Neue Biosphärenreservatsverordnung sorgt für Unmut in der Thüringer Rhön

Mitteilung der Stadt Geisa

Trotz 1.400 Widersprüche und einer Petition von 21 Bürgermeistern und zwei Landräten tritt die neue Verordnung des Biosphärenreservates thüringische Rhön mit der Erweiterung der Kern- und Pflegezonen ab 1. Oktober 2024 in Kraft. Nun gibt es Widerstand in den betroffenen Kommunen

Großer Unmut herrscht bei vielen Kommunen in der thüringischen Rhön. Vor kurzem hat das noch grün geführte Thüringer Umweltministerium kurz vor Schluss die neue Verordnung des Biosphärenreservates Thüringische Rhön beschlossen.

Damit verdoppelt sich innerhalb der Thüringer Rhön durch die Stilllegung von etwa 750 Hektar Staatsforst die Kernzone von 1,5 Prozent auf rund 3 Prozent. Die Pflegezone wird durch private und kommunale Flächen von vorher 9 Prozent auf jetzt rund 18 Prozent der Gesamtfläche ausgeweitet.

Und das, obwohl länderübergreifend mit hessischen und bayrischen Flächen die Vorgaben zuvor schon mit 12.500 Hektar übererfüllt waren.

Vor Ort herrscht Unmut über diese einseitige Vorgehensweise des Umweltministeriums. Betroffene Kommunen fordern nun eine Rücknahme der neuen Verordnung und beraten aktuell ein Normenkontrollverfahren einzuleiten.

„21 Rhönkommunen, der Wartburgkreis und der Kreis Schmalkalden Meiningen hatten vor einem Jahr in der Rhöner Petition ganz klar gefordert, dass eine Erweiterung mit kommunalen und privaten Flächen ohne finanziellen Ausgleich nicht akzeptabel ist“, sagt Geisas Bürgermeisterin Manuela Henkel.

Laut Verordnung ist in den Pflegezonen unter anderem verboten, bauliche Anlagen neu zu errichten oder bestehende wesentlich zu ändern. Auch für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung gibt es auf diesen Flächen Einschränkungen.

„Das beschneidet die Grundstückseigentümer enorm“, betonte Kaltennordheims Bürgermeister Erik Thürmer. Auch die Landwirte und der Thüringer Bauernverband sind mit der Erweiterung der Pflegezone nicht einverstanden.

Für die Agrargenossenschaft Rhönperle e.G. in Bremen ergibt sich daraus eine Einschränkung der Bewirtschaftung auf ca. 16 Prozent landwirtschaftlicher Nutzfläche. Weitere Landwirtschaftsbetriebe in der Rhön wären ebenfalls betroffen.

Zuvor waren der Verordnung ein Beteiligungsverfahren mit Bürgern, Kommunen und Landwirten vorausgegangen. Insgesamt 1.400 Stellungnahmen gingen beim Ministerium ein.

„Diese sind bisher unbeantwortet geblieben“, stellte Meiningens Bürgermeister Fabian Giesder fest. Obwohl man dies von Seiten des Ministeriums versprochen hatte. Selbst auf der Homepage des Thüringer Umweltministeriums ist nachzulesen: „Jeder Absender und jede Absenderin erhält eine Mitteilung, wie mit der Stellungnahme verfahren wurde.“

Besonders betrifft die Erweiterung der Pflege- und Kernzonen die kleine Rhöngemeinde Birx. „Unser Ort ist damit quasi eingeschlossen und Entwicklungen werden immer mehr erschwert“, sagte Bürgermeister Steffen Hohmann.

Dass nun auf der Homepage des Ministeriums von Umweltminister Bernhard Stengele zu lesen ist, dass die Kommunen von Beginn an bei ihrer Regionalentwicklung mit einem UNESCO-Siegel unterstützt wurden, sei nicht richtig.

Das Biosphärenreservat Rhön wurde 1990 gegründet und bereits 1991 bekam es den UNESCO Titel. Seitdem sind auf thüringischer Seite viele Gelder in Natur- und Umweltschutz geflossen.

Die Regionalentwicklung wird aber erst seit etwa vier Jahren, etwa zeitgleich mit der Evaluierung der Verordnung, mit dem sogenannten Regionalbudget des Landes unterstützt. Mit den Geldern werden vor allen Dingen kleinere touristische Attraktionen vor Ort gefördert.

„Darüber sind wir sehr dankbar“, betonte Manuela Henkel. Eine Stärkung der Wirtschaftsförderung und die Umsetzung nachhaltiger Wirtschaftsweisen sei vor Ort damit allerdings nicht möglich.

„Die Gewerbesteuer aus dem Tourismus liegt in Geisa bei etwa 3.000 Euro“, so Henkel. Wanderwege, E-Paper-Bushalteanzeigen und Verkaufsautomaten seien tolle Dinge, aber von ihnen könne man in der Region nicht leben.

„Ein Positionspapier des deutschen MAB-Nationalkomitees aus 2021 fordert aber gerade für die UNESCO-Biosphärenreservate ertragreiche Wirtschaftsformen und gelingendes gesellschaftliches Zusammenleben zu entwickeln“, erklärte Thomas Kästner, Bürgermeister der Stadt Wasungen.

„Das ist in den letzten Jahren nicht ausreichend umgesetzt und schon gar nicht finanziell unterstützt worden“, sind sich die Bürgermeister einig. Auch die Einschränkungen bei der Forstwirtschaft seien nicht hinnehmbar.

„In Laubwäldern dürfen in den Pflegezonen nur noch gebiets- und standortheimische Baumarten eingebracht werden“, berichtete Dermbachs Bürgermeister Thomas Hugk. Wenn weiterhin eine effektive Waldwirtschaft betrieben werden soll, dann müsse man flexibel sein und trockenresistente Alternativen zulassen.

„Durch die Stilllegung von 750 Hektar Staatswald, müssen letztlich fehlenden Hölzer aus anderen Ländern mit niedrigeren Standards importiert werden“, ergänzt Erik Thürmer.

Ob das dann nachhaltig ist, sei zu hinterfragen. Es gibt auch positive Veränderungen in der Verordnung, die die Bürgermeister im Beteiligungsprozess erzielt haben.

So sei es nun endlich doch wieder möglich, in der Kernzone Unterhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen an bestehenden Wegen umzusetzen. Positiv werten die Kommunen auch, dass in den Pflegezonen der Neu- und Ausbau von Radwegen weiterhin möglich ist.

Ebenso ist bleibt die Errichtung von Windenergieanlagen im Biosphärenreservat verboten. Die Rhön hätte laut den Bürgermeistern das Potential sich zu einer Pilotregion für nachhaltige Wirtschaftsformen und alternative Energieversorgungsmodelle zu entwickeln.

„Wir brauchen auf Dauer angelegte Finanzierungs- und Förderkonzepte für die strukturelle und wirtschaftliche Entwicklung der Region“, so die Bürgermeister: „Was wir nicht brauchen, sind einseitige Entscheidungen über die Köpfe der Gemeinden und Bürger hinweg!“