Mitteilung der Stadt Fulda
Im gut gefüllten Fürstensaal des Fuldaer Stadtschlosses ist am Donnerstag der mit 10.000 Euro dotierte Literaturpreis Fulda 2025 an Rebeca Messner verliehen worden.
Die Autorin (Jahrgang 1989) erhielt die Auszeichnung für ihren Debütroman „Wo der Name wohnt“, der in diesem Jahr im Suhrkamp-Verlag erschienen ist.
Fuldas Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld übergab den Preis bei einer Lesung Messners im Rahmen der traditionsreichen Lesereihe "Literatur im Stadtschloss".
Bei der Preisverleihung verwies er auf die große Literaturtradition der Stadt Fulda, die bis zur berühmten Klosterschule des Frühmittelalters zurückreiche.
Vor diesem Hintergrund habe man den Literaturpreis im Jahr 2019 ins Leben gerufen, erinnerte Wingenfeld. Sein besonderer Dank galt den langjährigen Partnern und Sponsoren der Lesereihe, dem Verlag Parzeller und der der Jubiläumsstiftung der Sparkasse Fulda.
Der Jury – bestehend aus den Schriftstellerinnen Anna Yeliz Schentke und Zsuzsa Bánk, der Literaturkritikerin Julia Schröder, dem Schriftsteller Christoph Peters und dem Literaturkritiker Christoph Schröder – sei es einmal mehr gelungen, aus der Fülle der Debüt-Veröffentlichungen der Buchsaison Herbst 2024/Frühjahr 2025 ein Werk herauszugreifen, das auch dauerhaft einen gewichtigen Beitrag zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur leisten könne, so der OB.
Als Laudatorin sprach Jurymitglied Anna Yeliz Schentke. Sie charakterisierte den besonderen Erzählstil der Preisträgerin („Messner schreibt ohne zu beschreiben“) und würdigte insbesondere die unaufgeregte, eindringliche Sprache, mit der sie die komplexen Familienstrukturen und das Geflecht der Generationen beleuchte.
Diese fein ziselierten Beobachtungen stünden dabei im schroffen Kontrast zu der nüchternen Verwaltungssprache der historischen Dokumente, aus denen Messner in ihrem Buch zitiert, um sich auch von dieser Seite aus der Familiengeschichte und einigen von Großeltern und Eltern lange verschwiegenen Aspekten zu nähern.
Im Anschluss las die Autorin, die von den vorangegangenen Reden und auch von dem besonderen Ambiente des fast voll besetzten barocken Festsaals sichtlich bewegt war, einige passend ausgewählte Abschnitte aus ihrem Buch.
Im Anschluss an die Lesung hatten die Gäste die Möglichkeit, am Büchertisch des Verlags Parzeller den Roman „Wo der Name wohnt“ zu erwerben und direkt von der Autorin signieren zu lassen.
Für die musikalische Umrahmung der Feierstunde hatte die Städtische Musikschule gesorgt: Daniel Nikolas Wirtz, Lehrer für Gitarre an der Musikschule, präsentierte ein zeitgenössisches Stück von Ralph Towner sowie eine Eigenkomposition, besonderen Applaus verdiente sich der Musikschüler Theo Günther (Bläserklasse Martin Klüh), der dem selten zu hörenden Euphonium bei Artur Rubinsteins Opus 3/1 zauberhafte Klänge entlockte.
Die Lesung anlässlich der Literaturpreis-Verleihung wurde aufgezeichnet und soll in gekürzter Form in der hr2-Sendereihe "Literaturland Hessen" voraussichtlich am Sonntag, 15. Juni, um 12.04 Uhr auf hr2-Kultur im Radio ausgestrahlt werden. Eine Wiederholung ist im selben Sender für Dienstag, 17. Juni, um 15.04 Uhr vorgesehen.
Zur Person & zum Werk
Ricarda Messner, geboren 1989, ist Mitbegründerin und Herausgeberin des Magazins „Flaneur“, das sich pro Ausgabe einer Straße in einer anderen Stadt widmet und mehrfach ausgezeichnet wurde.
„Wo der Name wohnt“ ist der Debütroman der Autorin, für den sie das Alfred-Döblin-Stipendium erhielt. Ricarda Messner lebt und arbeitet in Berlin.
Ricarda Messner erzählt in ihrem Debütroman vom Ort ihrer Erinnerungen, kehrt immer wieder zurück zum Leben in zwei Berliner Wohnungen. Sie befinden sich in Hausnummer 36 und 37, liegen in direkter Nachbarschaft.
Als Kind spielte die Enkeltochter Tischtennis auf dem Glastisch im Wohnzimmer der Großeltern. Als Erwachsene löst sie deren Wohnung schließlich auf, bringt Besteck, Töpfe und Musikkassetten nach nebenan zu sich.
Und sie will noch etwas bewahren: Levitanus, den Familiennamen. Der Wunsch, den Namen wieder anzunehmen, begleitet sie nicht nur im Alltag, sondern führt sie auch nach Riga.
Sie folgt den Worten ihres Urgroßvaters Salomon und findet ein Fenster im ehemaligen Rigaer Ghetto, das eng mit ihrer Familiengeschichte verknüpft ist – und sie zeichnet die Bewegungen von vier Generationen nach, vom sowjetischen Lettland der 1970er Jahre bis nach Deutschland.
Ricarda Messner nähert sich Verlusten und Lücken, verbindet Heute und Gestern. „Wo der Name wohnt“ lässt so zärtlich wie klar eine Familie aufleben und bewahrt ihre Geschichten.
In der Preis-Begründung der Jury hieß es: „Ricarda Messners Debüt ist der tastende Versuch einer Nachgeborenen, die eigene Familiengeschichte zu verstehen und die Erinnerung zu bewahren.
Ausgehend von der Erzählung einer ungewöhnlichen Enkelin-Großmutter-Beziehung umkreist der Roman in Fundstücken und Rekonstruktionen die nationalsozialistischen Verbrechen in Lettland. ,Wo der Name wohnt‘ findet eine zugleich leise aber auch eindringliche Sprache dafür, wie Verluste im Raum der Emotion und Intuition weiterwirken und wie sie Generationen durchdringen.“
Hintergrund – Literaturpreis Fulda
Der mit 10.000 Euro dotierte Literaturpreis Fulda wird seit 2019 jährlich für das beste Romandebüt der Saison vergeben. Erste Preisträgerin war 2019 Johanna Maxl mit ihrem Roman „Unser großes Album elektrischer Tage“.
2020 ging die Auszeichnung der Stadt Fulda zu gleichen Teilen an Nadine Schneider für „Drei Kilometer“ und an Olivia Wenzel für „1000 Serpentinen Angst“. 2021 wurde Timon Karl Kaleyta für „Die Geschichte eines einfachen Mannes“ mit dem Literaturpreis Fulda gewürdigt.
2022 erhielt den Preis Edgar Selge für sein Buch „Hast du uns endlich gefunden“. 2023 nahm Silke Stamm die Würdigung für ihren Band „Hohe Berge“ entgegen. 2024 ging die Auszeichnung an Konstantin Ferstl für seinen Roman „Die blaue Grenze“.