„The Dark Side Of The GDR“ auf der Bühne der Gedenkstätte Point Alpha

Gastbeitrag von Wolfgang Weber

Rhythmisch, humorvoll, ehrlich und berührend: „The Dark Side Of The GDR“ – eine szenischen Lesung mit musikalischer Begleitung – auf der Bühne der Gedenkstätte Point Alpha hat Eindruck hinterlassen.

Zwei Künstlerinnen berichteten von ihrem Aufwachsen in der DDR. Dies klingt zunächst nicht ungewöhnlich – doch sowohl Bibiana Malay als auch Grit Díaz de Acre haben afrikanische Väter und fielen vor allem durch ihre Hautfarbe in ihrer Geburts- und Heimatstadt Ost-Berlin auf.

Als erwachsene Frauen lernten sich die beiden kennen und realisierten, dass sie ähnliche Ausgrenzungserfahrungen in ihrer Kindheit und Jugend gemacht hatten.

Diese Überschneidungen haben sie in einem abwechslungsreichen Bühnenstück künstlerisch zusammengeführt und nun auch im Haus auf der Grenze aufgeführt.

Obwohl beide Mädchen in ihrer Schulzeit hervorragende Leistungen erbrachten und diese Grit Díaz de Acre sogar bis in die „Pionierrepublik Wilhelm Pieck“ führten, gab es stets ein Gefühl der Ablehnung und Fremdheit.

„Als Kinder und Jugendliche haben wir immer wieder Ausgrenzung erfahren. Irgendwie gehörten wir nicht richtig dazu“, erinnern sich Bibiana Malay und Grit Díaz de Acre bei ihrem Auftritt.

Dies geschah einerseits durch offenen zur Schau gestellten Rassismus oder subtile Andeutungen, andererseits aber auch z.B. über Kinderlieder, die sich bestimmter – scheinbar harmloser – Stereotype wie selbstverständlich bedienten.

Selbst das Ministerium für Staatssicherheit, das Berichte über die beiden Heranwachsenden abfasste, griff in diesen immer wieder auf Formulierungen, Begriffe und Bewertungen zurück, die tief blicken lassen.

Neben selbstgeschriebenen Musikstücken zitierte Bibiana Malay wiederholt entsprechende Passagen aus der Stasi-Akte ihrer Mutter, die die Unterschiede zwischen Bibiana und ihren Mitschülern explizit hervorhob.

Begriffe wie „Mulattin“ oder „Zigeunerin“ waren also nicht nur Worte, die ihre direkten Gegenüber mitunter als Beleidigungen verwendeten, sondern auch die staatliche Überwachung, wenn sie Malay und Díaz de Acre beschrieben.

Die Väter der beiden Mädchen kamen als Studenten aus Somalia respektive Ägypten in den Arbeiter- und Bauernstaat. Sie sollten in der DDR nicht nur eine fachliche Ausbildung, sondern auch das politische Rüstzeug des Sozialismus erlernen.

Sie verliebten sich in Ostberlinerinnen, blieben aber nicht dauerhaft im Land, sondern verließen es wieder – so, wie es die DDR-Führung für ausländische Studierende vorgesehen hatte.

Dass „Vertragsarbeiter“ und „Studiengäste“ Familien gründeten, war hingegen nicht intendiert. Der Umgang mit äußerlich fremd erscheinenden Menschen stellte viele Menschen in der konformistisch geprägten DDR-Gesellschaft offensichtlich vor eine große Herausforderung, die schließlich in Ablehnung resultierte.

Da half es auch nichts, dass – um am Beispiel zu bleiben – beide Frauen perfekt im Berliner Dialekt schnodderten beziehungsweise schnoddern können.

Besonders offenkundig wurde die Doppelmoral, wenn einerseits „Völkerfreundschaft“ gepredigt, aber sie in der Praxis nur von wenigen gelebt wurde – von „Integration“ der Menschen aus sogenannten „Bruderstaaten“ ganz zu schweigen.

Viel mehr herrschte, insbesondere gegenüber afrikanischen Staaten, ein paternalistischer Geist vor, der sich als erzieherisch und belehrend beschreiben und in mannigfaltiger Form wiederfinden lässt. Auch dies spiegelte das Bühnenprogramm wider.

Welche Rolle für die jungen Frauen letztlich in der DDR vorgesehen war, die zwar in den Jugendorganisationen eingebunden, aber doch nie „richtig“ zur DDR-Gesellschaft dazugehörten, bleibt ungeklärt.

Der Untergang der DDR und damit das Ende einer vermeintlich klassen- wie unterschiedslosen Gesellschaft beendete den Fortlauf dieser Geschichte.

Am Ende des schwungvollen und erkenntnisfördernden Programms stellten sich die Künstlerinnen den Fragen des Publikums. „Wie behält man sich unter diesen Umständen dennoch die Lebensfreude?“, wollte eine Zuhörerin wissen.

Malay betonte, dass Musik und Schauspielerei ihr geholfen hätten, diese Zeit zu überstehen. Hier sei sie zudem mit Menschen in Kontakt die gekommen, die auch aus anderen Gründen Diskriminierung in der DDR erfahren haben.

Auf die Frage nach der Bedeutung der Wende positionierte sich Malay eindeutig und bezeichnete diese als „echte Befreiung“, die ihr endlich Freiraum und Luft zum Atmen verschafft habe.

Díaz de Acre ermunterte alle Gäste, darunter insbesondere die Schüler des Leistungskurses Geschichte des Freiherr-vom-Stein Gymnasiums Fulda, auch in der Familie Fragen zu stellen und sich privat mit der Geschichte und Gesellschaft auseinanderzusetzen.

Aline Gros, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Point Alpha Stiftung, bedankte sich bei den Künstlerinnen für ihre kraftvolle und mutige Darbietung, allen Gästen für den Besuch sowie der Bundesstiftung Aufarbeitung als Kooperationspartner. Abschließend konnten sich alle bei einem Stehempfang stärken und im direkten Gespräch weiter austauschen.