Gastbeitrag von Michael Knauf
Nach Abbruch eines ungeliebten 1780 begonnenen Theologie Studiums in Leipzig, wollte Johann Gottfried Seume Deutschland verlassen und in Metz (Frankreich) eine Artillerieschule besuchen.
Jenseits der Werra, in dem zu Vacha gehörigen Gasthof „Sachsenheim“, fiel er im Jahr 1781 an der Landesgrenze zwischen Thüringen und Hessen, den Soldatenwerbern für Amerika, des Landgrafen von Hessen-Kassel in die Hände.
Im Februar und Mai 1782 schifften zwölf vollständige hessische Regimenter in zwei Kolonnen nach Amerika ein, in denen sich auch ca. zwanzig Vachaer Bürger und Seume befanden.
Diese wurden für den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg an Großbritannien vermietet. Nach einer zweiundzwanzigwöchigen Überfahrt landete er bei Halifax in Kanada. Hier erfolgte auch die Stationierung der hessischen Truppen.
Es wurden keine militärischen Einsätze oder Kampfhandlungen mehr durchgeführt, weil der Unabhängigkeitskrieg von Amerika schon beendet war. Hier kam er in Kontakt mit Ureinwohner, deren Freundlichkeit und Offenheit schlug sich in seinem Gedicht „Der Wilde“ nieder.
In Halifax begann seine lebenslange Freundschaft mit dem hessischen Offizier von Münchhausen. In einer späteren Reisebeschreibung, „Spaziergang nach Syracus im Jahre 1802“ gedenkt er seines früheren Missgeschicks in Vacha.
In seiner Selbstbiographie „Mein Leben“ (1809) erzählt er:
„Ich ging also nach Berichtigung meiner Schulden fort, ohne irgend eine Silbe gesagt zu haben. Den Degen an der Seite, einige Hemden auf dem Leibe und im Reisesacke und einige Klassiker in der Tasche, marschierte ich zwar ganz rüstig und leicht, aber nicht weniger als ruhig durch die Dörfer nach Dürrenberg, setzte dort über die Saale, ging über das Schlachtfeld von Roßbach und blieb die erste Nacht in einem kleinen Dorfe bei Freiburg. [...]
Den zweiten Abend blieb ich in einem Dorfe vor Erfurt, wo man mich mit vieler Teilnahme sehr gut, sehr wohlfeil bewirtete und mich schonend merken ließ, ich hätte wohl jemand mit dem Instrument da, man wies auf den Degen, etwas über behandelt und müsse das Weite suchen. Ich widersprach zwar, aber man schien doch so etwas zu glauben. [...]
Den dritten Abend übernachtete ich in Vacha und hier übernahm trotz allem Protest der Landgraf von Hessen der damalige große Menschenmakler, durch seine Werber die Besorgung meiner ferneren Nachtquartiere nach Ziegenhein, Kassel und weiter nach der neuen Welt.“
20 Jahre später traf der berühmte Wanderer und Reise-Dichter an einem heißen Sommertag, von Hünfeld kommend, noch einmal in Vacha ein.
Er war auf einer neunmonatigen Wanderung, die er am 9. Dezember 1801 von Grimma aus nach Syracus (Sizilien/Italien) angetreten war und den größten Teil der 6000 km langen Strecke zu Fuß zurückgelegt hatte.
Er berichtete: „Von Vacha wollte ich die Post nach Schmalkalden zu meinem Freund, dem Offizier Karl Ludwig August Heino von Münchhausen nehmen. Der Wirt verpflichtete sich, da nicht sogleich Pferde zu haben waren, mich hinüber zu schaffen , ließ sich die Posttaxe für zwei Pferde und den Wagen bezahlen und gab mir einen alten Gaul zum Reiten. Das nenne ich Industrie. Was sollte ich machen? Ich setzte mich auf, weil ich fort wollte.“
Aus einer Strophe seines Gedichts „Die Gesänge“ von 1804 wandelte der Volksmund folgenden Spruch ab: „Wo man singt, da laß' dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder.“
Zwei weitere bekannte Seume-Zitate sind: „Wer die anderen neben sich klein macht, ist nie groß“ und „Es würde alles besser gehen, wenn man mehr ginge.“
Einige bekannte Seume Publikationen:
Spaziergang nach Syracus (1802)
Die Gesänge (1804)
Mein Leben (1809)
Seit dem Jahr 1948 trägt das Gymnasium/Oberschule in Vacha den Ehrenvollen Namen „Johann Gottfried Seume“.
Der Jahrhundert alte Gasthof „Sachsenheim“ wurde im Sommer 1971 durch die Grenztruppen der ehemaligen DDR wegen unmittelbarer Grenznähe gesprengt und nachfolgend dem Erdboden gleich gemacht. Von ihm existiert nur noch das Eiskeller-Gewölbe.
Aus der historischen Vachaer Stadt-Chronik erzählt Michael Knauf