Gastbeitrag von Michael Knauf
Hermann Koch erblickte am 4. Dezember 1808 in Lengsfeld (ab 1896 Stadtlengsfeld) das Licht der Welt. Der vollständige Name, benannt nach seinem jüdischen Glauben, war Hirsch Hermann Koch, wobei sich der israelitische Name Hirsch auf die hebräische Bibel (Tanach) bezieht.
Seine Eltern waren die Eheleute Esther und Shumel Koch. Der Vater Shumel Koch sorgte als Kaufmann für ein sehr gutes Familieneinkommen. Nach dem Besuch der Volksschule in Stadtlengsfeld wechselte Hermann im Jahr 1822 auf das Gymnasium.
Ab dem Jahr 1827 studierte er erfolgreich Medizin. Nach seiner Zeit als Assistenzarzt, erfolgte im Jahr 1836 die Berufung als Stadt- und Spitalsarzt nach Geisa/Rhön.
In Geisa wirkte und lebte Dr. Koch 34 Jahre, wo er durch sein Können, seiner guten und scharfsinnigen Diagnostik, sowie seiner steten Einsatzbereitschaft, ein hohes Ansehen der Bevölkerung im Geisaer Land genoss.
Hier heiratete Hermann die aus Amstein, Landkreis Cham (Bayern) stammende Regine Rächel Frank. Aus der Ehe gingen vier Söhne und eine Tochter hervor.
Nur über drei Söhne konnten nähere Angaben in Erfahrung gebracht werden. Der älteste Sohn Robert wurde am 15. Mai 1851 in Geisa geboren, er arbeitete später als Kaufmann und Hofjuwelier in Frankfurt/Main, wo er bereits im Alter von 51 Jahren 1902 verstarb.
Friedrich Koch wurde 1857 ebenfalls in Geisa geboren. Von Beruf war er Kaufmann und verstarb im Alter von 59 Jahren am 3. Juni 1916 in Frankfurt/Main.
1862 erblickte der Sohn Louis in Frankfurt/Main das Licht der Welt. Er war von Beruf Juwelier, Autograph- und Kunstsammler. Er verstarb im Alter von 68 Jahren 1930 in Frankfurt/Main.
Keiner seiner Kinder trat beruflich in die Fußstapfen des Vaters. Um 1850 wurde Dr. Koch, durch das Ableben seines Vorgänger Dr. Carl Ludwig Kaiser zum Amtsphysikus ernannt.
Das erfüllte Leben der Kochs in Geisa, war geprägt von einem friedlichen Miteinander dreier Konfessionen auf Augenhöhe und gegenseitiger Achtung.
Durch die Brandkatastrophe 1858 in der Oberstadt von Geisa wurden auch die jüdische Synagoge und der evangelische Betsaal durch die Flammen zerstört. Gottesdienste und Schulunterricht waren nicht mehr möglich.
Nach Absprache mit dem israelitischen Gemeinde-Vorsteher H. Bettmann, stellte der schon über zwanzig Jahre in Geisa tätige jüdische Arzt Dr. Koch, zwei Zimmer in seinem Haus der evangelischen Gemeinde für den Schulunterricht zur Verfügung.
Ein besonderes inniges Verhältnis pflegte Dr. Koch zu den Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul Orden.
Die Vinzentinerinnen waren ab dem 27. April 1854 für den ganzen Betriebsablauf, wie die Pflege, Behandlung und Versorgung der Patienten im Geisaer Spital zuständig.
Nach einem arbeitsreichen Leben, immer im Dienste seiner Patienten, verschied Dr. Koch viel zu früh, im Alter von 62 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls, am 22. Januar 1870.
Seine letzte Ruhe fand er nach einem Grabregister des jüdischen Museums Frankfurt/Main, am 25. Januar 1870 auf dem jüdischen Friedhof in Stadtlengsfeld. Hier befinden sich noch heute drei Grabsteine seiner verstorbenen Söhne.
Seine Kinder gründeten nach dem Tod und zum Andenken ihres Vaters, die Dr. Koch´sche Stiftung für das St. Elisabeth Krankenhaus in Geisa. Eingeweiht wurde das St. Elisabeth Krankenhaus am 06. Mai 1882 vom Landdechant Leonard Vogt.
Durch Gelder aus dieser Stiftung war die Einrichtung eines modernen Operationssaals mit einem vollständigen Instrumentarium und dazu gehörigem Zubehör möglich. Auch wurde ein für damalige Zeiten modernes Röntgengerät angeschafft.
