Leserbrief von Birgit Bittorf
April 2025, die Weidenkätzchen fangen an zu blühen, auf den Wiesen tummeln sich die Gänseblümchen. Viele Familien freuen sich auf ein paar Tage Osterurlaub. Auch ich hatte große Pläne für das Frühjahr. Denn es gab etwas zu feiern.
Ich wollte in den Ruhestand. Am meisten freute ich mich auf die gemeinsame Zeit mit meinem Enkel. Lange schon hatten wir Pläne geschmiedet, was wir alles unternehmen wollten, wenn ich in Rente gehe.
So freute ich mich schon sehr auf meinen letzten Arbeitstag. Zusammen wollten wir dann mit alkoholfreiem Sekt und Erdbeeren auf meinen neuen Lebensabschnitt anstoßen. Doch es kam alles anders.
Til erkrankte an Krebs und meine letzten Monate als Friseurin bestanden aus Hoffen und Bangen. Im August 2024 verbrachten wir seine letzten Stunden gemeinsam im Hospiz, bis er seine Augen für immer schloss.
Der Herbst verging und auch das erste Weihnachtsfest ohne ihn. Der Tag meines Renteneintritts kam immer näher. Meine Freude jedoch verflog.
Mit Tils Tod veränderte sich nicht nur mein Leben. Für viele Menschen, die ihn liebten, begann eine Zeit, in der sie einen Weg finden mussten, mit ihrer Trauer zu leben.
In meinem Leben gab es viele Höhen und Tiefen. Immer haben wir diese gemeinsam als Familie überwunden. Jeder hat sich für den anderen stark gemacht. Mein Mann und ich waren für unsere Kinder und alle, die wir lieben, stets da, wenn sie uns brauchten.
Unser Glaube und unsere Verbundenheit zueinander gaben uns Kraft und immer wieder die Zuversicht, alles schaffen zu können. So sind wir auch in dieser schweren Zeit füreinander da und geben uns Halt.
Die Anteilnahme zur Beerdigung meines Enkels war groß. Wir gestalten die Trauerfeier so, wie er es sich gewünscht hätte. Viele Menschen kamen, um ihn auf seinem letzten Gang zu begleiten. Seither sind sieben Monate vergangen und mein Herz ist schwerer als je zuvor.
Ich bin eine Oma, die im letzten Jahr ihren 13-jährigen Enkel verloren hat. Mein Herz ist voller Trauer und doch bin ich so dankbar für die Zeit, die wir miteinander verbringen durften. Ich weiß, er ist uns nur vorangegangen. Meine Liebe zu ihm ist stärker als der Tod.
Aber was mich sehr belastet, ist ein Dorf und sind die anderen Großeltern, die nun im Unfrieden im Haus mit den Eltern des verstorbenen Kindes leben. Sie lassen nichts aus, um nach Vorwürfen zu suchen.
Was tun Sie meinem Kind und meinem lebenden Enkel an? Es sind Eltern und der Bruder, die einen lieben Menschen verloren haben. Es ist die Fastenzeit, eigentlich die Zeit zur Umkehr. Ich bete jeden Tag für die Großeltern und das Dorf.
Til habe ich eine Erdbeere gehäkelt und sie ihm an meinem ersten Rententag ans Grab mitgebracht. Ganz in Rente bin ich nicht gegangen. Zu schwer fällt es mir jetzt, ohne ihn zu Hause zu sein.
Ich wünsche mir, dass unsere Familien Frieden finden und im Dorf Ruhe einkehrt, damit alle Beteiligten so trauern können, wie es für sie gut und richtig ist. Das hätte sich Til auch gewünscht.