Gastbeitrag von Michael Knauf
Stadtlengsfeld liegt im Feldatal, in der thüringischen Rhön und ist seit 2019 ein Ortsteil der Gemeinde Dermbach im Wartburgkreis.
Der Basaltkegel Baier (714 m N/N) befindet sich etwa 3 bis 4 Kilometer südöstlich der Stadt. Die Rhönkommune Stadtlengsfeld hat heute um die 1900 Bewohner und liegt 272 m über N/N.
Eine urkundliche Ersterwähnung in Form von Adelsnamen erfolgte im Jahr 1137. Im Jahr 1886 wurde der Ortsname von „Die Stadt Lengsfeld“ in „Stadtlengsfeld“ wegen Verwechslungsgefahr im Postverkehr geändert.
Im Kriegsjahr 1917 befand sich das deutsche Kaiserreich schon drei lange Jahre im Ersten Weltkrieg. Die Ressourcen an kriegswichtigen Bunt- und Edelmetallen wurden knapp.
Deshalb wurden Kirchenglocken, selbst Orgelpfeifen eingeschmolzen. Außerdem mussten alle Gegenstände aus Zinn, Kupfer und die Umlaufmünzen aus Gold und Silber abgegeben werden.
Auch die Kirche in Stadtlengsfeld lieferte eine Glocke und die 1.534 Orgelpfeifen der berühmten Johann Marcus Oestreich Orgel, entschädigungslos ab.
Da 75 Prozent des Münzgeldes aus dem Zahlungsverkehr gezogen wurden, war es unumgänglich für den Handel, dieser Situation entgegen zu steuern.
Stadtlengsfeld war eine der ersten Städte in der thüringischen Rhön, die durch ein staatliches Genehmigungsverfahren die Lizenz zum Druck und der Herausgabe von Notgeldscheinen erhielt.
Als Notgeld bezeichnet man Geld oder auch Gutscheine, welche bei einem Mangel an Zahlungsmitteln vom Staat oder von Gebietskörperschaften in Umlauf gebracht werden und nur örtliche Geltung besitzen.
Eine erste Ausgabe von Stadtlengsfelder Notgeldscheinen, in den Nennwerten 5 Pfennig, 10 Pfennig und 50 Pfennig, erfolgte bereits am 1. Juli 1917. Die Scheine waren beidseitig bedruckt und in der grafischen Gestaltung einfach gehalten.
Da aber der Bedarf an Kleingeld bei Weitem nicht gedeckt war, entschied sich der Stadtrat der Rhönkommune zu einer zweiten Auflage und brachte diese am 1. März 1919 in den Umlauf.
Es handelte sich hierbei um 25 Pfennig und 50 Pfennig Notgeldscheine. Diese waren in der Grafik künstlerisch anspruchsvoller gestaltet. Beide Scheine waren mittig auf der Vorderseite mit dem Stadtwappen von Stadtlengsfeld bedruckt.
Das Stadtwappen der Gemeinde Stadtlengsfeld wird von der heiligen Magarete dominiert, die in der rechten Hand ein Schild mit dem Wappen der Abtei Fulda hält. Auf der Rückseite ist eine Abbildung des Kriegerdenkmals von Stadtlengsfeld zu sehen.
Um die hohen Anschaffungskosten von Papiergeldscheinen zu umgehen, beauftragte der Stadtrat die 1889 an der ehemaligen Rasenmühle entstandene Porzellanfabrik, mit der Herstellung von einfachen Böttger Steinzeug und Porzellanmünzen in den Werten von 25 Pfennig, 50 Pfennig und von 1 Mark.
Die Steinzeug Münzen gab es in den Werten von 25 und 50 Pfennig. Die Farbgebung variierte in brauner und lindgrüner Farbe.
Die Porzellanmünzen kamen ebenfalls in den Werten von 25 Pfennig, 50 Pfennig und 1 Mark in den Umlauf, diese hatten eine Farbe von grau, graublau, dunkelbraun und taubenblau.
Als Ausgabejahr wird 1921 angegeben. Der Durchmesser der Münzen betrug um die 27,2 mm, die durchschnittliche Stärke war 4 mm und das Gewicht wird mit 2,9 g angegeben.
In der Zwischenzeit bekamen die Notgeldscheine einen guten Markt und Sammlerwert, sie wurden regelrecht gehandelt und es entstand ein Sektor von Vertriebs und Tauschhandel.
Da einige Städte erkannten, dass man aus dem Handel Gewinne erzielen kann legten sie nochmalig künstlerisch wertvolle Scheine auf. Auch die Stadtoberen von Stadtlengsfeld entschlossen sich, sechs Scheine im Wert von 50 Pfenning mit einem Gesamtwert von 3 Mark, am 1. September 1921 heraus zugeben.
Für den Grafik-Entwurf konnte der an der Stadtlengsfelder Schule als Rektor tätige Herr Henschel gewonnen werden. Nach einem Motiv eines Baiermärchens fasste Herr Henschel alle sechs Scheine in folgenden Kurzversen zusammen.
Schein 1
Die Wunderblume am Baier stand, wo sie vor Zeiten ein Schäfer fand.
Schein 2
Der Schlüssel führt in diesen Berg hinein, da blenden Gold und Edelstein.
Schein 3
Er füllt sich die Taschen und füllt sich den Hut, soviel sie nur fassen von dem glänzenden Gut.
Schein 4
Beim Scheiden zum Schäfer der Wichtelmann spricht „Mein Freund vergiss das beste nur nicht!“
Schein 5
Was der Schäfer im Innern der Berge fand, verwandelt sich draußen in wertlosen Tand.
Schein 6
Da rief der Betrogene: „Ich blinder Tor! Nun bin ich ein Schäfer und arm wie zuvor!“
Auch das Porzellanwerk von Stadtlengsfeld, gab am 1. November 1923, eigene Notgeldscheine heraus, diese waren einseitig bedruckt und besaßen eine Wertangabe von einer halben Goldmark.
Da per Reichsgesetz vom Februar 1923, zum Jahresende des gleichen Jahres, die weitere Ausgabe von Notgeldscheinen untersagt wurde, verkaufte die Stadtverwaltung von Stadtlengsfeld alle noch vorhandenen Scheine an Sammler und Händler.
Es soll der Stadtkasse, auch durch die frühzeitige Ausgabe des Notgeldes, ein Gewinn von insgesamt 80.000 Mark zugeflossen sein.
Wer mehr über die Geschichte des Stadtlengsfelder Notgeld erfahren möchte, dem empfehlen wir die Bücher aus der Feder von Rolf Leimbach: „Das Porzellanwerk Stadtlengsfeld.“ ISBN 9783746010038 (S.27), und das Buch gleichen Titels ISBN 0215190378 (S. 47).
Originales Notgeld von Stadtlengsfeld erhält man online in Antik Shops und bei ebay. Das Stöbern lohnt sich.
Besonderen Dank gilt dem Heimatforscher, Chronisten und Regionalschriftsteller Herrn Rolf Leimbach aus Stadtlengsfeld. Herr Leimbach half mit Rat und Tat bei der Erstellung des vorliegenden Beitrags. Er stellte dankesweise wichtige Unterlagen und Abbildungen zur Verfügung.