Interessanter Vortrag in Merkers: Kurzfristig das reichste Dorf der Welt

Gastbeitrag von Gerhard Hill und Friedhelm Mötzing
(Merkerser Heimat- und Geschichtsverein)

„Ein Hort der Nibelungen“ - nicht am Oberrhein, nein am Mittellauf der Werra – im Bergarbeiterdörfchen Merkers? Die Referenten haben bei einem Vortrag versucht, Einblicke  in das teils mysteriöse Geschehen, fast auf die Tage genau - zum Kriegsende „vor 80 Jahren“ - zu geben.

Ein Schatz mit vermutet und erhofft unermesslichem Wert! Zufällig oder wahrscheinlich gefunden nach Geheimnisverrat – von wem auch immer begangen. Im Bergwerk der Wintershall AG Anfang April 1945.

Was genau, wann und wo, nicht nur in den untertägigen Labyrinthen, geschah, wird sich nie belegen lassen. Der Vermutungen und Unterstellungen sind, in Summe gar viele zu Tage getreten.

Bei allerbesten Gartenwetter verfolgten drei Dutzend Zuhörer dem Video-Vortrag von Herrn Wolfgang Wollny, Bergmann und Bürgermeister AD. Bereichert und untersetzt durch künstlerisch, fachlich außerordentlich gut recherchierten Ergänzungen, in einem PowerPoint-Referat von Herrn Friedhelm Mötzing (jüngstes Mitglied des Vereins).

Der Merkerser Heimat- und Geschichtsverein hatte in der, seit November 2024 laufenden Vortragsreihe zur Geschichte des Kalibergbaus im Werratal, diesmal das Thema: „80 Jahre danach - Merkers, das reichste Dorf der Welt!“ im Programm.

Im Dorfgemeinschaftshaus „Alte Schule“ war um 15 Uhr wieder Vortragsbeginn. Eine gesicherte Chronologie, bezüglich der zur Sprache gekommenen Ereignisse in Berlin und Merkers (Wintershall AG- Schacht Kaiseroda II/III), wird unmöglich bleiben.

Mindestens Anfang 1945 haben sich die Ereignisse allerorts „überschlagen“. Die offensichtliche Zielstrebigkeit (nicht nur in Merkers) des Vormarsches lässt sich nicht leugnen.

Andere Territorien im Thüringer Umfeld wurden erst 14 Tage später eingenommen. Das erste Ziel des Vordringens war der Bergarbeiterort.

Der „Erste Führerbefehl“ am 6. März (im Ergebnis der verheerenden Bombardierung von Berlin am 3. Februar 1945), führte zu verstärkten Anstrengungen, museales Kunst- und Kulturgut zu retten und sicher unterzubringen.

Die ausgewählten Kunstobjekte der höchsten Kategorie „unersetzlich“, wurden in Transportkisten vom 20. bis 22. März mit 32 Lastzügen in acht Kolonnen nach Merkers abtransportiert.

Die Reichsbankbestände waren da bereits eingelagert. Bei diesem Kunst-Transport sind wahrscheinlich nur 40 von 140 bis 170 verladenen „Kisten“ im Bergwerk angekommen. Eines der herausragenden Objekte, welches im Stollen aufgefundenen wurde, befand sich in den Kisten 28 und 34: die Büste(n) der Nofretete.

In der Zeit des anschließenden Zwischenlagerns, in Wiesbaden und danach in Berlin, folgten „Echtheits-Überprüfungen“. Eine heutige Wertschätzung (geäußert von Mötzing) beträgt ca. 400 Mio. Euro. Der heutige Wertansatz für die in Merkers gelagerten Museumsschätze beträgt mehrere Milliarden.

Eine Größenordnung, mit der man ja heutzutage etwas vertrauter ist, als noch in der Vor-Verschuldens- Zeitrechnung. Neben den geldwerten Gut und diversen Edelmetallschätzen, waren beachtliche Kunst-Kulturgüter in Merkers eingelagert (in Summe mehrere hunderte Bilder, Plastiken, Preziosen).

Beispielsweise lagerten dort Stücke aus dem Museum für Vor- und Frühgeschichte, der Sammlung Trojanischer Altertümer, der Ostasiatischen Kunstsammlung, des Museums für Völkerkunde und weiterer, verschiedener staatlicher Preußischer Museen, sowie auch der Antikensammlung.

Mehrere Auslagerungsdepots im Berliner Raum wurden ab Herbst 1944 zum Schutz der deutschen Kunst-Werte vor Beschädigung durch Luftangriffe mehrfach im Wechsel genutzt. Bis der Transport „aufs Land“ entschieden war.

