Gastbeitrag von Lena Gothe
Am letzten Freitag im April wird die Streuobstwiese nun zum 4. Mal europaweit gefeiert. Das Feiern der Streuobstwiese ist auch angebracht, ist es doch ein Kulturgut, was unsere Aufmerksamkeit bedarf.
Aus diesem Grund ist die Streuobstwiese seit 2021 auch offiziell zum immateriellen Kulturerbe ernannt worden. Immaterielles Kulturerbe bedeutet, dass das Wissen und die Bräuche, die mit dem Streuobstanbau zusammenhängen geschützt sind und von Generation zu Generation weitergegeben werden sollen.
Was macht Streuobst derart besonders?
Die Geschichte des Streuobstes in Mitteleuropa ist lang und geht bis auf die Römer zurück. Nicht nur Wissen, auch Mythen und Brauchtum entwickeln sich in den vergangenen 2000 Jahren.
Doch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts änderte sich das Verhältnis. Intensivierung und Technisierung, mangelnde Wirtschaftlichkeit, Siedlungserweiterung und Flächenumwandlung, Importe und EU-Normen sowie Verbraucherverhalten ließen die einst große Bedeutung schrumpfen.
Ist es doch aber nicht nur der Obstertrag, der die Wiesen so besonders macht und es umso wichtiger sein lässt, trotz der wirtschaftlichen Aspekte, dieses Kulturgut zu erhalten.
Julia Gombert vom Landschaftspflegeverband Thüringer Rhön (LPV Rhön) erläutert: „Streuobstwiesen sind wahre Multitalente.
Sie sind Frischluftproduzenten, Windbremser, Bodenerosionsschützer, Naherholungsort und nicht zu Letzt sind sie eine der artenreichsten Lebensräume Mitteleuropas und beherbergen unzählige Arten.
Allein in Thüringen konnten auf Streuobstwiesen beispielsweise 16 der 18 gesichert vorkommenden Fledermausarten nachgewiesen werden. Auch Vogelarten wie Wendehals und Grünspecht finden hier geeignete Bedingungen.“
Ihren Artenreichtum verdanken sie ihrer Strukturvielfalt. Eine Streuobstwiese besteht aus einem Mosaik von verschiedenen Lebensräumen, in denen sich die jeweiligen Spezialisten wohlfühlen, von denen viele selten geworden und daher besonders geschützt sind.
Eine weitere Besonderheit der Streuobstwiesen ist der Sortenreichtum der verschiedenen Obstarten selbst. Er stellt eine breit aufgestellte genetische Datenbank zur Verfügung, die immer wichtig ist, um u.a. auf klimatische Veränderungen reagieren zu können.
Allein in Deutschland gibt es mindestens 750 Apfelsorten, die sogar für Allergiker geeignet sind, da sie nicht wie die handelsüblichen wenigen Sorten auf bestimmte Merkmale gezüchtet sind, die leider zur Folge haben, dass u.a. Allergien ausgelöst werden können.
Lena Gothe vom LPV Rhön erklärt: „Obgleich seit den 1980ern das Bewusstsein für den Schutz gewachsen ist, leiden diese artenreichen Schätze weiterhin am Rückgang.“
Die heutigen Probleme die sich stellen, sind die weiterhin fehlende Rentabilität, die zusätzlich mit den immer weniger werdenden Obst verarbeitenden Gewerbe einhergeht, Siedlungserweiterungen, Umnutzungen der Flächen, Konkurrenz/Importe, EU-Normen, fehlende Nutzung des Grünlandes, aber auch ein immer weiter fortschreitender Wissensverlust um die Sortenvielfalt und die Handhabung der Pflege der Bäume.
Das alles führt zu Nutzungsaufgaben der einst so wertvollen Flächen, die innerhalb kurzer Zeit verbuschen und vergreisen. Zudem kämpfen die Bäume mit den klimatischen Herausforderungen unserer Zeit, die wiederum Krankheiten und Schädlinge begünstigen.
Der Verlust an Insekten oder die Verschiebung der Blühzeitpunkte, die nicht mehr zur gleichen Zeit wie das Aufkommen der Insekten ist, stellt ein großes Problem dar.
Ein weiteres offensichtliches Problem ist das zunehmende Auftreten des Schmarotzers, der Mistel, die die geschwächten Bäume besonders gerne ausnutzt.
Diesen Problemen stellt sich der Landschaftspflegeverband „Thüringer Rhön“ e.V. /die Natura 2000 Station „Rhön“ unter anderem mit einem von Thüringen und der EU finanziertem Projekt - dem ENL-Projekt „Geflügelte Vielfalt“.
Im Projekt geht es um die Aufwertung der Streuobstwiesen und hat die Verbesserung des Lebensraumes für die Fledermausarten Graues Langohr und Bechsteinfledermaus und die Spechtart Wendehals zum Ziel.
Ricarda Blum vom Projekteteam Geflügelte Vielfalt erläutert, dass neben der Pflege der Bäume die Öffentlichkeitsarbeit und Weiterbildungen Bausteine des Projektes sind.
Im Frühjahr konnten zwei Obstbaumschnittkurse für Privatpersonen und kommunale Mitarbeiter angeboten werden. Die Resonanz und die Nachfrage waren positiv, weshalb im nächsten Jahr erneut Kurse angeboten werden.
Lena Gothe ergänzt: „Der LPV Rhön veranstaltet im Rahmen des Projektes am Sonntag 29. September 2024 ein Streuobstfest im Sortengarten Dörrensolz. Dabei sein werden u.a. Pomologen, die Sorten bestimmen werden, ein Falkner, ein Fledermaus- und ein Vogelexperte, aber auch tolle Mitmachaktionen rund um das Thema Streuobstwiesen.“
Sollten Sie selbst Interesse bekommen haben am Thema Streuobst oder Fragen zu Fördermöglichkeiten haben, melden Sie sich gerne beim Streuobstteam des LPV Rhön.