Beitrag von Rüdiger Christ
Wo einst Stacheldraht, Zäune und Wachtürme Deutschland in Ost und West trennten, gedeiht heute ein grünes Band des Lebens. Natur, Begegnung und Hoffnung auf eine friedlichere Zukunft.
Das Grüne Band , ein etwa 1.400 Kilometer langer ehemaliger innerdeutscher Grenzstreifen, ist heute ein bedeutendes Symbol für die friedliche Revolution von 1989 und die Wiedervereinigung Deutschlands. Aus einem Ort der Trennung ist ein Raum der Verbindung geworden.
Nicht nur Pflanzen und Tiere finden entlang des Grünen Bandes neue Lebensräume. Auch Menschen begegnen sich dort, tauschen sich aus und lassen Grenzen in den Köpfen verschwinden.
Immer mehr Menschen entdecken den historischen Pfad für sich, als Wanderweg, als Erinnerungsort, als Symbol für das Zusammenwachsen.
Einer von ihnen: Günter Polauke, 76 Jahre alt, Berliner und eine schillernde Figur der deutschen Zeitgeschichte.
Vom SED-Funktionär zum Friedenswanderer
Polauke ist kein gewöhnlicher Wanderer. Der ehemalige SED-Bezirksbürgermeister von Berlin-Treptow war von 1986 bis zum politischen Umbruch 1989 Teil der DDR-Machtstruktur. Nach der Wende trat er freiwillig zurück. 1993 wurde er wegen Wahlfälschung verurteilt , ein dunkles Kapitel, das damals für Aufsehen sorgte.
Doch seine Biografie endet nicht in der Vergangenheit. Nach dem Systemwechsel schlug Polauke einen vollkommen neuen Weg ein, vom Leergutsortierer in einer Berliner HO-Kaufhalle arbeitete er sich bis zum Manager in einem internationalen Immobilienkonzern hoch.
Auch sportlich blieb er aktiv, unter anderem als langjähriger Präsident des Berliner TSC, ist er heute dessen Ehrenpräsident. 12 Mal nahm er erfolgreich am berühmten Wasalauf in Schweden teil, den Rennsteiglauf absolvierte er jährlich.
Grenzerfahrung neu erlebt
Heute begibt sich Polauke erneut an die ehemalige Grenze, aber nicht mehr in Uniform und mit Kalaschnikow, so wie als 18-jähriger DDR-Grenzsoldat, sondern mit Wanderschuhen und Friedenswillen. Seine aktuelle Tour über das Grüne Band versteht er als persönlichen „Lauf für den Frieden“.
Vor wenigen Tagen war er in der Rhön unterwegs, auf einem besonders geschichtsträchtigen Abschnitt zwischen Point Alpha und Vacha. Begleitet wurde er von einem Israeli, David Shalom, für den die Wanderung entlang des früheren Todesstreifens ein zutiefst bewegendes Erlebnis war.
Polauke schilderte eindrücklich die Funktionsweise der einstigen Grenzanlagen und die politische Situation der damaligen Zeit. In den Gesprächen unterwegs wurde deutlich: Die friedliche Revolution von 1989 ist für ihn ein Vorbild, wie scheinbar unüberwindbare Konflikte ohne Blutvergießen gelöst werden können.
Begegnung, Dialog, Hoffnung
„Ich frage mich, ob wir heute wirklich alle Möglichkeiten ausschöpfen, um den Frieden zu bewahren und neue Wege der Verständigung zu finden“, so Polauke.
Auf seiner Wanderung sucht er bewusst das Gespräch mit den Menschen entlang der Strecke. Dabei begegnet ihm oft eine Mischung aus Angst vor neuen Kriegen und Hoffnung auf Versöhnung.
Beim Abschied an einem ehemaligen Grenzturm nahmen wir beide diese Hoffnung mit, jeder auf seinem weiteren Weg.
Weitere Eindrücke und aktuelle Stationen von Günter Polaukes Wanderung über das Grüne Band finden Sie auf seinem Instagram-Kanal: instagram.com/guenter_polauke


