Geschichten & Sagen vom Türmerstübchen der Bad Salzunger Stadtkirche St. Simplicius

Beitrag von Michael Knauf

Die Bad Salzunger evangelische Stadtkirche St. Simplicius hat eine bewegende Geschichte. Erbaut wurde die Kirche nach Errichtung der Stadtbefestigungen im Jahr 1112.

Sie wurde dem christlichen Heiligen und Märtyrer Simplicius geweiht. Simplicius wird gemeinsam mit seinen Geschwistern Faustinus und Beatrix im Jahr 305 in Rom hingerichtet, weil sie sich geweigert hatten ihrem Glauben, vor dem Kaiser Diokletian abzuschwören.

Nach dem teilweisen Einsturz des Gotteshauses erfolgte ein Neuausbau um das Jahr 1380. Schon im Jahr 1524 wurde ein erster evangelischer Gottesdienst in der Salzunger Stadtkirche abgehalten.

Im dreißigjährigen Krieg 1634 verwüsteten kroatische Söldner die Kirche und 1640 kam es durch den Einfall der Schweden zu einem Stadtbrand. Die Kirche wurde stark in Mitleidenschaft gezogen.

Bereits 1643 war das Kirchenschiff wieder aufgebaut und 1653 konnte der Kirchturm fertiggestellt werden. Eine weitere Katstrophe ereignete sich durch den großen Stadtbrand von 1786, die Stadtkirche und die benachbarte Schnepfenburg brannten hierbei völlig nieder.

Nach kurzer Aufbauzeit konnten 1791 wieder Gottesdienste abgehalten werden. In den Jahren 1908 und 1909 wurde eine gewölbte Kirchendecke eingezogen und der Meininger Theaterherzog Georg II., schenkte dem Gotteshaus eine Wilhelm Sauer-Orgel.

Im Jahr 1998 erfolgte eine umfassende Innenrenovierung und 2003 wurden neue Zuluft-Heizkanäle, neue Kirchenbänke angeschafft und der Fußboden ausgebessert.

Vor über einhundert Jahren war Salzungen noch eine der Thüringer Städte, die hoch über den Dächern, einen Turmwächter oder Türmer mit seiner nicht gerade kleinen Familie beherbergte.

Der Türmer hatte die Aufgabe vom höchsten Turm der Stadt die Bevölkerung vor Gefahren wie Feuer, Überfall, Hochwasser oder anderen Katastrophen zu warnen.

Das Alarmsignal war in der Regel das Läuten einer Kirchturmglocke, ein Horn oder Signalflaggen und bei Dunkelheit auch Lichtsignale jeglicher Art.

Über der Turmuhr und unter den Glocken, in der romantischen Türmerwohnung der Stadtkirche, war ein Raum für Märchen, Sagen, Musizieren, Erzählungen und Poesie.

Es kamen viele, vor allen junge Leute zu Besuch zu der Türmerfamile, teils weil sie den Ausblick genießen wollten oder so, das unbeschreibliche und ansprechende Flair einmal miterleben konnten.

Damals gab es doch noch kein TV, Internet oder eine Disco. Auch der Salzunger Heimatdichter Ludwig Wucke hat sich in seinen Jugendjahren sehr gerne unter der Turmkuppel, in der Türmerwohnung, in luftiger Höhe aufgehalten.

Kurzerhand hat er diesen markanten Ort zum Schauplatz einer seiner Sagen gemacht. Er wählte die Zeit aus, als sich an der Stadtkirche St. Simplicius noch ein Friedhof befand.

Zur damaligen Zeit ließ auch das Geschlecht derer von Buttlar, aus dem nahen Wildprechtroda, seine Toten auf diesem Friedhof bestatten.

Nach Überlieferungen soll einer diesen Geschlechts keine Ruhe im Grabe gefunden haben und allnächtlich zur Geisterstunde seine Grabstätte verlassen haben, um unverzüglich nach Wildprechtroda zu seinem Stammsitz zu eilen.

Punkt Mitternacht sah man den Geist wieder in seinem Salzunger Grab verschwinden. Vor dieser nächtlichen Wanderung pflegte der „gespenstige Nachtwandler“ seinen Mantel am Kreuz seines Grabes aufzuhängen und nach Rückkehr in seine kalte Ruhestätte, wieder anzulegen.

Eines Abends war wieder bei dem Türmer allerlei junges Volk zu Besuch, welches sich ungewöhnlich lange bei ihm aufhielt. Erst kurz vor 23 Uhr dachte man an die Heimkehr.

Da aber wehrte der Türmer ängstlich ab und meinte: „Wartet noch ein Weilchen bis der Wildprechtröder fort ist. Ihr lauft ihm sonst geradezu in den Weg.“

Die meisten wussten wohl, was mit diesen Worten gemeint war und gaben dem Türmer recht. Ein junger, übermütiger Bursche aber behauptete: „Ach was, ich fürcht' mich nicht und wenn selbst der Teufel käme! Wenn der Spuk dort drunten fort ist, will ich hinabgehen, ihm den zurückgelassenen Mantel wegnehmen und ihm dann einstweilen hier auf dem Turm in Sicherheit bringen.“

Der Türmer wollte zuerst durchaus nichts davon wissen, gab aber zuletzt dem Drängen seiner Gäste nach, als diese versprachen die eisernere Falltür zur Türmer Wohnung zu verrammeln und von außen mit dicken Kreuzen zu bemalen.

Mit dem Glockenschlag 23 Uhr erschien der Geist, verließ den Friedhof und schlug den Weg am Burgsee entlang, nach Wildprechtroda ein.

Nun eilten die jungen Leute vom Turm die Treppen herunter und brachten nach einiger Zeit den halb vermoderten, zerlumpten Mantel in die Türmer Wohnung.

Verrammelten und verriegelten, die mit Kreuzen bemalte Falltür und warteten nicht ohne Grauen, den nächsten Schlag der Turmuhr ab.

Mit diesem begann aber zugleich auch ein so furchtbares Lärmen und Stöhnen und ein Krachen der eisernen Falltür, dass allen die Haare zu Berge stiegen.

Der Türmer in seiner Angst warf den zerlumpten Mantel zum Fenster hinaus auf den Friedhof. Sofort war alles wieder totenstill.

Seit dieser Nacht hat niemand mehr das Gespenst bemerkt. Auch der Türmer konnte den Spuk nicht wieder von seinem Fenster aus beobachten.

-Frei nach der Sage von Ludwig Wucke erzählt.-