Den Ausbau der Örtlichkeiten, wie für den OP-Saal und für die Röntgenräumlichkeiten, sowie die Kosten für alle Modernisierungs- und Ausbauarbeiten übernahm die Stiftung. Am 9. Februar 1913 wurden die Umbau und Modernisierungsarbeiten abgeschlossen.
Die Feierlichkeiten und ein Ehrungsakt für die Gründer der „Koch´schen Stiftung“ fanden am 13. April 1913, durch den Stadtrat von Geisa, im Rathaus statt.
Außerdem wurde zu Ehren von Dr. Koch, im Eingangsbereich des St. Elisabeth Krankenhaus, eine Bronzetafel mit einem Porträt des beliebten Arztes enthüllt.
Die Inschrift lautet:
„Dr. Hermann Koch, geb. am 4. Dezember 1808 in Stadtlengsfeld, wirkte 34 Jahre in segensreicher Weise als Arzt in Geisa und starb daselbst am 22. Januar 1870. Die Einrichtung des Krankenhaus ist aus Mitteln der Dr. Koch´schen Stiftung bestritten, die zum Andenken an den Verstorbenen von seinen Kindern errichtet wurde.
Geisa im Januar 1912“
Die Bronzetafel ist heute noch im Empfangsbereich des „ St. Elisabeth Alten-und Pflegeheim“ zu sehen. Das Alten-und Pflegeheim wurde am 1. Januar 1993 gegründet.
Die Söhne von Dr. Koch fühlten sich immer mit Geisa verbunden. Sohn Louis konnte durch glückliche Umstände das Herbarium, des verstorbenen jüdischen Lehrer und weltbekannten Botaniker Moritz Goldschmidt aus Geisa retten. So blieb es für die Nachwelt erhalten und man kann große Teile davon heute noch im Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt/Main bewundern.
Nach einer Gesetzgebung, durch die Nationalsozialisten im Dritten Reich, wurde bedingt wegen des jüdischen Glauben von Dr. Koch, die „ Koch´sche Stiftung“ ab dem 1. Januar 1938 in „Hospital und Krankenhaus Stiftung“ umbenannt.
Von 1913 an wurden täglich, aus Mitteln der Stiftung, 30 kostenlose, warme Mahlzeiten an Bedürftige ausgegeben. Ab 1950 wurde durch die DDR-Behörden die Essensausgabe untersagt, da es in einem sozialistischen Staat keine Bedürftige geben durfte.
Dr. Koch ist auch nach über 150 Jahren in Geisa unvergessen. Sein Wirken und seine außergewöhnliche Lebensleistung werden in einigen Publikationen gewürdigt.
Wer mehr über Dr. Koch erfahren möchte, dem empfehlen wir folgenden Lesestoff:
-Festschrift 1175 Jahre Geisa, Autor: Heinz Kleber (+), Verlag Rindt-Druck, Fulda 1992, keine ISBN-Nummer
-Christen und Juden lebten einst friedlich zusammen, Autor: Heinz Kleber(+), Verlag Erb-Druck Geisa, 3. Auflage 2021, keine ISBN-Nummer, noch erhältlich
-Juden in Südthüringen geschützt und gejagt, Band 5, Jüdische Gemeinden in der Vorderrhön, Autor: Hans Nothnagel, Verlag Buchhaus Suhl, 1.Auflage 1999, ISBN 3-929730-21-9
-Privat-Aufzeichnungen der Vinzentinerin Ordens-Schwester Generosa (+)
- Beiträge im Internet: Genealogy Dr. Hermann Koch
-Zentralarchiv der jüdischen Bevölkerung von Deutschland in Heidelberg, Herr Dr. Leon Tauber
-Jüdisches Museum Frankfurt/Main, Herr Valentino Massoglio
Die aufgeführten Publikationen gelten gleichzeitig als Quellenangabe.
Ohne die Jahrzehnte langen, akribischen Recherchen, über die israelitische Gemeinde von Geisa, des Heimatforscher und Autor Heinz Kleber (†), wäre dieser Artikel nicht möglich gewesen.
Einen besonderen Dank, für die Hilfe zur Erstellung des vorliegenden Beitrages, möchte ich dem Heimatforscher, Autor und Ortschronist von Stadtlengsfeld Rolf Leimbach, dem Heimatforscher Alexander Henning aus Geisa, dem Heimatforscher und Autor Manfred Dittmar aus Geisa, dem Leiter des Altenpflegeheim St. Elisabeth Geisa Stefan Günther, dem Heimatforscher und Autor Bruno Leister aus Meiningen, Dr. Leon Tauber vom Zentralarchiv der jüdischen Bevölkerung in Heidelberg und Valentino Massoglio vom Jüdischen Museum in Frankfurt/Main aussprechen.