Gastbeitrag von Anja Nimmich
Zu einem Unternehmerstammtisch zum Thema Energieversorgung hatten die Stadt Geisa sowie die Kommunen Buttlar, Schleid und Gerstengrund Ende September in den Gangolfisaal der Point Alpha Akademie Schloss Geisa eingeladen.
Zahlreiche Unternehmer aus der Region des Geisaer Landes nahmen teil und nutzten die Möglichkeit, sich über aktuelle Entwicklungen zu informieren und um ins Gespräch zu kommen.
Bürgermeisterin Manuela Henkel begrüßte neben den Unternehmern und kommunalen Vertretern besonders Landtagsabgeordneten Martin Henkel, die Klimaschutzmanagerin des Wartburgkreises Dr. Maxi Domke sowie die Referenten des Abends den Geschäftsführer von Werraenergie Hans Ulrich Nager, den Geschäftsführer des Überlandwerkes Roland Göpfert und Karsten Kurth von der IHK Erfurt, der mit seinem Kollegen Wigbert Kraus vor Ort war.
„Wir erleben gerade große Veränderungen und Herausforderungen und wir erleben gerade auch eine große Unsicherheit. Nichts ist mehr so wie es war und eine Krise so scheint es, folgt der nächsten“, so die Bürgermeisterin. Trotz all der Probleme böten ihrer Meinung nach Krisen aber auch Chancen.
„Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen“, so zitierte Bürgermeisterin Henkel den griechischen Philosophen Aristoteles.
„Der neue Kurs kann eigentlich nur in die Richtung Loslassen von Abhängigkeiten gehen, in die Richtung von mehr Autarkie, Selbstständigkeit, Kreativität, Ideenreichtum, Unternehmertum und Zusammenarbeit.“
Gerade jetzt sei es wichtig, dass man auf vielen verschiedenen Ebenen zusammenkomme und zusammenarbeite, um gemeinsame Lösungen zu finden.
Nach einem Grußwort von Landtagsabgeordneten Martin Henkel, der von der Bundesregierung ein Umdenken in Bezug auf Sanktionen und realistisch umsetzbare Lösungen in der Energiewende forderte, stellte Sandro Neumann die alternative Energiegewinnung über Erdwärme vor.
Er ist Geschäftsführer der GN Schweißtechnik GmbH, die aktuell in Geisa im Gewerbegebiet eine neue Produktionsstätte errichtet und Erdwärmeverteiler als auch Erdwärmeschächte mit diversen Industriepartnern weiterentwickelt und herstellt. Geothermie bezeichnet die in der Erdkruste gespeicherte Wärmeenergie und ihre ingenieurtechnische Nutzung.
„Geothermie kann zum Heizen, Kühlen und zur Stromerzeugung eingesetzt werden“, erklärte Neumann. In Regionen wie der Rhön werde das Thema Erdwärme aufgrund der Bodenbeschaffenheit oft kritisch gesehen.
„Das ist durchaus nicht so und es gibt mehr Möglichkeiten als man denkt“, so Sandro Neumann. Für ihn ist die Erdwärme definitiv ein wichtiger Faktor, um Ressourcen vor Ort als regenerative Energie in Zukunft zu nutzen. Für den Wärmesektor hatte die Bundesregierung bereits eine weitere Gesetzesinitiative angekündigt.
„Der Ausbau von Erdwärme wird jedoch kurzfristig vor allen Dingen wegen einem Mangel an Fachkräften nicht so schnell umsetzbar sein“, sagte Neumann.
Karsten Kurth von der IHK Erfurt informierte im Nachgang über aktuelle Entwicklungen auf den Energiemärkten und erklärte die verschiedenen Marktmechanismen. Ebenso ging er auf die besondere Situation der Unternehmen ein.
Die aktuell sich stark erhöhenden Strom- und Gaspreise führen zu einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland, Investitionen in Forschung, Innovation und Kernprozesse müssten zurückgestellt werden.
„Aktuell kommen mehrere Herausforderungen auf die Unternehmen zu“, so Kurth. Die Energie- und Rohstoffmärkte beeinflussten sich signifikant und bei etwa 60 % der Unternehmen liefen die Energieverträge mit festen Preisbindungen aus.
