Leserbrief – Anspannung vor der Landtagswahl – Warum die Energie mit aufregen verschwenden?

Leserbrief von Margarete El-Chami
zum Beitrag Leserbrief - „Löwenwirte“ aus Kaltennordheim reagieren auf AfD-Gegendemo


Die Redaktion weist darauf hin, dass der Inhalt der Leserbriefe die Ansicht der Einsender wiedergibt, die mit der Meinung der Redaktion nicht unbedingt übereinstimmt.


Es rumort in unserer Heimat. Die Landtagswahlen nächste Woche werfen ihre Schatten voraus und die Anspannung bei vielen Leuten ist förmlich greifbar - auch bei mir.

Letzten Donnerstag war ich in Kaltennordheim, wo sich die beiden politischen Hauptlager gegenüber standen. Rechts der Hauptstraße, im Gasthaus zum Goldenen Löwen, die AfD mit ihren blauen Flaggen und dunklen Bannern. Links der Straße stand ein bunter Zug aus über 80 Gegendemonstranten aus dem kirchlichen, linken und mittleren politischen Spektrum (Grün, Rot, Purpur, Regenbogen, usw.).

Ich stand in der bunten Gruppe, zusammen mit den Omas gegen Rechts, Kirchenvertretern, Familien mit Kleinkindern, alten Männern, die in der Nazi-Zeit aufwachsen mussten usw. Ein wirklich bunt zusammengewürfelter Haufen, der sicherlich zu vielen Themen völlig unterschiedliche Meinungen vertritt.

Was uns alle einte war unsere Ablehnung gegen die Partei AfD. Wir alle waren dort, um gegen eine Partei zu protestieren, die einige Menschengruppen scharf ausgrenzt, ja sogar von "Entsorgung" spricht. Als hätten wir es hier mit Müll (Material) zu tun und nicht mit atmenden, empfindungsfähigen Lebewesen die ein Bewusstsein und Familien haben.

Dieses abfällige Gedankengut, diese Sprache der Entmenschlichung ist der Grund, warum ich diese Partei nicht akzeptieren kann. Ich bin durchaus bereit, verschiedenste politische Vorschläge in Erwägung zu ziehen, egal aus welchem Lager sie kommen. Wenn die Idee gut, praktikabel und menschlich vertretbar ist, muss eine Diskussion darüber möglich sein.

Menschen wie Wegwerfartikel zu behandeln, sie zu bedrohen und mit Gewalt zu vertreiben ist aber nichts davon. Das ist schlicht ekelerregend. Es gibt einen einfachen Grundsatz, den jedes Kind kennt: "Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füg auch keinem and'ren zu". Erinnert Ihr Euch? Das haben wir alle mal im Kindergarten gelernt, weil es die Basis für menschliches Zusammenleben ist.

Von dieser Regel gibt es keine Ausnahme. Sie ist es, die uns von niederen Tieren, wie Fischen und Reptilien, unterscheidet. Es spielt keine Rolle, welche Thesen und Vorschläge sonst noch im Wahlprogramm einer Partei stehen, wenn dieser Grundsatz verletzt wird, brauchen wir uns über Details nicht mehr zu unterhalten.

In den Gesprächen, die ich mit Freunden und Bekannten führe, geht es fast nur um Details. Einzelne Sätze von Politikern, Maßnahmen oder Gesetze, über die sich die Leute unglaublich aufregen und ärgern. Ich bin davor auch nicht gefeit. Auch ich ärgere mich manchmal über derartige Aktionen und frage mich, ob "die da oben" uns für dumm verkaufen wollen.

Bei manchen meiner Freunde und Bekannten kann ich nachvollziehen, warum sie die AfD wählen. Ich teile ihre Ansicht nicht, aber ich verstehe, woher sie kommt. Vor kurzem hatte ich eine lebhafte aber sachliche Diskussion mit einem Freund über die von AfD geplante Lockerung des Waffenrechts.

Ich lehne die wahllose Ausgabe von Schusswaffen an Menschen ohne Prüfung ab. Es gibt einfach zu viele Menschen, denen ich nicht zutraue, verantwortungsbewusst mit einer Waffe umzugehen. Daher macht mir dieser Vorstoß der AfD schlicht eine Heidenangst!

Mein Freund vertrat einen anderen Standpunkt. Er ist legal Waffenbesitzer und fühlt sich durch die staatlichen Prüfungen seiner Eignung gegängelt und genervt. Aus seiner Sicht kann ich das problemlos nachempfinden. Er ist verantwortungsbewusst, ein Experte auf seinem Gebiet und hat sich in Bezug auf seinen Waffenbesitz nie etwas zu Schulden kommen lassen. Warum muss er also trotzdem geprüft werden?!

Mein lieber Freund, das geltende Waffenrecht wurde doch nicht für Dich geschrieben. Kein Politiker hat es entworfen, um Dir persönlich eins auszuwischen. Gesetze werden und können nicht für einzelne Personen entworfen werden. Sie betreffen Gruppen (in diesem Falle alle Waffenbesitzer), die ja aber nicht homogen sind und auch Du kennst andere Waffenbesitzer, denen Du die Waffe am liebsten sofort abnehmen würdest, weil Du weißt, dass sie unverantwortlich damit umgehen und somit ein kritisches Sicherheitsrisiko darstellen.

Aber wie soll denn der Staat erkennen, wem man eine Waffe anvertrauen kann und wem nicht, wenn er nicht alle prüft und so die schwarzen Schafe aus der weißen Herde heraus holt? Alle Autos müssen zur HU, egal ob Schrottkarre oder fein gepflegtes Kleinod.

Alle Schüler einer Klasse müssen in die mündliche Leistungskontrolle, auch die 1er Schüler. Das kann man doof und nervig finden, okay, aber muss man es denn gleich als persönliche Beleidigung verstehen?

Nicht alles was in Deutschland, in Thüringen oder sonst wo passiert betrifft uns persönlich. Vieles sogar gar nicht. Ihr mögt keine Transmänner und regt Euch tierisch über den Christopher-Street-Day in Leipzig auf? Warum denn? Wart Ihr dort? Wahrscheinlich nicht. Kennt Ihr auch nur einen einzigen Transmann? Wahrscheinlich nicht. Dann kann es Euch doch völlig "Wurscht" sein, dass es sie irgendwo auf der Welt gibt. Früher hieß es, "was juckt's mich, ob in China ein Sack Reis umfällt?".

Ach Rhöner, regt Euch doch nicht unnötig über Sachen auf, die in Eurem Leben nicht vorkommen. Ihr könntet so viel besser gelaunt sein und hättet mehr Energie und Lebensfreude, wenn Ihr Euch nicht alles persönlich zu Herzen nähmt. Das gelingt mir auch nicht jeden Tag, aber immer öfter und das macht glücklich.

Die Energie, die ich daraus gewinne, investiere ich vor Ort, hier in unsere Heimat: für den Kindergarten, für die Schulen, für Vereine, meine Gemeinde und natürlich meine Familie. Ich demonstriere nicht gegen die AfD, weil mir unsere Heimat egal ist, im Gegenteil!

Sonst wäre ich nicht nach 17 Jahren Abwesenheit hierher zurück gezogen. Ich tue es, weil ich sie in ihrer Schönheit bewahren will und andere Maßnahmen als die der AfD für zielführend erachte. So viel Freiheit muss schon noch erlaubt sein.