Mitteilung des Forschungsinstituts Point Alpha e.V.
Mit einem öffentlichen „Geisa Gespräch“ sowie einer großen Auftaktveranstaltung mit Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft hat in dieser Woche das Forschungsinstitut Point Alpha e.V. in Geisa offiziell seine Arbeit aufgenommen.
Im Sommer des letzten Jahres hatten Wissenschaftler der Hochschule Fulda und der Universität Erfurt das Institut gemeinsam mit der Point Alpha Stiftung und der Stadt Geisa gegründet.
In dem Forschungsinstitut soll über den Kalten Krieg und seine Bedeutung für die Gegenwart, das Leben an der Grenze und die Demokratie in der globalen Ordnung geforscht werden.
„Es ist kein Zufall, dass die erste Veranstaltung ein Bürgergespräch ist“, eröffnete Prof. Dr. Christiane Kuller von der Universität Erfurt die Diskussion im Kulturhaus der Stadt Geisa.
„Wissenschaft, Politik und Gesellschaft sollen ins Gespräch kommen, sich austauschen und gegenseitig zuhören“, sagte Kuller, die Mitglied des Direktoriums des Forschungsinstitutes ist.
Das öffentliche Gespräch war dementsprechend der Auftakt für viele weitere solche Angebote, die folgen sollen.
Themen unerwartet aktuell
Der Ukrainekrieg hat die Themen des Instituts „zu Kernfragen der Gegenwart“ gemacht, stellte Christiane Kuller fest. Diese Aktualität habe niemand erwartet. Und so stand das erste „Geisa Gespräch“ ganz unter dem Eindruck dieses Krieges.
Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Christine Domke, Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Matthias Klemm, Politikwissenschaftler Prof. Dr. Philip Liste und der Historiker Dr. Patrice Poutrus diskutierten mit rund 120 Gästen, inwieweit der aktuelle kriegerische Konflikt Europa neu ordnet und welchen Einfluss er auf die Entwicklung der Demokratie hat.
Es ging unter anderem um Fragen der Kriegsführung über die sozialen Medien, um Völkerrecht und um die beschlossenen schweren Waffenlieferungen.
„Wie können wir die Vereinten Nationen wieder stärken“, fragte einer der Teilnehmenden. Die anschließende Diskussion auf diese Frage zeigte allerdings ganz deutlich: Wie sich die Welt künftig gestalten wird, ist noch unklar.
In der anschließenden Festveranstaltung mit geladenen Gästen ließen die Redner keinen Zweifel daran, dass das Forschungsinstitut angesichts der aktuellen Weltlage eine bedeutende Aufgabe habe.
So hob Elke Harjes-Ecker, Abteilungsleiterin für Kultur und Kunst in der Staatskanzlei Thüringen, hervor, dass gerade in Zeiten der Orientierungssuche wissenschaftliche Expertise wichtig sei. Wissenschaft helfe, angemessene Entscheidungen zu treffen.
Zukunftsweisendes Pilotprojekt
Der Präsident der Hochschule Fulda und Vereinsvorsitzender Prof. Dr. Karim Khakzar, machte deutlich, dass das Institut bereits in seiner Konstruktion die Idee der Überwindung von Grenzen beinhalte.
Wissenschaftler würden hier landesgrenzen-, hochschul- und disziplinübergreifend zusammenarbeiten. Das unterstrich auch der Vizepräsident für Forschung der Universität Erfurt, Prof. Dr. Benedikt Kranemann.
Er vertrat an dem Abend Präsident Prof. Dr. Walter Bauer-Wabnegg, der im Institut die stellvertretende Vorstandsposition inne hat. Kranemann sprach von einem Pilotprojekt, das zukunftsweisend sei.
Die länderübergreifende Kooperation überspanne die ehemalige innerdeutsche Grenze; die interdisziplinäre Zusammenarbeit mache es möglich, auch auf Fragen Antworten zu geben, die sich nicht nur aus der Perspektive einer Disziplin beantworten ließen.
