Strenge Bewachung für die Bewacher – Vortrag auf Point Alpha

Gastbeitrag von Wolfgang Weber

Gegründet nach Vorgabe der sowjetischen Besatzer, dienten die Grenzpolizisten in der DDR nicht nur der Überwachung und Abschottung, sondern auch der ideologischen Absicherung des SED-Apparates.

Ihr Wirken hatte weitreichende Folgen für die Bevölkerung, insbesondere in den Grenzgebieten. In einem informativen Vortrag in der Gedenkstätte Point Alpha analysierte der Historiker Dr. Gerhard Sälter nicht nur die Entstehung, Aufgaben und politische Bedeutung der Grenzpolizei.

Vor rund 100 interessierten Besuchern im Haus auf der Grenze nahm er vor allem das Innenleben der sogenannten „Helden der Grenze“ unter die Lupe. Die Deutsche Grenzpolizei spielte in der frühen DDR eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung staatlicher Kontrolle.

Im Fokus stand der Grenzverkehr, die Bekämpfung des Schmuggels, der Schutz vor dem Einfluss oder möglichen Angriffen der feindlichen Nachbarn, die Bewahrung der eigenen Souveränität und vor allem die engmaschige Überwachung der eigenen Bewohner. Die Verhinderung von Fluchtversuchen hat nach Meinung Sälters zunächst eher eine Nebenrolle gespielt.

Bereits 1946 patrouillierten freiwillige Hilfskräfte in einer Sollstärke von 2.500 Mann gemeinsam mit Sowjetsoldaten die noch durchlässige 1.400 Kilometer lange Grenze in einem insgesamt 7.000 Quadratkilometer großen Sperrgebiet.

„Das war nicht viel, da nur zwei Grenzer pro Schicht einen ein Kilometer langen Abschnitt im Auge haben konnten“, rechnete Dr. Sälter vor. Das änderte sich schnell. Bis Ende 1961 wuchs die Zahl der Grenzpolizisten um das zwanzigfache auf 50.000.

Beim Aufbau hatte der Staat allerdings mit Problemen zu kämpfen: Unmotiviertes und ungebildetes Personal, schlechte Ausrüstung und knappe Verpflegung gehörten zum Arbeitsalltag. Um den Personalmangel zu kompensieren wurden in Absprache mit dem großen Bruder aus Moskau gar 5.000 Kriegsgefangene mit Zügen aus den Straflagern in Sibirien angekarrt.

Vor dem Hintergrund des Gewaltcharakters der Staatsmacht beschrieb der Autor die Motive der Grenzer und die Bedingungen ihrer Mitwirkung. Sälter verdeutlichte dem Publikum, welche Mittel und Methoden eingesetzt wurden, um ihre Beteiligung sicherzustellen.

Der Autor erläuterte dabei anderem die Auswahl und Rekrutierung der Grenzpolizisten und -soldaten sowie ihre Formung durch militärische Disziplin, politische Indoktrination, Druck, Angst, Überwachung, Bespitzelung, Kasernierung, Erpressung und erzwungene Selbstkontrolle.

Der Referent stellte auch dar, wie der Verfolgungsapparat auf Versuche einzelner Grenzer reagierte, sich der geforderten Mitwirkung zu entziehen. Denn nicht alle taten ihren Dienst aus Überzeugung. Im Gegenteil: viele hatten Zweifel an der Aufgabenstellung und der Ideologie, die dahintersteckte.

Es gab Rekruten, die den Schusswaffeneinsatz vehement ablehnten. Allerdings, wer sich weigerte oder sich nicht an die Regeln hielt, hatte mit drakonischen Strafen zu rechnen.

Die Jahre 1952 und 1961 bilden Zäsuren in der Geschichte, denn sie bedeuteten die sukzessive Schließung der Grenzen und für Tausende die Zwangsumsiedlung. Junge Männer sollten ihre Waffe am „Eisernen Vorhang“ nun auch gegen Flüchtlinge richten.

Mit Einführung der Wehrpflicht und der Angliederung des bewaffneten Organs an das Ministerium für Staatssicherheit und an das Verteidigungsministerium schaffte die DDR klare militärische Strukturen.

Die Demarkationslinie sollte für die Feinde des Sozialismus undurchdringlich werden. Tatsächlich aber sperrte die DDR die Menschen im eigenen Herrschaftsbereich in einen von der Grenzpolizei streng kontrollierten Käfig.

„Es ist verrückt“, formulierte es Sälter, „dass dabei die Bewacher – die Polizisten –, die eigentlich für Sicherheit da sind, streng überwacht werden.“

„Wesentliche Aufgabe der Grenzpolizei war es also, der sowjetischen Tradition folgend die Grenzbevölkerung zu observieren, deren Loyalität grundsätzlich in Zweifel gezogen wurde“, zog der 63-Jährige ein Fazit.

„Dabei benötigte eine Institution wie die Grenzpolizei, deren Zweck es war, eine autoritäre Gestaltung von Gesellschaft durch die Bewachung der Menschen zu unterstützen, immer auch ein gewisses Maß an innerer Repression, um ganz normale junge Männer dazu zu bringen, sich gegen ihre eigene Überzeugung den Befehlen gemäß daran zu beteiligen.

Die Geschichte der Grenzpolizei ist somit auch eine Geschichte der Grenzpolizisten, die den Dienst ungern verrichteten, das Grenzregime ablehnten und sich eher unfreiwillig beteiligten. Das dürften in den meisten Perioden der DDR sogar eine Mehrheit gewesen sein, auch wenn man dies nie genau wird nachrechnen können.“

Begrüßt wurden alle Gäste eingangs von Philipp Metzler. Der Vorstand und Studienleiter der Point Alpha Stiftung hob die Bedeutung des Themas heraus für alle die Berührung mit der DDR-Diktatur hatten, besonders für die grenznahe Bevölkerung aber auch für Point Alpha.

Dr. Gerhard Sälter stellte er als langjährigen Wissenschaftlichen Mitarbeiter der Gedenkstätte Stiftung Berliner Mauer vor, der sich intensiv mit der Geschichte der DDR-Grenztruppen sowie des Bundesnachrichtendienstes (BND) befasste.

Seit Januar 2025 leite er die Abteilung Vermittlung und Forschung des Stasi-Unterlagen-Archivs im Bundesarchiv.