Beitrag von Rüdiger Christ
Mit einer Überraschung in Grün, dem Rücktritt der Thüringer Umweltministerin Anja Siegesmund(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ging das politische Jahr 2022 in Thüringen zu Ende.
Mit einer weiteren grünen Überraschung wartete der Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz, Dr. Burkhard Vogel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), zu Beginn des Jahres 2023 auf.
Der stark kritisierte Auslegungsprozess zur Novellierung der Thüringer Biosphärenreservats-Verordnung soll in eine zweite Runde gehen. Das teilte Staatssekretär Dr. Burkhard Vogel in einer Telefonkonferenz Medienvertretern der Region am Donnerstagvormittag mit.
Am Donnerstagabend fand dazu eine Veranstaltung auf Einladung des Staatssekretärs Vogel mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der Thüringer Rhön unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Dermbacher Schlosshalle statt.
Als eine Überraschung wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Veranstaltung, die Protestaktion der Stadtlengsfelder Bürgerinitiative "Gegen Windkraft im Wald der Rhön" vor dem Eingang der Dermbacher Schlosshalle wahrgenommen.
Bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern traf die Aktion der Bürgerinitiative auf große Zustimmung.
Auch mit Staatssekretär Vogel kam es zu einer kurzen und intensiven Diskussion, welche vom Thema Bau von Windkraftanlagen in der Rhön bestimmt war.
BI-Sprecher Ralf Adam wies dabei darauf hin, dass sich die Bürgerinitiative auf die Zustimmung von mehreren Tausend Einwohnerinnen und Einwohnern der Thüringer Rhön stützen kann.
Staatssekretär Vogel versprach den Diskussionsprozess weiter mit allen Beteiligten zu suchen und auch mit der Stadtlengsfelder Bürgerinitiative in den Dialog gehen möchte.
Der Rhönkanal wird weiter aktuell darüber berichten.
Doch schon jetzt melden sich kritische Stimmen zu der gestrigen Veranstaltung in der Dermbacher Schlosshalle.
Dabei ist vor allem der kommunale Regionalverein Rhönforum e.V. zu erwähnen, der satzungsgemäß die Interessen der Mitgliedsgemeinden und Landkreise bündelt und dabei auch im aktuellen Anhörungsverfahren eine zentrale Funktion einnimmt, sowie einige Bürgermeister.
In einer Medieninformation des Rhönforums heißt es dazu:
„Nach einer Flut von Widersprüchen zur geplanten Fortschreibung der Thüringer Verordnung über das Biosphärenreservat Rhön hatte das Thüringer Umweltministerium kurzfristig vor Weihnachten eine Einladung an betroffene Bürgermeister und Landräte der Thüringischen Rhön zu einem Informationsabend versendet.
Dieser Informationsabend mit Staatssekretär Vogel fand jetzt am 5. Januar in Dermbach statt. Aufgrund der Kurzfristigkeit konnten nicht alle Bürgermeister und betroffenen Landräte an dem Termin teilnehmen.“
Im Sinne eines guten Dialoges wäre es selbstverständlich gewesen, den Vorsitzenden des Rhönforums zu Wort kommen zu lassen. Doch bereits zu Beginn der Veranstaltung versuchten Beamte des Thüringer Umweltministeriums und dann auch der Staatssekretär, Rhönforum-Vorsitzenden Martin Henkel des Saales zu verweisen.
Auch im Fortgang der Versammlung wurden Wortmeldungen des Rhönforumsvorsitzenden durch den Staatssekretär Vogel abgelehnt.
Selbst die Aufforderung des Kaltennordheimer Bürgermeisters Erik Thürmer, die Redezeit seiner letzten Wortmeldung an Martin Henkel weiterzugeben, wurde durch Burkhard Vogel verwehrt.
Hierzu äußert sich Martin Henkel wie folgt:
„Das Verhalten des Staatssekretärs ist undemokratisch. Andererseits verwundert es mich auch nicht, denn die Stellungnahme des Rhönforum e.V. ist fachlich höchst fundiert und zeigt auf, wo das Ministerium sich irrt.
Dies wird auch darin bestätigt, dass das Ministerium sich gezwungen fühlt, es nicht wie geplant bei der ersten Anhörung zu belassen, sondern einen sogenannten Dialogprozess zu starten und danach eine zweite Anhörung vorzunehmen.
Das zeigt, dass unsere Bedenken zur Rechtmäßigkeit des bisherigen Verfahrensverlaufs richtig sind. Als Rhönforum wollen wir den Dialogprozess gern unterstützen und werden deshalb in den nächsten Wochen eine öffentliche Sitzung organisieren, zu der ebenfalls die Bürgermeister und Landräte, aber vor allem die Bürger und die Presse eingeladen sind.
