Trinkhallengespräche in Bad Salzungen: Würdevolles Sterben als gesellschaftliche Aufgabe

Gastbeitrag von Julia Otto

Nach längerer Pause fanden am Mittwochabend die traditionellen Trinkhallengespräche in der historischen Trinkhalle am Gradierwerk ihre Fortsetzung.

Rund 20 Gäste diskutierten das brisante Thema „Reden über das Ende – Ethische Fragen am Ende des Lebens".

Die ökumenische Veranstaltung wurde von der Ev.-Luth. Kirchgemeinde Bad Salzungen, der Kath. Pfarrei St. Elisabeth Eisenach sowie dem Katholischen Forum im Land Thüringen organisiert.

„Wir wollen versuchen, hier wieder zweimal im Jahr ins Gespräch zu kommen über gesellschaftlich relevante Themen an dieser Schnittstelle Kirche und Gesellschaft“, so Pfarrer Karl Weber.

Zum Auftakt stand das hochaktuelle und emotional bewegende Thema „Begleitete Sterbehilfe und assistierter Suizid“ im Mittelpunkt.

„Wie ist das denn mal, wenn ich ans Ende komme – und wie möchte ich denn, dass das abläuft und was mit mir passiert? Und da gibt es vielleicht noch ganz viele unaufgeräumte Fragen“, sagte Pfarrer Christian Bock.

„Deshalb war unsere Idee, kompetente Gäste aus verschiedenen Bereichen einzuladen, die zu diesem Thema etwas sagen und beitragen können.“

Der Abend wurde von Hans Plager eröffnet. Plager leitete über viele Jahre das Hospiz in Eisenach und berichtete eindrucksvoll von seiner Arbeit und den Herausforderungen der Hospizarbeit: „Die Einsamkeit der Betroffenen ist oft der schwerste Schmerz – keine Medikation kann diesem Gefühl entgegenwirken.“

Danach richtete Niklas Wagner vom Katholischen Forum in Erfurt die Fragen an die drei Podiumsgäste. Dabei wurde drei unterschiedliche Perspektiven in einer kontroversen Debatte deutlich:

Prof. Dr. Katharina Klöckner (Moraltheologin, Universität Erfurt), Regionalbischöfin Dr. Frederike Spengler (Ev. Kirche in Mitteldeutschland) und Prof. Dr. med. Winfried Meißner (Palliativ- und Notfallmedizin, Uni Jena) beleuchteten das Spannungsfeld zwischen assistiertem Suizid, Palliativmedizin und kirchlicher Ethik aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Regionalbischöfin Dr. Frederike Spengler, ehemalige Krankenschwester und ehrenamtliche Vorsitzende des Thüringer Palliativ- und Hospizverbandes, berichtete von ihren Erfahrungen in der DDR-Zeit, als das Personal oft hilflos war, wenn es um den Tod ging.

Durch die Bürgerbewegung der 1980er Jahre sei sie für das Hospizwesen begeistert worden, das versuchte, den Tod wieder in die Mitte der Gesellschaft zu holen.

Sie betonte: Der Wunsch nach assistiertem Suizid gehe oft zurück, wenn Patienten gute Begleitung erhalten. „Es geht nicht darum, diese Frage vom Tisch zu wischen, sondern den Dialog zu suchen und den Menschen zu zeigen, dass es auch andere Wege gibt."

Prof. Dr. med. Winfried Meißner schilderte, wie er als Notarzt erkannte, dass viele Patienten zum Sterben in die Notaufnahme kamen – nicht weil sie dort die richtige Hilfe bekamen, sondern weil es keine anderen Angebote gab.

Aus dieser Erfahrung entwickelte er seinen Wunsch, Menschen ein besseres Angebot zu machen und ihre letzten Tage mit einem besseren Verständnis für körperliche und seelische Bedürfnisse zu begleiten.

Prof. Dr. Katharina Klöckner überraschte mit einer differenzierten katholischen Position. Zwar erläuterte sie die offizielle Ablehnung des assistierten Suizids durch die Kirche als „mörderische Handlung“, hinterfragte aber zugleich kritisch die traditionelle Denkfigur vom „Leben als Geschenk Gottes, das man nicht zurückgeben dürfe.“

Sie machte die Selbstbestimmung stark – eine Position, die das Bundesverfassungsgericht 2020 gestärkt hat – und betonte das schwierige Gleichgewicht zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge. Die Moraltheologie müsse einen Raum schaffen, in dem diese Spannungen ausgehalten werden können.

Konsens: Sterben muss wieder Thema werden

Trotz unterschiedlicher Positionen zum assistierten Suizid einigten sich die Diskutanten am Ende auf einen grundlegenden Konsens: Würdevolles Sterben geht weit über die Frage der Sterbehilfe hinaus.

Pflegenotstand, Situation in Altenheimen, Patientenverfügungen, Vorsorgevollmacht und Übermedikalisierung am Lebensende – all diese Themen müssen dringend in den gesellschaftlichen Dialog.

„Jeder hat das Recht, dass wir uns ihm zuwenden und gemeinsam nach Lösungen suchen“, appellierte Dr. Spengler. Der Tod müsse wieder in die Mitte der Gesellschaft geholt werden – in Familien, im persönlichen Gespräch, im öffentlichen Diskurs.

Die Veranstaltung zeigte: Über das Ende zu reden bedeutet auch, über das Leben zu sprechen – und darüber, wie wir als Gesellschaft mit Würde, Fürsorge und Selbstbestimmung mit diesem Thema umgehen wollen.