Offener Brief der Unterstützer für den Erhalt des Schulstandortes Wiesenthal/ Rhön
Sehr geehrter Herr Dr. Brodführer und Abgeordnete des Kreistages,
Es sind nun einige Wochen vergangen, seit dem Sie uns in unserer Gemeinde, anlässlich der geplanten Schulschließung, besucht haben. Wir bedanken uns noch einmal bei Ihnen für Ihr Kommen, dennoch haben wir diesen Tag mit gemischten Gefühlen in Erinnerung.
Sie reden von dem freundlichsten Landkreis, den Sie anstreben, sorgen aber gleichzeitig für eine geplante Schulschließung. Unter einem freundlichen Landkreis verstehen wir, einen Landkreis, der alle Bürger versteht, ihre Probleme und Sorgen wahrnimmt und für ein gutes Miteinander sorgt.
Bei dem Wort „freundlich“ denken wir an kinderfreundlich, familienfreundlich und bürgerfreundlich. In dem Bürgerdialog haben Sie ihre Meinung, den Schulstandort aufzugeben und die verbleibenden Schüler auf eine andere Grundschule aufzuteilen deutlich gemacht.
Doch da stellt sich für uns immer und immer wieder folgende Frage: „Wie kinderfreundlich ist unser Landkreis?“
In unserer ca. 700 Einwohnergemeinde steht ein Schulgebäude in gutem Zustand. Helle, offene Räume laden zum Lernen ein.
Eine Dorfschule mit Tradition, aufgebaut mit Unterstützung der Dorfbewohner und fast jeder Bewohner unseres Ortes (welcher jünger als ca. 55 Jahre alt ist) hat diese Schule als Schüler einmal selbst besucht.
In diesem Zusammenhang möchten wir Ihnen eine kleine Geschichte der kindlichen Entwicklung (aus Sicht eines Kindes im Jahr 2025) erzählen.
Stellen Sie sich einmal vor, ein Schulkind in der heutigen Zeit zu sein. Eine Welt voller Reize... Smartphones im Kleinkindalter, ständiger Lärm durch Fahrzeuge und Eltern, die viele Sorgen plagen (z.B. unsichere Arbeitsverhältnisse durch mangelnde Jobangebote, Inflation und eine Welt voller Krisen...).
Mit 7 Jahren besuchen Sie die Grundschule im Nachbarort. Ihr Kopf bereits voller Gedanken, Sie sitzen Im Klassenraum und schauen aus dem Fenster, nicht weil sie nicht zuhören möchten, nein weil sie Ruhe brauchen, eine Pause im doch so überreizten Alltag... und was sehen sie unruhige Straßen, Fahrzeuge, eine größere Firma in der Ferne... .
Ihre Gedanken kreisen, aber finden keine Ruhe. Sie sehen viel, aber nichts, in denen Sie eine kleine Pause sehen. Der Klassenraum ist voll, Kinder aus vielen Orten finden sich hier zusammen. Durch die hohe Kinderzahl ist es unruhig.
Und nun stellen Sie sich die selbe Situation noch einmal mit unserer Grundschule vor. Sie schauen aus dem Fenster und sehen... eine angenehme Atmosphäre.
Ein ruhiges Schulgelände, Bäume deren Blätter langsam zu Boden fallen. Ihre Gedanken finden sich und Sie haben neue Energie dem weiteren Verlauf des Unterrichts zu folgen. Die Klasse ist nicht groß, ältere und jüngere Schüler, die sie bereits aus dem Kindergarten kennen, lernen mit Ihnen.
Vielleicht erscheint Ihnen dieser Text jetzt mehr als merkwürdig und wahrscheinlich sogar ein wenig witzig, dennoch sind das Probleme, die Kinder heutzutage verändern und in ihrer Entwicklung hemmen können.
Eine permanente Reizüberflutung & ein erhöhter Stresslevel sorgen für ein größeres Risiko, verschiedene physischen sowie psychischen Erkrankungen zu bekommen (z.B. Kopfschmerzen, Bauschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten...).
Dies muss nicht immer der Fall sein, doch gerade heutzutage in dieser schnelllebigen Zeit, in denen Kinder schon viel zu wenig gesehen werden, sollten wir kleine Schulen erhalten. Hier könnten wir vorbeugend dazu beitragen, solche Krankheiten zu minimieren.
Aus diesen für die Entwicklung eines Kindes wichtigen gründen sind kleine, ruhig gelegene Schulen von enormer Bedeutung, um auch in Zukunft eine gute Schulbildung für ALLE Kinder zu gewährleisten.
„Etwa zehn Prozent der Menschen in Deutschland leben mit Behinderungen. Aber nur in wenigen Freundeskreisen oder Arbeitsumfeldern hat jede zehnte Person eine Behinderung. Das liegt vor allem daran, dass es in Deutschland nach wie vor exklusive Strukturen gibt.