„Einsparungen können aktuell vorwiegend nur durch Reduzierung der Produktion vorgenommen werden und gestiegene Kosten lassen sich nur schwer über die Lieferkette weitergeben“, so der IHK-Experte. Damit seien die Preise für die Unternehmer kaum noch kalkulierbar.
Ebenso ging er auf die Auswirkungen einer Gasmangellage und den entsprechenden Notfallplan der Bundesregierung ein. Zu den geschützten Kunden bei Gaslieferungen gehören neben den sozialen Diensten und den Haushaltskunden auch die kleinen und mittleren Unternehmen aus dem Sektor Gewerbe, Handel, Dienstleistungen.
Eine selektive Abschaltung von nicht geschützten Kunden sichere Systemstabilität und die Weiterversorgung geschützter Kunden. Den Unternehmern empfahl er, ihre Daten an die Netzbetreiber zu übermitteln, den Gasverbrauch zu reduzieren, das Risikomanagement auszuweiten, Lieferketten zu überprüfen und ein entsprechendes Krisenteam aufzubauen.
Schnellst möglichst sollten sie jedoch Alternativen und Gegenmaßnahmen entwickeln.
Werraenergie-Geschäftsführer Hans Ulrich Nager kritisierte in seinem Vortrag die zögerliche und teilweise „dilettantische“ Vorgehensweise der Bundesregierung. Vor einigen Monaten hätte es hier noch Lösungsmöglichkeiten und Handlungsspielraum gegeben.
„Man hat hier viel zu lange gewartet und die Lösungsansätze kommen viel zu spät“, so Hans Ulrich Nager. Der Ausbau des Gasnetzes in Geisa, dass durch eine LNG-Anlage betrieben werden soll, wird weiterhin von Werraenergie vorangetrieben.
Beim Strom sieht Nager aktuell die größere Notlage als beim Gas. „Ganz Südfrankreich heizt im Winter mit Strom“, so der Geschäftsführer.
„Bei den aktuellen Problemen in den französischen Kernkraftwerken wird für uns nicht mehr viel von den gewohnten billigen Stromlieferungen aus Frankreich übrigbleiben.“
Einen flächendeckenden Stromausfall sieht Roland Göpfert, Geschäftsführer des Überlandwerkes, allerdings nicht auf Deutschland zukommen. Grundsätzlich sei es so, dass sich im Stromnetz anders als wie im Gasnetz kein Strom speichern lasse.
„Das Gleichgewicht bei Angebot und Nachfrage muss hier gegeben sein“, so Göpfert. Bisher wurden bei einem Überangebot Kraftwerke oder Windkraftanlagen abgeschaltet, nun müsse man in die andere Richtung des Unterangebotes denken.
„Als Netzwerkbetreiber müssen wir diskriminierungsfrei abschalten“, so Göpfert. Vorstellbar wäre, dass für eine Zeitspanne von 90 Minuten Bereiche, Orte oder Straßenzüge abgeschaltet und nicht mit Strom versorgt werden.
Allerdings könne das Überlandwerk nicht bei den Stromkunden ausmachen, ob nun eine Polizeistation oder ein Krankenhaus hiervon betroffen sind.
„Wir können da keine Unterschiede machen“, erklärte Roland Göpfert. Mit einem stufenweisen Abschalten würden flächendeckende Stromausfälle aber verhindert.
Ein Unternehmer fragte an, wie die Firmen benachrichtigt werden würden, da ein unvorhergesehenes Abschalten zu technischen Problemen an den Maschinen und Anlagen führen würde.
Der Überlandwerk-Geschäftsführer antwortete, dass die Unternehmen bis spätestens einen Tag zuvor benachrichtigt werden sollen, falls es denn wirklich soweit kommen sollte. Bei dem Thema Elektroauto und weitere Nutzungen von Strom als Alternative zu Gas wurde Göpfert dann jedoch sehr deutlich.
„Das ist alles gut gedacht, allerdings sind unsere Stromnetze dafür gar nicht ausgelegt.“ Man hätte schon längst in die Netze investieren müssen, dies würde aber zu einer deutlichen Erhöhung der Netzausbaubeiträge führen, was aktuell gegenüber den Kunden überhaupt nicht zu vertreten sei.
Ein kurzfristiger Netzausbau sei auch aufgrund von enormen Lieferengpässen unter anderem bei Trafostationen nicht möglich. Im Anschluss nutzen die Unternehmer das Angebot für einen Austausch und individuelle Fragen an die Fachexperten.