Gastbeitrag von Wolfgang Weber
Nordkorea ist die wahrscheinlich brutalste Diktatur der Gegenwart mit einem ausgedehnten Lagersystem und kaum vorstellbaren Grausamkeiten.
Auch wenn der Traum vom Wunder einer friedlichen Grenzöffnung und Wiedervereinigung – so wie es Deutschland vor 35 Jahren erleben durfte – in weite Ferne gerückt ist, verliert Südkorea das Bruderland nicht aus dem Blick.
Die „Menschrechte in Nordkorea“ waren das aktuelle und hochbrisante Thema einer öffentlichen Tagung der Point Alpha Stiftung im Schloss Geisa mit spannenden, informativen und berührenden Beiträgen aus erster Hand.
Für die Durchführung mitverantwortlich zeichnete sich im Rahmer ihrer internationalen Kooperation das Zukunftsforum Korea e.V. und das Generalkonsulat der Republik Korea in Frankfurt.
Die koreanische Halbinsel ist noch immer geteilt. Vor 71 Jahren wurde ein Waffenstillstand vereinbart, der Kriegszustand hält aber offiziell noch an.
Trotz der traumatischen Ereignisse des Korea-Krieges von 1950 bis 1953 scheint die Sympathie der Koreaner in Nord und Süd füreinander noch heute groß.
„Entsprechend ist das Interesse von Point Alpha zu lernen und von den deutschen Erfahrungen mit einem Einigungsprozess zu profitieren. Ein Präzedenzfall für die eigene Wiedervereinigung, die man sich nach wie vor ersehnt“, stellte Benedikt Stock, Geschäftsführender Vorstand der Point Alpha Stiftung bei der Begrüßung fest.
Doch eine Annäherung sei in weite Ferne gerückt. Diktator Kim Jong-un habe Südkorea zum „Feindstaat Nummer eins“ erklärt und rühre permanent die Kriegstrommel.
„Nordkorea ist ein Paradies mit den glücklichsten Menschen“ – diese und andere Ammenmärchen hört die Bevölkerung in Dauerschleife von Kindesbeinen an.
„Die Menschen glauben diese Lügen, denn sie kennen nichts anderes. Das Land ist abgeschottet und isoliert, nichts geht rein oder kommt raus, es gibt kein Internet und sonstige Informationen“, erzählt Prof. Dr. Horst Hammen von der Universität Gießen, der das Land im Zuge eines universitären Austausches sieben Mal bereisen konnte.
Um die Bevölkerung gefügig zu machen, herrscht zudem ein Klima der Angst. Willkür, Repressalien oder Sippenhaft zeigen deutlich, wie das Regime den Terror gezielt zur Sicherung des eigenen Herrschaftsanspruches nutzt.
Jedem, der in der „Demokratischen Volksrepublik Korea“ die kommunistische „Partei der Arbeit Koreas“ oder den „Führer“ kritisiert, drohen sofortige Verhaftung, Folter und Hinrichtung.
Weniger bekannt als die Verbrechen der Kim-Clique sind die Mutigen, welche sich gegen diesen Zustand stellen. Der Hunger und die große Not hätten ihnen die Augen für die Wahrheit geöffnet.
Und damit sie und ihre Familien am Leben bleiben, haben sie sich mit Hilfe von Schleusern nach China abgesetzt. Die rund 60 Zuhörer im Gangolifsaal waren von den unglaublich dramatischen Schilderungen ergriffen.
So Yeon Lee hat nur einen Wunsch: „Ich möchte mit meinem heute 17-jährigen Sohn, der irgendwo in einem Arbeitslager weggesperrt ist, nur noch einmal eine warme Mahlzeit teilen.“
Seit langen grassiert vor allem in den ländlichen Regionen von Nordkorea eine bittere Hungersnot. Die Grenzen nach China und Russland sind dicht, wichtige Waren zur Grundversorgung fehlen.
Gleichzeitig kontrolliert der Staat die Landwirtschaft und somit auch, wer etwas zu essen bekommt. Erntegeräte werden teils nur von Draht und Kaugummi zusammengehalten.
Investitionen bleiben aus, die Ressourcen und die Milliarden fließen in den Bau von Atomwaffen, die bekanntlich nicht satt machen.
Das nordkoreanische Regime ist für seine extreme Missachtung von Menschenrechten bekannt. Zu den Praktiken im Reich von Kim Jong-un, der den, von seinem Großvater begründeten, dynastisch geführten Staat bereits in dritter Generation beherrscht, gehören die systematische Ausbeutung ganzer Familien in Konzentrationslagern.
Opfer der gravierenden Erniedrigungen sind vor allem Regimekritiker, vermutete politische Gegner, Mitglieder religiöser Minderheiten sowie Personen, die versuchen, das Land zu verlassen oder Informationen aus dem Ausland zu erhalten.
Dokumentiert werden die Untaten inzwischen von einer Nichtregierungsorganisation in Südkorea, getragen von Wissenschaftlern und Menschenrechtlern.
Über ein Netzwerk hält man Kontakt zu nordkoreanischen Flüchtlingen und hat inzwischen über 300 Augenzeugenberichte gesammelt.
„Wenn man ihnen zuhört und Fragen stellt, ergibt sich schon ein ziemlich umfassendes Bild“, sagt Dr. Ethan Hee-Seok Shin, der eigens von Seoul nach Geisa gereist war.
Die Erfahrungen und Informationen von Geflüchteten sollen die Grundlage für jegliche Interaktion und Auseinandersetzung mit Nordkorea bilden.
Bei Debatten und Gipfeln in lokalen oder internationalen Parlamenten müsse das Unrechts-Regime an den Pranger gestellt werden. Denn Nordkorea ist nicht egal, wie es in der Welt wirkt – und das ist eine Chance. Auf diese Art ließe sich etwas verändern.
„Ziel muss es sein, nicht nur in der deutschen Öffentlichkeit, sondern bei der internationalen Gemeinschaft ein zutreffenderes Bild der Menschenrechtslage in Nordkorea zu schaffen sowie um humanitäre Hilfe zu werben“, waren sich Michael Brand, Sprecher der Menschenrechtskommission der CDU-Fraktion im deutschen Bundestag und Stiftungsratsmitglied von Point Alpha, sowie der Generalkonsul Südkoreas Kyung-Sok Koh einig.
Und da Deutschland diplomatische Beziehungen zu Nordkorea führe, gehe es darum, diese zu nutzen, um so den Menschen dort zu helfen.
Es sei also sehr wichtig, in Gesprächen und Verhandlungen immer auch die Menschenrechte zu thematisieren, hofft der Generalkonsul.
„Angesichts der Kriege in Osteuropa oder im Nahen Osten wird das Wort „Menschenrechte“ mehr denn je gebraucht“, ist sich Hyo Sung Kim vom „Zukunftsforum Korea“ sicher.
Der Verein werde nicht nachlassen, um irgendwann in Frieden und Wohlstand auf einer vereinigten Halbinsel zu leben.
Und Michael Brand sprach den koreanischen Gästen in Geisa Mut zu: „Wir haben während der Zeit der deutschen Teilung immer gewusst, dass wir das Ziel von Einheit und Freiheit nicht aufgeben dürfen.
Die Koreaner waren, wie die Deutschen, schon viel zu lange ein Volk und ein Land, als dass die historisch relativ kurze Phase der Teilung auf Dauer Bestand haben könnte.
Trotz aller Bedrohungen durch totalitäre Regime können wir uns darauf verlassen, dass die Idee von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten deshalb die überlegene Idee ist, weil sie dem Menschen und seiner Natur entspricht.“