Ärztemangel auf dem Dorf – Sind Onlinesprechstunden die Zukunft?

Julian Gick stammt aus Eichenzell bei Fulda und befasst sich in seiner Dissertationsarbeit an der Universität Vechta mit der Akzeptanz von digitalen medizinischen Ergänzungen in dörflichen Regionen.

Er beschäftigt sich mit der Frage, ob Videosprechstunde und Co. die hiesige ärztliche Versorgung entsprechend ergänzen können.

Bei Befragungen in der Gemeinde Dermbach nahm der 30-Jährige dies genauer unter die Lupe.

„Die medizinische Versorgung ist einer der wesentlichen Grundpfeiler des guten Lebens. Für bestimmte Bevölkerungsgruppen wird jedoch das Erreichen der nächsten ärztlichen Praxis gerade in dörflichen Regionen zunehmend zu einer Herausforderung.

Ursächlich dafür sind neben den oftmals langen Anfahrtswegen zur Praxis, die ansteigende Überalterung der Ärzteschaft und das damit einhergehende Ausdünnen der ärztlichen Versorgung - Stichwort „Ärztemangel auf dem Dorf“.

Lange Anfahrtswege erschweren nicht nur beispielsweise älteren Bevölkerungsgruppen den Weg zur ärztlichen Praxis, sondern auch für Familien mit jungen Kindern bedeutet dies ein hoher organisatorischer Aufwand.

Familien sind darauf angewiesen, einfachen Zugang zur hausärztlicher und fachärztlicher, aber auch kinderärztlicher Versorgung zu erhalten.

Also benötigen Eltern eine Vielzahl ärztlicher Leistungen, um das gesundheitliche Niveau innerhalb der Familien hochzuhalten.

Es stellt sich daher die Frage, wie es um die medizinische Versorgung innerhalb der dörflichen Gemeinden bestellt ist.

Zwei Befragungen in der Gemeinde Dermbach zwischen Juli 2022 und April 2023 mit knapp 100 Teilnehmenden ergaben, dass die Zufriedenheit von Eltern mit der ärztlichen Versorgung in der Gemeinde Dermbach variiert.

Zwar wird insbesondere die hausärztliche Versorgung als ausgesprochen gut eingestuft, mangele es vor allem an ausreichenden kinderärztlichen Fachpersonal.

Knapp 20 Minuten Anreisezeit beträgt aktuell der durchschnittliche Weg zur kinderärztlichen Praxis, solange ein PKW zur Verfügung steht. Für Menschen, die auf den ÖPNV angewiesen sind, erhöht sich die Anreisezeit überproportional.

Welchen Herausforderungen Menschen ohne PKW zum Erreichen der ärztlichen Praxis begegnen, wird in einer Studie aus Nordthüringen deutlich.

Während die Anfahrtszeit mit dem PKW zur ärztlichen Praxis rund 15 Minuten beträgt, beläuft sich die Anfahrtszeit mit dem ÖPNV auf knapp zwei Stunden.

Dies lässt sich auch auf die Gemeinde Dermbach übertragen, sobald fachärztliche oder kinderärztliche Praxen in Fulda angesteuert werden müssen.

Durch die Mittelgebirgslage der Gemeinde Dermbach könne sich aber auch für Autofahrende die Anfahrtszeit bei Baustellen und Umleitungen unverhältnismäßig erhöhen.

Auch auf die Zukunft der fachärztlichen Versorgung blicken viele der befragten Familien sorgenvoll. Dies läge daran, dass fachärztliche Praxen in den letzten Jahrzehnten stark zurück gegangen sind.

Da dies nicht nur die Gemeinde Dermbach betreffe, herrsche in den beiden medizinischen Versorgungszentren Bad Salzungen und Fulda ein hoher Aufnahmedruck auf die bestehenden ärztlichen Praxis.

Dennoch waren auch viele der befragten Familien über die verbliebenen ärztlichen Praxen in der Gemeinde Dermbach froh. Gerade der Zugang zur fachärztlichen Versorgung in dörflichen Gegenden sei nicht selbstverständlich und werde wertgeschätzt.

Das Phänomen, dass immer mehr Ärzte lieber in Städten anstelle der Dörfer praktizieren wollen und damit freie Arztsitze nicht nachbesetzt werden, löst seit einigen Jahren politische Debatten hinsichtlich der Zukunft der medizinischen Versorgung auf den Dörfer aus.

Unter anderem digitale Ergänzungen zum klassischen Arztbesuch bestehen und können unter gewissen Voraussetzungen praktizierende Ärzte in dörflichen Gegenden entlasten und so die medizinische Versorgungssicherheit stabilisieren.

Möglichkeiten wie die Videosprechstunde oder der nichtärztlichen Praxisassistenz werden gerade in Ländern mit weitreichender Peripherie, wie Norwegen oder auch Australien eingesetzt.

Damit entfallen lange Anfahrtswege und oftmals auch Ansteckungsrisiken. Ob diese Rahmenbedingungen ein Anlass dafür sind, dass sich digitale medizinische Versorgungskonzepte durchsetzen und die Versorgung vor Ort ergänzen, wird derzeit noch erforscht.“