Aussagen und Einlassungen von Museumsdirektoren, Reichsbank-Direktion, von Nazioffizieren und zwielichtigen SS-Transport-Unternehmungen (die Traktion per Straße, Bahn und auf dem Wasserweg) waren die Folge.

Offenkundig wurde: Unklare Indizienketten, gegensätzliche Zeitzeugenberichten, fragmentarische Inventarlisten oder lückenhafte Versandunterlagen.

Auf Grund der großenteils verschwundenen Transportbegleitdokumente konnten keine Abläufe rekonstruiert werden. Vieles recht undurchsichtig.

Daher muss akzeptiert werden: Alles, bzw. Vieles, der thematisierten Ereignisse ist gezielt und gewollt im Dunkel der Geschichte untergegangen. Vielleicht lagern noch diverse „Schätze“ und Kulturgut in der näheren Umgebung, auf der Transportstrecke, vergraben?

Verdeutlicht wurde, dass mit dem chaotischen, sicher auch nicht zufälligem, Geschehen in deutscher Verantwortung, noch nicht ausreichend Unklarheit entstanden war. Das Naziregime hatte seit Monaten seine Kunst- und Vermögenswerte vorrangig, gezielt in die, zu erwartenden Westbesatzungsgebiete verbringen lassen.

Spezialeinheiten der Amis und der Engländer hatten höchstwahrscheinlich Vorinformationen bezüglich eines (in der sensationellen Werthaltigkeit natürlich unbekannten) „Nibelungen“-Reichs-Schatzes. Gab es sie nun - Kollaborateure auf deutscher Seite? Vorstellbar. Wie gesagt - keine Belege – für Nichts.

Auch dem vernünftigen und damit demoralisierten SS-Dienstgrad (in jedweden ideologisch konnotierten Kameradenkollektiv, der Transportkolonnen), war wohl zu dieser Zeit klar, dass es keinen „Endsieg“ mehr geben wird.

Eine Zeit, wo sicherlich jeder Vernunft-Mensch erst einmal sich selbst der Nächste war. Und wohl auch die jeweiligen Verantwortungsträger für die Reichsgüter der Kultur und jene für monetären Sach-Werte, aus ihrem eigenem Gusto heraus, Verantwortung übernommen haben.

Retten und sichern für „das Volk, das Land, die Heimat“, oder - im Zweifelsfall - in die eigene Tasche? Beweisketten existieren nicht (mehr). Vermutungen und/oder gestreute Unterstellungen sind perfekte Geheimdienstarbeit.

Dass ein bereits dargestelltes, undurchsichtiges Szenario, noch einmal eine Steigerung erfahren könnte - darum haben sich amerikanische Spezialeinheiten „gekümmert“. Ein bitteres Resümee, nicht nur in Bezug auf deutsches Kulturgut.

Die Nachverfolgung der „Daten“ sind bei den geldwerten Gütern scheinbar deutlich weniger undurchsichtig, als bei dem Kunst- und Kulturgütern. Dutzende Ordner mit Inventarlisten wurden beschlagnahmt und sind verschwunden.

„Gleiches mit Gleichem“ vergelten, „Wie du mir - so ich dir“, das biblische „Zahn um Zahn“ - Ausgleichforderungen der Siegermächte für von den Nazis geraubten oder vernichtetem Kulturgut? Bis heute gibt es, nach Mötzing, weltweit eine gigantische Suche nach Kunstschätzen aller damaligen Kriegsparteien.

Zu den genannten Spezialeinheiten gehörte auch die CIC - eine Einheit, die für Sachen zuständig war, „wofür man sich hinterher nicht entschuldigen möchte“ - und die Monuments Men, eine US-Einheit mit Kunst- und Kultursachverständigen.

Auch die Target Forces gehörten dazu. Die T-Force war der operative Arm einer gemeinsamen US-Armee-Mission mit der britischen Armee zur Sicherung der deutschen wissenschaftlichen und industriellen Technologie, bevor sie durch sich zurückziehende deutsche Streitkräfte, die Russen oder Plünderer in der Endphase des Zweiten Weltkriegs und ihrer Nachwirkungen zerstört werden konnte.

Auch Schlüsselpersonal sollte „beschlagnahmt“ und die Chancenziele ausgebeutet werden, wenn sie angetroffen wurden. Die Bemühungen waren eine geschäftliche und technologieorientierte Parallele zum Streben der Monuments Men nach Kunst und Finanzschatz (Zitat Wikipedia).

Die alliierten Spezialeinheiten hatten umfassendes Interesse an allen denkbaren Nazi-Geheimnissen. Beschlagnahmt wurden alle Unterlagen von unterstelltem (US-)nationalem Interesse. Wissenschaftlich-technische Unterlagen, aktuelle Forschungsstands-Informationen, nicht nur an erhofften waffentechnischen Geheim-Unterlagen.

