Gastbeitrag von Lea Hohmann
Wenn Worte und Erinnerungen schwinden, bleiben die Sinne oft ein kraftvoller Anker. Das zeigte sich eindrucksvoll bei einer Fortbildungsveranstaltung in Wüstensachsen, die das Naturerleben für Menschen mit Demenz in den Fokus stellte.
Organisiert wurde das Seminar vom Verein Miteinander-Füreinander Oberes Fuldatal e.V., dem Verein Natur- und Lebensraum Rhön sowie der Hessischen Verwaltung des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön.
Pflegekräfte und Betreuende kamen zusammen, um von der renommierten Referentin Dorit Behrens zu lernen, wie Natur als Schlüssel zur Lebensqualität von Demenzerkrankten dienen kann.
Dorit Behrens, die seit 2016 Menschen mit Demenz begleitet und tiergestützte Bildungsarbeit anbietet, begann ihren Vortrag mit einer einfachen, aber tiefgreifenden Aussage: „Natur kann Demenz nicht heilen, aber die Lebensqualität entscheidend verbessern“, so die Referentin. Im Verlauf des Seminars wurde schnell klar, wie sehr die Natur eine Brücke zur inneren Welt der Betroffenen bauen kann.
Ein Fest für die Sinne: Natur als Schatzkammer für Erinnerungen
Die Teilnehmenden wurden durch eine Vielzahl praktischer Beispiele geführt, die zeigten, wie die Sinne – Sehen, Hören, Riechen, Fühlen und Schmecken – Menschen mit Demenz zurück in die Gegenwart holen können.
Der Klang von raschelndem Laub im Wind, das Streicheln eines weichen Fells oder der Duft von frischer Erde – all diese einfachen Naturerfahrungen können verschollen geglaubte Erinnerungen und Emotionen wecken. Angehörige seien oft erstaunt, wie schnell sich durch diese sinnlichen Eindrücke Kommunikation und Interaktion wieder entfalten.
Vorbereitung ist alles: Die Natur behutsam erlebbar machen
Behrens machte deutlich, dass das Erleben der Natur für Menschen mit Demenz gezielte Vorbereitung erfordert. Es müsse darauf geachtet werden, dass Stolperfallen vermieden und Reizüberflutungen verhindert werden.
Der Schlüssel liege darin, die Natur behutsam und sicher zugänglich zu machen – immer mit dem Fokus auf das Wohlbefinden und die Freiwilligkeit der Betroffenen.
Laut Behrens gebe es viele Möglichkeiten, den Zugang zur Natur spielerisch zu erleichtern. Aus der Umweltbildung sind viele Anwendungen bekannt, die auch bei Menschen mit Demenz gut anwendbar sind.
Im praktischen Teil des Seminars stellt Behrens beispielhaft vor, welche Aktivitäten sich bewährt haben, um beeinträchtigten Menschen den Zugang zu Naturerlebnissen zu erleichtern.
Demenz aus der Tabuzone holen: Teilhabe am Leben ermöglichen
Ein besonderes Anliegen der Veranstalter war es, das Thema Demenz aus der Tabuzone zu holen. Die Tabuisierung führe zur Vereinsamung und Isolation dementer Mitmenschen.
In einer Gesellschaft, die immer älter wird und in der die Zahl der Demenzerkrankungen stetig zunimmt, sei es entscheidend, offen mit dieser Herausforderung umzugehen und auch den Betroffenen eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
Die Fortbildung sei ein erster Schritt, dieses Bewusstsein zu schärfen und zeigt, wie Natur als Ressource für mehr Lebensqualität genutzt werden kann.
Weitere Informationen und Unterstützung für Pflegekräfte und Angehörige
Für alle, die sich intensiver mit dem Thema befassen möchten, bietet die Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz in der Broschüre „LebensWege – Naturerleben für Menschen mit und ohne Demenz“ viele nützliche Tipps und Praxisbeispiele.
Diese kann als kostenfreies PDF auf der Website des Biosphärenreservats Rhön heruntergeladen werden: www.biosphaerenreservat-rhoen.de.
Darüber hinaus stellt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft umfangreiche Informationen auf ihrer Webseite www.deutsche-alzheimer.de bereit. Dort wird auch auf die wachsende Zahl der Demenzerkrankungen hingewiesen: Fast 1,8 Millionen Menschen lebten Ende 2021 in Deutschland mit Demenz, und bis 2050 könnten es bis zu 2,8 Millionen sein.
Ein gesellschaftliches Thema, das uns alle betrifft – und das uns zeigt, wie wichtig es ist, in unseren Familien oder im Freundeskreis Räume der Teilhabe zu schaffen.