.
Das Orgelspiel wurde ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt: Sein Vater, Karl Krämer, wirkte in den 1930er- und 1940er-Jahren als Organist in Diedorf. Mit fünf Jahren saß er erstmals am Klavier, und mit 21 Jahren spielte er zum ersten Mal die Orgel.
Sein Weg als Organist nahm im Mai 1960 in seiner Heimatgemeinde Diedorf und Fischbach seinen Anfang, als er erstmals als Orgelspieler aktiv wurde. Ab 1961 unterstützte er auch gelegentlich das benachbarte Klings, bevor er 1962 in Klings dauerhaft das Amt übernahm.
Trotz zahlreicher Veränderungen – er erlebte mehr als 65 Pfarrerinnen und Pfarrer, sieben Superintendenten und 15 katholische Seelsorger – blieb er stets die Konstante, die das musikalische Rückgrat der Gemeinde bildete.
„Am Anfang habe ich viermal in verschiedenen Kirchen am Sonntag Orgel gespielt“, erzählt Krämer. „Ich habe es immer gerne gemacht.“ Zu jeder Kirche ist er damals zu Fuß gelaufen – selbst im tiefsten Winter stapfte er durch den Schnee, oft bis zu den Knien nass. „Im Winter konnte ich nicht mit dem Moped fahren und ein Auto hatte ich nicht.“
„Ohne die Unterstützung meiner Frau wäre das alles nicht möglich gewesen“, ergänzt Krämer. „Sie hat alles vorbereitet, damit ich schnell zum Orgeldienst aufbrechen konnte. Es gibt wenig, was ich in all den Jahren nicht gemacht habe“, sagt Krämer.
65 Jahre ehrenamtlicher Orgeldienst, immer treu der Musik und dem Glauben verpflichtet. „Die alten Organisten spielten immer zur Ehre Gottes und nicht für Geld, sie haben nie nach Geld gefragt“, so Ernst Krämer.
Besonders stolz ist er auf seine Sammlung alter Notenblätter, viele davon aus dem 19. Jahrhundert, die er bei Gottesdiensten und Beerdigungen spielt.
Ein prägender Moment in seiner Laufbahn: Während eines Pfingstgottesdienstes in Diedorf rief der damalige Superintendent Horn plötzlich: „Es wird so lange gespielt, bis der letzte aus der Kirche ist.“ Als Krämer von der Orgelempore herabstieg, sagte Horn zu ihm: „Wenn der Pfarrer auf die Kanzel geht, wird immer ein Kanzelmarsch gespielt.“ Diesen Brauch führt Krämer bis heute fort.
Ernst Krämer leitete viele Jahre ehrenamtlich die Kirchenchöre in Diedorf und Klings. Heute gibt es diese Chöre leider nicht mehr, da es an ausreichend Sängerinnen und Sängern mangelt, um sie weiterzuführen.
Die Lieder, die einst im Chor gesungen wurden, spielt er nun auf der Orgel – oft aus dem Gedächtnis, wenn die Noten nicht verfügbar sind. Jedes Mal, wenn Ernst Krämer an der Orgel in Diedorf spielt, wird er von dem Engel begleitet, der über dem Spieltisch schwebt.
„Jeden Morgen schaue ich nach oben, wenn ich mich an die Orgel setze“, sagt er. Doch er ist nicht der einzige Schutzengel, der ihn in seinen Leben begleitet hat. „Ich hatte so viele Engel in meinem Leben“, so Krämer.
„Fünfmal lag ich am Boden, aber jedes Mal bin ich wieder aufgestanden“, blickt Krämer zurück. „Der Herrgott hat mich jedes Mal wieder leben lassen“, fügt er dankbar hinzu.
Besonders spürte er die Unterstützung Gottes 1969, als er bei einem Traktorunfall seine Hand unter dem Schlepper einklemmte und nicht glaubte, sie jemals wieder benutzen zu können.
Damals schwor er sich: „Wenn die Hand wieder heilt, werde ich so lange Orgel spielen, wie es mir möglich ist.“
Trotz seines hohen Alters bleibt Ernst Krämer der Orgel treu und engagiert sich weiterhin mit der gleichen Leidenschaft wie zu Beginn seiner Karriere.
„So lange es noch geht“, antwortet er, wenn man ihn fragt, wie lange er noch spielen möchte. Dabei ist es nicht nur seine Musik, die zählt – es ist auch seine Persönlichkeit, die ihn zu einem geschätzten Mitglied der Gemeinschaft macht.
Am 18. November 2024 wurde Ernst Krämer im Gemeindehaus Diedorf für seine 65 Jahre ehrenamtlichen Orgeldienst mit einer Ehrenurkunde der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) ausgezeichnet. In ihrer Ansprache dankte Vakanzkoordinatorin Nadja Ramisch ihm für seinen unermüdlichen Einsatz und seine Zuverlässigkeit.
„Du bist für viele Menschen in der Region ein väterlicher Freund und guter Berater. Von deiner Erfahrung profitieren wir alle“, sagte sie und unterstrich, wie sehr seine Musik die Gottesdienste bereichere und die Herzen der Gemeinde erreiche.
Der Bibelspruch: „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er hat Wunder getan, seine rechte Hand und sein heiliger Arm haben ihm Hilfe gewirkt.“ (Psalm 98, 1,7) schmückt die Ehrenurkunde, die ihm für sein außergewöhnliches Engagement überreicht wurde. Es bleibt zu hoffen, dass er uns noch lange mit seiner Musik segnet.
Auch die Kirmesgesellschaft Diedorf ehrte ihn in diesem Jahr beim Kirmesgottesdienst, den er bereits zum 65. Mal musikalisch an der Orgel begleitete.
Als Dank für seinen langjährigen und treuen Einsatz überreichte sie ihm einen Präsentkorb sowie ihre besten Glückwünsche.