Gastbeitrag von Wolfgang Weber
Was Monika Haeger im übereifrigen Dienst für die aus ihrer Sicht gute Sache mit Stolz erfüllt, stürzt andere ins Verderben: Im vollbesetzten Haus auf der Grenze von Point Alpha gab es für das Mono-Theaterstück „Inside Stasi“ zum Lohn kräftigen Beifall.
Die Aufführung erzählt entlang der Erinnerungen der Ex-Stasi-Agentin DDR-Geschichte und zeigt SED-Unrecht. Eingangs begrüßt wurden die Gäste von Philipp Metzler, Vorstand der Point Alpha Stiftung, der sich zugleich bei der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung (HLZ) für die Kooperation bedankte.
Ein karg möbliertes Dienstzimmer, ein Sessel mit dunkelrotem Bezug, ein Holzstuhl und ein Tisch. An der Wand das Porträt von Erich Honecker und die DDR-Fahne.
Die Zuschauer ahnen, sie befinden sich in mehreren situativen Kontexten des Überwachungsstaats, in dem Genosse Generalmajor Erich Mielke rund 32 Jahre lang die Fäden in der Hand und das Volk in Schach hielt.
Nun steht hier die Schauspielerin Anja Kimmelmann, schlüpft dort in die Rolle der ehemaligen Stasi-Agentin Haeger (1945 bis 2006) und erzählt, wie und warum sie ohne mit der Wimper zu zucken gelogen, betrogen, geschnüffelt und verraten hat.
Als Heimkind auf linientreuen Sozialismus gedrillt, zeichnet Haeger ihren Weg und ihr unheilvolles Wirken von der überzeugten DDR-Bürgerin, zur Informellen Mitarbeiterin (IM) bis zur hauptamtlichen Agentin nach. Skrupel hatte Haeger keine.
Denn, „wenn man auf der richtigen Seite steht, ist alles gerechtfertigt.“ Der Darstellerin Kimmelmann gelingt es, mit Gestik, Mimik und Körperhaltung den Enthusiasmus, Erfolge und Enttäuschungen der Überzeugungstäterin zu transportieren.
Angesetzt ist Haeger vor allem auf die Frauengruppe und die Bürgerrechtsbewegung um Bärbel Bohley, während der Friedlichen Revolution eine der führenden Köpfe im „Neuen Forum“. Haeger erweist sich in diesem Umfeld als wahre Meisterin der Zersetzung.
Andersdenkende und Einzelne zählen im Kollektiv nichts. Zweifel und ein schlechtes Gewissen werden im Kampf gegen die Feinde des Staates und für eine bessere Zukunft daher ignoriert. Ihre Informationen führen zu Verhaftungen, Verhören, Gefängnisstrafen und gar Abschiebungen ihrer Zielpersonen.
Unterbrochen wird der Monolog Haegers durch die Schilderungen der Opfer. Die Stimmen vom Tonband berichten über initiierte Verleumdungen in Beruf und Privatleben, Wohnungsdurchsuchungen, überfallartige Verhaftungen, Scheinhinrichtungen, brutale Erlebnisse im Frauengefängnis Hoheneck, im Jugendwerkhof Torgau oder in „Speziallagern“ wie Buchenwald oder Mühlberg.
Gehört werden auch Angehörige von Mauertoten und ebenso wird der Volksaufstand von 1953 thematisiert. Haeger aber lebt und liebt das System, will nur das Beste für sich und den Sozialismus.
Erst als 1989 die DDR zusammenbricht, resigniert sie. Sie setzt einen Schlusspunkt, gibt halbherzig vor, zu bereuen. Aber man mag es ihr einfach nicht abnehmen.
Im Anschluss an die Vorstellung folgte eine Frage- und Diskussionsrunde mit der Regisseurin, der Darstellerin und Interessierten im Publikum, wobei unter anderem über Haegers Beweggründe und Gegenwartsbezüge in der Legitimierung von Unrecht und Totalitarismus diskutiert wurden. Auch mehrere Zeitzeugen im Publikum kamen dabei zu Wort und bereicherten die Diskussion mit eigenen Impulsen.
„Was ist aus den Stasi-Leuten geworden, die das verbrochen haben?“ lautete die erste Frage. „Wenn es überhaupt Konsequenzen gab, waren diese bis auf wenige Ausnahmen milde, oft nur Geldstrafen oder Verwarnungen“, erläuterte die Autorin, Produzentin und Regisseurin Nicole Heinrich.
Die Hamburgerin betonte im Verlauf, dass man auch heute überall der „Haeger-Haltung“ begegne. Haeger-Haltung sei, wenn man seine Ideologie – so wie es alle Extremisten in der Gegenwart ebenfalls tun - ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen will, weil man glaubt für etwas Besseres zu handeln.
„Aber egal wie gut oder richtig eine Haltung auch sein mag, der Kern einer Unmenschlichkeit bleibt, wenn man sie unerbittlich und mit Gewalt durchsetzen will. Wenn wir nicht mehr miteinander diskutieren und uns zuhören und mit allen Mittel nur die eigene Meinung gelten lassen, führt das zur Diktatur...“.