Gipfel der Freude & Täler der Besinnlichkeit – Pfingstkonzert lockt viele Menschen nach Tann

Gastbeitrag von Kerstin Schuch

Auf eine musikalische Expedition über Berge und durch Täler begaben sich unglaublich viele Zuhörerinnen und Zuhörer am Pfingstsonntagabend in Tann.

Unter dem Motto „Berg und Tal“ fand das traditionelle Pfingstkonzert des Kirchenchores Tann in der dortigen Stadtkirche statt. Zu hören waren „Berg-Werke“ aus alter und neuer Zeit.

Gemeinsam mit dem Kirchenchor unter der Leitung von Kantor Thomas Nüdling agierten das Rathgeberensemble Fulda (Leitung: Regionalkantor Ulrich Moormann) sowie die Solisten Anna Ziert (Sopran), Georg Rupprecht (Bariton) und Christian Kraus (Trompete).

Eröffnet wurde der Abend mit dem erfrischenden Pfingstchoral „Der Geist des Herrn“: Kirchenchor, Orchester und Solisten agierten ganz im Sinne des Textes feurig und agil. Ein gelungener Einstieg.

Die um 1790 in Tann entstandene Kantate „Wie lieblich sind auf den Bergen“ Johann Michael Bachs gewinnt durch ihren Friedensappell brisante Aktualität.

Im titelgebenden Eröffnungschor ergänzten sich Kirchenchor und Rathgeberensemble als konzertierende Partner treffend. Der freudige, tänzerische Charakter der zugrundliegenden Gigue kam dabei bestens zur Geltung.

Anna Ziert berichtete im Rezitativ „Die Zeit ist da“ von Johannes dem Täufer, der den Blick auf das Glück und den Frieden der Menschen richtete.

Darauf aufbauend forderte Georg Rupprecht in seiner vielgestaltigen Arie „O suchet nicht“ angenehm auf, in der Liebe zu den Menschen deren Wohlergehen zu fördern und zu suchen.

Zwei Sätze aus Mendelssohn Oratorium „Elias“ widmeten sich der Opferungsszene auf dem Berg Horeb: Die intime Bass-Arie „Herr, Gott Abrahams“, die geradezu idyllisch von Georg Rupprecht vorgetragen wurde, mündete in den Choral „Wirf dein Anliegen auf den Herrn“, der Elias Anliegen auf die Zuhörer ins Geschehen integrierte.

Anna Ziert (Sopran) und Christian Kraus (Trompete) glänzten in der Kantate „Jauchzet Gott in allen Landen“ von Johann Sebastian Bach mit den virtuosen Linien der konzertierenden Stimmen in den Randsätzen.

Demütig hingegen gestaltete Ziert mit Continuo die Rezitativ „Wir beten zu dem Tempel an“ und die lyrische Arie „Höchster, mache deine Güte“ samt flexibler Continuogruppe. Mühelos jauchzten Sopran und Trompete durch Koloraturen und Motive.

Heinrich Schützens Vertonung des Psalms 23 „Der Herr ist mein Hirt“ begab sich ins Tal. Der Kirchenchor Tann teilt sich in zwei einzelne Chöre, die wechselweise miteinander musizierten.

Nüdling legte großen Wert auf die Darstellung der Affekte der einzelnen Verse: fließendes Wasser, tänzerisches Wandern und das immerwährende Fürsorge wurden wirksam dargestellt.

Musikalischer und auch emotionaler Höhepunkt des Abends aber war zweifelsohne die Uraufführung der Kantate über Psalm 121 „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen“ von Thomas Nüdling.

In neoromantischer Tonsprache verfasst versetzte die Komposition dank charmanter Hörner-Figuren die Zuhörer tatsächlich in eine Bergwelt, in der die Worte des Psalms lebendig und greifbar wurden. Chor und Orchester folgten dem Komponisten auf jedes Handzeichen.

Der Blick hinauf zu den Bergen im ersten Satz „Ich heben meine Augen auf“ strotzte von Erhabenheit und Optimismus.

Die Melodien des zweiten Satzes „Er wird einen Fuß nicht gleiten lassen“ verlangten nach Innigkeit; harmonische Überraschungen machten deutlich: „Der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht“, wie es im Psalm heißt.

Das abschließende Segenslied „Der Herr segne und behüte dich“ wurde seiner Bezeichnung „Andante amoroso“ uneingeschränkt gerecht: Eine graziöse, liebevolle Linie voller Hingabe lag dem Kirchenchor bestens in den Kehlen.

Die Zuhörer sprangen nach den letzten Tönen begeistert von ihren Plätzen und bejubelten diese Uraufführung und das gesamte Konzert. Dafür gab es zwei Zugaben – darunter der berühmte „Gefangenenchor“ aus Verdis Oper „Nabucco“.

Seinem Impuls stellte Prof. Dr. Christoph Gregor Müller ein Zitat voran: „Viele Wege führen zum Geheimnis Gottes, einer führt über die Berge.“

Bergerfahrungen würden als Highlights des Lebens gelten; aber gerade die Perspektive aus dem Tal heraus (wie in den musizierten Psalmen 23 und 121) ermögliche Erfahrungen einer Sehnsucht, die in Gott münde.

Das Pfingstfest schenke einen Geist, der für die größere Wirklichkeit öffne, Miteinander ermögliche, der Schwachheit aufhelfe, Kondition verleihe und Vertrauen schenke.

„Dieses Vertrauen kann dann sogar Berge versetzen“, ermutigte Müller die Zuhörerinnen und Zuhörer. Nach dem gemeinsamen Vaterunser spendete Müller gemeinsam mit Pfarrer Klaus-Dieter Inerle den Segen.