Teils wurden Tresore nicht vor Ort geöffnet, sondern gleich in Gänze abtransportiert. Das Bergwerk in Merkers war ein riesengroßer Tresor. Sämtliche Transporte gingen in das Hessische-Main-Gebiet (Frankfurt und Wiesbaden).

Als die „Russen“ Ende April mit ihren Panjewagen „einmarschierten“, also angefahren kamen, waren alle „Sachen von Wert“ bereits „umgelagert“. Alle damals aufgefundenen Unterlagen, befinden sich bis heute in US-amerikanischen Archiven und „dienen der Inneren Sicherheit“ der Vereinigten Staaten.

„Verträge? Nur, wenn sie MIR nützen“ (siehe Verträge von Jalta, vom Februar 1945). Es war halt noch Krieg. Verschleiern und verdunkeln, Wahrheiten in Zweifel ziehen und Unwahrheiten streuen. Geheimdienstliche Arbeit eben.

So verliert sich manche „Spur“ im Dunkel der Geschichte. Die „Zeit“ hat ebenfalls ihr „Werk“ vollbracht und einer „Legendenbildung“ ausreichend Raum gegeben.

Nichts desto trotz, wird im weiteren Umfeld von Merkers, von sonderbaren Aktionen von „Sondengängern“ berichtet. Zu der unterstellten Wahrheit zählt aber: Der aller größte Teil der materiellen Werte (über 80 Prozent des Staatsschatzes, die Reichs-Goldreserve von 8198 Barren, im damaligen Wert von ca. 3 Mrd. Reichsmark, mit einem Gewicht von 230 Tonnen, Banknoten ca. 650 Mio. Reichsmark,  2 Mio. USD, und verschiedene weitere Währungen, ebenfalls in Millionenbeträgen) waren vorstellbar vollkommen „legale“ Bestände der Deutschen Reichsbank, Eigentum des Deutschen Volkes.

Vielleicht ebenfalls im so zu bezeichneten „Reichs- oder Volksvermögen“, große Teile der eingelagerten Werte an Silber und Platin in unterschiedlichen Auffindungsformen, in Säcken und Kisten gelegen.

Hinzu kamen die ebenfalls als „Privatbesitz“ anzusehenden Einlagerungswerte aller Berliner Großbanken. Ein weiterer, geringerer Teil, nicht nur der „eingesackten“ Goldwerte, war diverses Edelmetall-Raubgut. Von Häftlingen in verschiedenen Konzentrationslagern erbeutet und gesammelt.

Am Beispiel dieser monetären Sachwertslage ist es augenscheinlich nicht einfach, „deutsches von jüdischem“ Bankvermögen, Raubgut oder an Kunstwerten zu unterscheiden. Offensichtlich wurde einiges an Kunst-Bildmaterial aus der US-Beschlagnahmung, mit einer zeitlichen Verzögerung an ehemalige jüdische Eigentümer zurückgegeben.

Sicher hat es in dieser Angelegenheit politische Einflussnahme gegeben. Der gleiche Problemkreis wird sich vielleicht auch bei weiteren Beispielen der Kunst- und Kultureigentums-, bzw. Rückgabeproblematik wiederholen.

Vom Raubgold des Naziregimes wurde später, nach Mötzing, nach vielen internationalen Verhandlungen große Teile an die Eigentumsländer zurückgegeben. Auch die Schweiz, die mit dem Hitlerregime gute Goldumtauschgeschäfte gemacht und große Vermögen jüdischer Bürger in ihren Banken versteckt hatte, musste Betroffene entschädigen.

Einiges wurde und ist bereits abgeklärt und abgegolten, was jüdisches Eigentum betrifft. In Gänze wird es aber eine umfassende Eigentums-Gerechtigkeit niemals geben. Im Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin wird der sogenannte Welfenschatz bewahrt. Der Welfenschatz ist einer der bedeutendsten deutschen Kirchenschätze des Mittelalters.

42 Objekte des Welfenschatzes sind seit 2008 Gegenstand eines Restitutionsbegehrens: Einige Erben der jüdischen Händler, die 1935 den Schatz verkauften, halten den Verkauf für NS-verfolgungsbedingt. 2015 reichten sie eine Klage auf Herausgabe des Schatzes bei einem Gericht in Washington, D.C. (Vereinigte Staaten) ein.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist seit langem erfahren im Umgang mit NS-Raubgut und bei der Provenienzforschung. Sie hat die Umstände des Ankaufes umfassend wissenschaftlich aufgearbeitet. Dabei gelangte sie zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Rückgabe im Sinne der Washingtoner Prinzipien nicht vorliegen (Zitat: Wikipedia).