Weitere Grußworte sprachen Prof. Dr. Hans-Joachim Reinhard, Dekan der Hochschule Fulda sowie Bundestagsabgeordneter Dr. Stefan Heck als Stiftungsratsvorsitzender der Point Alpha Stiftung. Von der Stiftung selbst arbeitet Philipp Metzler im Vorstand des Forschungsinstitutes mit.
„Der Ukrainekrieg macht deutlich, dass die geschichtlichen Linien, die in Point Alpha zusammenlaufen, auch unsere Gegenwart und Zukunft bestimmen“, unterstrich Prof. Dr. Claudia Wiesner von der Hochschule Fulda als Sprecherin des Direktoriums des Forschungsinstituts.
Heute stünden sich das autokratische Russland und die westlichen liberalen Demokratien gegenüber. Das Institut werde zu alten und neuen geopolitischen Themen forschen.
Auch die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Folgen der deutschen Teilung sowie das Leben der Menschen im Grenzgebiet wolle man in den Blick nehmen.
Ebenso verwies Wiesner auf die gemeinsame Bewerbung des Institutes mit der Stadt Eisenach für das von der Bundesregierung geplante Zukunftskompetenzzentrum hin.
Gefährdung der Demokratie?
Höhepunkt der Veranstaltung war der Festvortrag des renommierten Demokratieforschers Prof. Dr. Wolfgang Merkel.
Es sei eine „geradezu brilliante Idee“, ein solches Institut nicht in Berlin, Hamburg oder München zu gründen, sondern in der „Peripherie“, konstatierte er, bevor er einen Einblick gab, wie es um die Demokratie steht.
In der Tat, stellte er fest, zeige sich weltweit eine Qualitätsverschlechterung, eine Erosion der Demokratie mit Blick auf Radikalisierung, Polarisierung, Einschränkung von Freiheitsrechten.
„Möglicherweise befinden wir uns wieder in einem Wettlauf der Systeme“, so Merkel.
Ungleichheit sei einer der großen Treiber von Demokratiekrisen. Ein anderer sei Moralismus. Ohne Moral gebe es keine Demokratie. Moralismus hingegen ist nach Merkels Auffassung etwas Anderes.
Er zeichne sich dadurch aus, dass der eigenen Position moralische Überlegenheit zugeschrieben werde.
„Moralismus erzeugt Polarisierung“, ist sich der Demokratieforscher sicher. In den Debatten um den Klimawandel sei das ebenso zu beobachten gewesen, wie in der Pandemie.
„Nun stelle sich die Frage, ob wir mit dem Ukrainekrieg eine neue Polarisierung der Debatte erleben“, sagte der Festredner. Man dürfe vermeintlich unmoralisch argumentierende Personen nicht für die Demokratie verlorengeben, forderte er.
Die gute Botschaft: In Deutschland, so Merkel, sei die Demokratie derzeit nicht existenziell bedroht, doch auch hier gebe es einen messbaren Abwärtstrend.
„Demokratien sind nicht für die Ewigkeit gebaut. Demokratien sind fragil. Sie haben heute mehr Probleme als noch vor 20 Jahren. Das ist ein wichtiges Feld, das beforscht werden und in die Gesellschaft hineinkommuniziert werden muss“, schloss er seine Ausführungen.
Bürgermeisterin Manuela Henkel dankte allen, die den Aufbau des Forschungsinstitutes unterstützen.
Für Geisa, als einst westlichste Stadt des Warschauer Paktes sei dies eine große Chance die Geschichte der Region an der innerdeutschen Grenze aufzuarbeiten und die Erkenntnisse daraus weiterzutragen.
Ihr besonderer Dank ging an den Gründungsvater von Point Alpha, Berthold Dücker, der letztlich auch die Idee zur Gründung des Forschungsinstitutes hatte.
Für seine Verdienste erhielt Dücker als erster Preisträger den Athanasius-Kircher-Preis der Stadt Geisa.
Musikalisch wurde die Festveranstaltung von Schülern der Musikschule des Wartburgkreises unter der Leitung von Andrea und Heiko Hoffmann sowie von Pianist Ulrich Göb gestaltet.