Vortrag von Historiker Dr. Jens Schöne: Politische Ziele diktierten die Wirtschaftsform

Gastbeitrag von Wolfgang Weber

2025 jährt sich die Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ), die zur entschädigungslosen Enteignung von Großgrundbesitzern führte und die Besitzverhältnisse von rund 3,3 Mio. Hektar Land veränderte, zum 80. Mal.

Dr. Jens Schöne fragte nach Akteuren sowie Entscheidungsträgern der Bodenreform, benannte ihre Folgen und skizzierte so das Bild einer Wirtschaftspolitik in der SBZ und späteren DDR, die durch ihre ideologische Prägung zwangsläufig an wirtschaftliche Grenzen stoßen musste.

Als die Bodenreform am 2. September 1945 verkündet wurde, waren alle Entscheidungen zuvor von der sowjetischen Führung in Moskau gefällt worden: Bei einem Treffen deutscher Kommunisten und der KPdSU-Führung im Juni 1945 wurde die Reform für das laufende Jahr angesetzt.

Damit waren die Weichen für die Bodenreform gestellt, wobei Schöne betonte, dass sowjetische Stellen federführend agiert hätten – der Aktionsradius deutscher Behörden hingegen sei zu diesem Zeitpunkt noch stark eingeschränkt gewesen.

Aus diesen politischen Überlegungen folgte die Verkündung der Bodenreform und ihre Umsetzung. Dabei wurden Landbesitzer mit Betrieben von mehr als 100 ha über die Enteignung in Kenntnis gesetzt, von ihrem Land entfernt und ausgesiedelt.

Allein dabei handelte es sich um ca. 7.500 landwirtschaftliche Betriebe; hinzu kamen 4.000 weitere Betriebe von tatsächlichen sowie vermeintlichen Nationalsozialisten und Kriegsverbrechern.

Damit wurden rund 27 Prozent der Landflächen der SBZ verstaatlicht und anschließend an sogenannte Neubauern überantwortet.

Schöne erklärte: Aufgrund der hohen Zahl an Flüchtlingen aus den ehemals deutschen Gebieten habe hoher Bedarf an Land bestanden, sodass die Umverteilung im ersten Moment sinnvoll erscheinen könne.

Tatsächlich überwogen die negativen Konsequenzen: Die Bewirtschaftung der Landflächen war nicht sichergestellt und die Ernte geriet in Gefahr.

Dennoch hielt die sowjetische Führung an ihrer Entscheidung fest, sei doch das Ziel nicht nur die bloße Umverteilung oder die Sicherung von Nahrung, sondern auch die Etablierung einer neuen sozialen Gruppe gewesen.

„Klein- und Mittelbauern sollten die Machtbasis der Kommunisten auf dem Land bilden“, verdeutlichte Jens Schöne.

Als die Sowjetische Militäradministration in Deutschland am 1. Juni 1948 die Bodenreform für abgeschlossen erklärte, waren ihre Probleme jedoch nicht gelöst.

Daher gab Stalin im April 1952 den Anstoß zur Kollektivierung, deren Durchführung aber in der Hand der SED gelegen habe. Im Oktober 1952 wurden Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) gegründet, denen landwirtschaftliche Betriebe beitreten konnten.

Schöne beschrieb, dass ab November 1952 allerdings vermehrt zum Betritt genötigt wurde, um das Bestehen der LPG zu sichern. Das kompromisslose Vorgehen der SED-Regierung habe sich schließlich in der steigenden Zahl an republikflüchtigen Bauern niedergeschlagen, was wiederum die wirtschaftliche Lage verschlechterte.

Trotz einer Aufforderung der sowjetischen Führung aus Moskau, die Kollektivierung zu beenden, hielt die SED an ihrem Kurs fest, wenngleich sie in einem von Moskau diktierten Pressetext ihre Fehler sogar öffentlich eingestand.

In dieser Vermeidung von Kursanpassungen sah Schöne eine der maßgeblichen Ursachen für den Volksaufstand des 17. Juni 1953, in dem er die Rolle der Bauern bei Aufständen auf den Dörfern hervorhob.

Doch mit Hilfe der sowjetischen Panzer blieb die SED-Führung fest im Sattel und setzte die Kollektivierung fort. Im Januar 1960 wurden die verbleibenden Betriebe endgültig zum Beitritt in die LPG gezwungen.

Schöne betonte, dass es dazu keinen Anstoß durch die KPdSU gegeben, sondern die SED-Führung selbstständig gehandelt habe.

Aufgrund der fehlenden Freiwilligkeit und der Republikflucht sei die kollektive Landwirtschaft jedoch nach wie vor in Gefahr gewesen. Die einzige Lösung bestand für die SED-Machthaber in einer vollständigen Schließung der Grenze.

„Die Bevölkerung musste eingemauert werden“, hielt Schöne fest, „um die Grundstruktur für die Landwirtschaft und einen geschützten Markt zu schaffen“, woraus sich allmählich einer der führenden Wirtschaftszweige der DDR entwickeln sollte.

Zu Beginn hatte Philipp Metzler, Vorstand der Point Alpha Stiftung, die Gäste im Forum der Gedenkstätte Point Alpha begrüßt.

Zudem stellte er den Referenten vor: Dr. Jens Schöne ist stellvertretender Berliner Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und war von 2007 bis 2022 Lehrbeauftragter an der dortigen Humboldt-Universität zu Berlin.

Er forscht zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der DDR sowie zu verschiedenen Themen in ländlichen Milieus.

Seine 2005 erschienene Dissertation mit dem Titel „Frühling auf dem Lande? Die Kollektivierung der DDR-Landwirtschaft“ war eine der Grundlagen des Vortrags.