Übrigens: Die geborgenen Reichsbank-Bargeld-Bestände wurden in den westlichen Besatzungszonen als Umlauf-Zahlungsmittel – bis zur westdeutschen Währungsreform – im Juni 1948 eingesetzt. Vorläufiger Bergungsort der Edelmetallbestände war das Reichsbankgebäude in Frankfurt am Main.

Der Schatz des Priamos ist bis heute noch verschollenes „Raubgut“. Wer war der Räuber? Einer der wenigen Kunstwertgüter, die offensichtlich der Sowjetarmee in die Hände gefallen sind. Der Standort ist zwar hinlänglich bekannt, aber hinsichtlich einer gewünschten Überführung ist die Rückgabe in der gegenwärtigen Zeit sicher so undenkbar wie nie zuvor.

Nach Mötzings Recherche: Die großartigen Kunstgüter der Berliner Museen, u.a. die Nofretete Büste, Gemälde von Weltrang, der Welfenschatz usw., wurden, wie bereits erwähnt, schon Ende August 1945 in den von der amerikanischen Besatzungsmacht errichteten Collecting Point nach Wiesbaden verlagert.

Dort wurden sie mit tausenden anderer Kunstgüter (als Eigentumsgut oder Raubgut) gesichert, eingelagert, registriert, konservatorisch erhalten und sogar der interessierten deutschen und internationalen Öffentlichkeit mit großem Erfolg in Ausstellungen präsentiert.

Eine Ausnahme bildeten 202 wertvollste Gemälde, die Ende 1945 per Anordnung der amerikanischen Regierung in die USA verschifft werden mussten, dort in 14 Städten ausgestellt wurden und erst 1948 wieder nach Wiesbaden zurückkamen.

Dieses Vorgehen der amerikanischen Regierung schockte die, in der Wiesbadener „zentralen Sammelstelle“, verantwortlichen amerikanischen Kunstgutexperten, vor allem Walter I. Farmer und die anderen Monuments Men so sehr, dass sie das WIESBADENER MANIFEST gegen das Verbringen der Gemälde nach Amerika verfassten.

Diese Erklärung entwickelte später in den USA eine solche Wirkung, das sie Präsident Truman veranlasste, die Gemälde 1948 wieder nach Deutschland zurückzuführen.

Viele Kunstobjekte hatten auf einer Präsentationstour durch 14 amerikanische Städte ein riesiges Zuschauerecho. Die Rückgabe des Kunstgutes erfolgte nach der Amerikareise an westdeutsche Museen.

Nach der deutschen Einigung wurde der unersetzliche Kunstbestand, wieder auf die Berliner Museumsinsel, nun nicht mehr „im Osten“, gebracht.

1956 – nach langer treuhänderischer Verwahrung der Kunstgüter durch das Land Hessen – gelangten die letzten Kunstgüter wieder in ihre Heimat, nach Berlin zurück.

Heute faszinieren sie wieder  jährlich hunderttausende Besucher aus aller Welt im vereinten Deutschland, besonders natürlich die Büste der Nofretete als ägyptische Ikone auf der gesamtdeutschen Museumsinsel.

Alle Kunstwerte sind dem, von Hitler am 9. April erlassenen „Nero-Befehl“ glücklicher Weise, vielleicht Dank der Amis, entgangen. Ziel dieses Befehles war es, monetäre und künstlerische Werte für immer, aber mindesten für mehrere Jahre, dem Zugriff der Siegermächte zu entziehen. Sprengungen sollten nicht nur Zugangswege und im Merkerser Fall die Schachtröhren zerstören.

Einige dargestellte Fakten wurden aus „Das Ende des 2. Weltkriegs und das Schicksal von Kulturschätzen Berliner Museen“, Vortrag von Dr. Klaus Goldmann (im Plenum der Leibnitz-Sozietät am 16. Mai 2002) übernommen.

Es existieren im Heimatverein weitere Berichte von Zeitzeugen. Zum Beispiel eines Bergwerksbeschäftigten, der bei der technischen Realisierung der Inbetriebnahme der Fördertechnik behilflich sein mussten. Auch Erklärungen von damaligen Zeitzeugen im Kindes und Jugendalter. Ebenso von Herrn Dr. Deilmann, der vielfältig als Dolmetscher bei den Amis fungieren musste.

Applaus und Dank an die Protagonisten für eine unglaublich umfassende Recherche, penible Aufbereitung und Faktenzusammenstellung. Bei manchen der Zuhörer kam die Fragestellung auf: Wo hast du das denn her? Also nicht das Gold, die Information, natürlich. Passende Antwort: „von den Nibelungen!“