Menschen mit Behinderung werden oft gesondert beschult, leben in besonderen Wohneinrichtungen oder arbeiten in speziellen Werkstätten für behinderte Menschen. Das führt dazu, dass sie nicht Teil der "Mehrheitsgesellschaft" sind.
Behinderte Menschen werden nicht mitgedacht, Ausschlüsse und Berührungsängste entstehen. Viele Menschen mit Behinderungen stoßen auf Barrieren, die ihre Teilhabe einschränken.
Nicht nur physische Barrieren, wie zum Beispiel eine Treppe, sondern auch unzureichende Kommunikation oder Informationen sowie Vorurteile und Diskriminierung tragen dazu bei, dass Menschen mit Behinderungen ausgeschlossen werden.“
Quelle: Inklusion – Was ist gemeint, und warum ist es wichtig? | Deutsches Stiftungszentrum
Für Menschen ohne körperliche Einschränkungen ist es nur eine Treppe, für Menschen mit Behinderung eine unüberwindbare Hürde. Unsere Grundschule bietet sofort die Möglichkeit auf Menschen mit körperlichen Einschränkungen einzugehen und diese in allen Räumen des Hauses zu beschulen.
Wo sich für uns wieder die Frage stellt „Sind wir ein teilhabefreundlicher Landkreis?“ wenn wir dieses Haus mit großem Potenzial schließen.
An unserem Schulgebäude ist eine Turnhalle angebaut. Diese ist nicht nur für den Sportunterricht der Schule wichtig, sondern auch für den Ort. Nachmittags finden hier verschiedene Aktivitäten für jung und alt statt. Die Menschen treffen sich, sie unterhalten sich und gehen mit positiven Gefühlen aus dem Gebäude.
Auf dem naturnahen Schulgelände befindet sich zudem der Spielplatz des Ortes. „Wenn man genügend spielt, solange man klein ist – dann trägt man Schätze mit sich herum, aus denen man später sein ganzes Leben lang schöpfen kann. Dann weiß man, was es heißt, in sich eine warme, geheime Welt zu haben, die einem Kraft gibt, wenn das Leben schwer wird.“ - Astrid Lindgren
Wird unsere Schule geschlossen und an Dritte verkauft wird auch der Spielplatz des Ortes unsicher und könnte von einer Schließung betroffen sein.
Der Ort würde viel mehr verlieren als nur einen Spielplatz, er würde einen Treffpunkt im Ort verlieren. Einen Raum für Kinder und Familien.
So wird aus einem kinderfreundlichem Ort, ein Ort, der für junge Familien und Kinder unattraktiv wird, oder besser gesagt "die unfreundlichste Gemeinde des Landkreises?".
Neben dem Schulgebäude befindet sich angrenzend unser Schwimmbad. Hier erlernen schon seit vielen Generationen Jung und Alt das Schwimmen.
"Die Zahl der Grundschulkinder in Deutschland, die nicht schwimmen können, hat sich verdoppelt. Zu diesem Ergebnis kam eine repräsentative Umfrage von forsa im Jahr 2022." - Quelle: Schwimmfähigkeit | DLRG e.V.
In diesem Artikel wird zudem deutlich, dass Kinder mit einem Schwimmbad in Ortsnähe besser schwimmen können, als Kinder ohne. Die Kinder unserer Grundschule gehen im Sommer jederzeit mit dem Schulhort in das Schwimmbad.
Dieser frühe und intensive Kontakt mit dem Wasser, unterstützt nachweislich die Entwicklung der Schwimmfähigkeit.
Eine Schule im Ort ist so viel mehr als nur ein Raum der Bildung. Es ist ein Raum der Begegnung, der Gemeinschaft und ein wichtiger Raum der kindlichen Entwicklung.
Wir könnten diesen Brief noch mit vielen weiteren wichtigen Aspekten für den Erhalt dieser kleinen Dorfschule füllen, doch wir haben uns für die für uns Wichtigsten entschieden.
Die Gemeinde Wiesenthal hat sehr gute Bedingungen, ein tiefes Gemeinschaftsgefühl für alle Kinder zu bieten. Die Grundschule in Wiesenthal erfüllt durch die Infrastruktur alle Voraussetzungen, dass sich starke und gesunde Kinder entwickeln können.
Lieber Herr Dr. Brodführer und alle Abgeordneten des Kreistages lassen Sie Zahlen nicht das letzte Wort haben, entscheiden Sie sich für die Kinder, für die Familien und für eine wirklich kinderfreundliche Gemeinde. Denn Kinder sind unsere Zukunft und das Wichtigste was wir Erwachsene schützen sollten.
Mit freundlichen Grüßen
Unterstützer für den Erhalt des Schulstandortes Wiesenthal/ Rhön