Hierzu habe ich Herrn Staatssekretär Vogel bereits gestern eingeladen und ihm mitgeteilt, dass ich ihm dabei sehr gern das Wort erteilen werde.“
Grundsätzlich ist es gut, dass nun ein Dialogprozess zu den geplanten Änderungen der Biosphärenreservats Verordnung gestartet wird, die es übrigens nur für den Thüringer Teil der Rhön gibt.
Die Bürgermeister konfrontierten während der Informationsveranstaltung den Staatssekretär mit verschiedensten Themenbereichen - angefangen von den vielen durch das Biosphärenreservat bedingten Einschränkungen, den geplanten Kern- und Pflegezonenerweiterungen, Problemen bei Radwegebau, Land- und Forstwirtschaft, Jagd bis hin zur Forderung eines finanziellen Lastenausgleichs analog dem der Kur- und Erholungsorte.
Ablehnung der geplanten Aufhebung des Verbots von Windkraftanlagen im Biosphärenreservat Rhön
Sehr ablehnend äußerten sich die Bürgermeister zur geplanten Aufhebung des Verbots von Windkraftanlagen im Biosphärenreservat. Staatssekretär Vogel erwiderte, dass deshalb ja nicht gleich das gesamte Biosphärenreservat verspargelt würde.
Nach der Einschätzung seines Hauses gehe es lediglich um zwei neue Windvorranggebiete. Außerdem würde die Verantwortung hierfür „im Ermessen der Region, der Bürgermeister und der Regionalen Planungsgemeinschaft liegen, ob und wo Vorrangflächen ausgewiesen werden.“
Hierzu stellt Martin Henkel fest: „Diese Aussage des Staatssekretärs ist schlicht und ergreifend falsch. Zuerst muss festgestellt werden, dass die Regionalen Planungsgemeinschaften (RPG) kein kommunales Gremium sind, sondern Teil der staatlichen Landesplanung.
Zwar entsenden die Städte mit über 10.000 Einwohnern je einen Vertreter und auch über die Kreise und Kreistage werden einige wenige Vertreter entsandt.
Dennoch haben diese als Mitglieder der RPG dann dort nicht kommunale, sondern landesplanerische Entscheidungen gesetzeskonform zu treffen.
Aus den Gemeinden des Biosphärenreservats Rhön sind lediglich Bürgermeisterin Manuela Henkel (Stadt Geisa) und Bürgermeister Erik Thürmer (Stadt Kaltennordheim) durch die jeweiligen Kreistage (Wartburgkreis und Landkreis Schmalkalden-Meiningen) in die RPG vertreten.
Fakt ist, dass in dem Moment in dem das Verbot aufgehoben wird, „alle Dämme brechen“ und regionale Akteure in den Städten und Gemeinden faktisch kein Mitspracherecht mehr haben.
Die RPGs sind durch Bundesgesetz verpflichtet 2,2 Prozent der Landesfläche als Vorranggebiet Wind auszuweisen. Aktuell sind im Bereich der RPG Südwestthüringen lediglich 0,15 Prozent als Vorranggebiet ausgewiesen, von denen aber noch ein Teil unbebaut ist.
Real liegt man etwa bei 0,11 Prozent. Selbst die bisherigen Betrachtungen für zukünftige Erweiterungen kommen lediglich auf 0,3 Prozent. Dabei sind höchst problematische Flächen wie W4 zwischen Stadtlengsfeld und Bad Salzungen sogar bereits mit eingerechnet.“
Südwestthüringer Raum und Rhön drohen 20-fach mehr Windkraftanlagen als bisher
„Aktuell würden sich die Anlagen gegenüber dem jetzigen Stand fast verdreifachen. Die 2,2 Prozentvorgabe des Bundes und des Thüringer Umweltministeriums bedeuten im Bereich der RPG Südwestthüringen das 20-fache des aktuellen Bestandes an Windkraftanlagen.
Die RPGs sind per Gesetz gezwungen diese Vorgaben umzusetzen. Sollten sie dies bis Mitte 2024 nicht erreichen, sieht die Gesetzeslage in Thüringen vor, dass sich das zuständige Ministerium dann die Planungshoheit direkt an sich zieht.
Wenn das Windkraftverbot im Biosphärenreservat aufgehoben wird, darf man sich sicher sein, dass auf Grund der guten Windhöffigkeit und der geringen Siedlungsdichte hier eine massive Verspargelung erfolgen wird.
Damit wäre das wesentlichste Schutzziel des Biosphärenreservats Rhön, der Schutz des Landschaftsbildes ins Absurde geführt“, so Martin Henkel.