HEUTE vor 80 Jahren war der Beginn der „Big Week“ – Luftkrieg über der Rhön

Beitrag von Michael Knauf

Der 24. Februar 1944 war ein wolkenloser, sehr kalter Wintertag mit strahlendem Sonnenschein. Ein Donnerstag bei klirrender Kälte und einer Schneehöhe um die 40 cm in der Rhön.

Gegen 13 Uhr, in der Mittagszeit, ertönten schaurig die Sirenen: Fliegeralarm!

Plötzlich waren am Himmel, Kondensstreifen hinter sich herziehend, amerikanische Bomberpulks zu sehen, die hektisch von Begleitjägern umkreist wurden. Alles in einer Flughöhe von ca. 6.000 bis 9.000 Metern.

Bedingt durch eine ab dem 20. Februar 1944 einsetzende Schönwetterfront, war es der Westalliierten Luftflotte möglich, von ihren Flugplätzen in Süditalien und in Ostengland mit ca. 2000 Flugzeugen einen Luftschlag gegen die deutschen Flugzeugwerke und deren Zulieferindustrie zu fliegen.

Die legendäre "Flak Alley", dieser amerikanische B-24 Bomber wurde am 24. Februar 1944 über Unterbreizbach abgeschossen

Zwei Bomber-Divisionen flogen in Richtung Kassel. Südlich von Kassel trennten sie sich, wobei die erste Division in südlicher Richtung Kurs auf Schweinfurt nahm und die zweite Division nach Osten Richtung Gotha abdrehte.

In Schweinfurt waren die Angriffsziele die Kugellagerwerke „FAG Kugelfischer, Fichtel & Sachs“ sowie die militärischen Ziele „Flugzeugführer-Schule 7“ und der „Fliegerhorst Kommando 11 /XII“.

In Gotha wurde die Gothaer Waggonfabrik AG als Hauptziel markiert. Hier befanden sich die Produktionsanlagen zur Herstellung von Militärflugzeugen in größeren Stückzahlen, wie der Lastensegler Go 242/244/345, die Kampfflugzeuge Me 110, Me 210, Me 410, die He 45 und die Ka 430.

Einige Rhöner-Zeitzeugen berichteten später:

Über der Ortslage von Stadtlengsfeld stürzt in Folge eines Luftkampfes mit deutschen Jägern ein amerikanischer Bomber B 24 Librator ab, dessen Trümmerteile gehen im Kohlgraben nieder. Der Pilot überlebt den Absturz nicht.

Den anderen Besatzungsmitgliedern gelingt eine Rettung mittels Fallschirm und sie wurden anschließend gefangen genommen.

Über Unterbreizbach donnerten plötzlich in geringer Flughöhe zwei deutsche Jagdflugzeuge Me 109, dann ziehen diese steil nach oben, sie hatten die Bomberpulks entdeckt.

Die Besatzung des am 24. Februar 1944 über Stadtlengsfeld abgeschossenen amerikanischen B-24 Bombenflugzeug.

Ein amerikanischer Begleitjäger vom Typ Mustang der 357. Fighter Group war in der Hitze des Gefechts in das Maschinengewehrfeuer der deutschen Jäger und der B 24 Bomber geraten und wurde wahrscheinlich von den eigenen Fliegern versehentlich abgeschossen.

Der Kampfpilot Leutnant McKee konnte noch in letzter Minute seine Maschine verlassen und sich mittels Fallschirm retten. Die Maschine stürzte, eine Rauchfahne hinter sich herziehend, in ein an der Mühlbachstraße angrenzendes Ackergrundstück.

Der Pilot überlebte schwer verletzt und wurde gefangen genommen, nach dem Krieg kehrte er wohlbehalten in die Staaten zurück.

Zur gleichen Zeit, gegen 13.30 Uhr, hatte über Unterbreizbach eine B 24 der 44. Bomb Group, die legendäre „Flak Alley“ mehrere Motorschäden. Es sollen nur noch zwei Motoren an einer Tragflächenseite gearbeitet haben.

Ebenfalls eine Rauchfahne hinter sich herziehend, verließ sie den schützenden Pulk und stürzte mit lautem Getöse und sich um die eigene Achse drehend (prop wash) am Waldrand des Kornberges ab.

Von den zehn Besatzungsmitgliedern kamen sechs ums Leben. Neben dem Piloten, dem Bordingenieur und den Bombenschützen überlebte der verletzte Navigator James A. Schroeder den Absturz.

Aus Pferdsdorf berichtete Frank Ißbrücker, das der jüngere Bruder seines Vaters einer der Ersten an der Absturzstelle war und den Navigator J.A. Schroeder zur Erstversorgung und zum Verbinden mit nach Hause nahm. Da seine Mutter relativ gut Englisch sprach, waren einige Gespräche möglich.

Der Navigator wurde einige Zeit später von Wehrmachtsangehörigen gefangen genommen. Alle vier Überlebenden dieses Absturzes kamen nach der Gefangenschaft zum Kriegsende zurück in ihrer Heimat.

Bombensplitter einer englischen Splitterbombe, der Luftschutzwart eines getroffenen Schweinfurter Gebäudes in der Richard Wagner Strasse 15 hat diesen aus einem Dachsparren gezogen. Unsere verstorbene Mutter hat die furchtbaren Infernos in Schweinfurt miterleben müssen, sie war damals in Schweinfurt bei Kugelfischer dienstverpflichtet.

Ein weiterer schwer getroffener B 24 Bomber, wahrscheinlich zur 392. Bomb Group gehörig, überflog, ständig an Höhe verlierend, die Ulster bei Räsa, streifte den Ulsterberg und stürzte hier eine 200 Meter lange Schneise in den Wald ziehend, bei Mühlwärts ab. Dieser Bomber B 24 war bei einem Luftkampf über Kaltenwestheim getroffen worden.

Der Pilot Leutnant Johnes verstarb an der Absturzstelle. Die anderen Besatzungsmitglieder gerieten in Kriegsgefangenschaft. Bevor die US-Bombengeschwader die Rhön verließen kam es noch zu einer weiteren Serie von Abstürzen.

So auf dem Hünberg, den Standortsberg bei Grüsselbach, bei Uffhausen, sowie bei Oechsen am Fuß des Bayer-Berges und zwischen Unterweid und Simmershausen.

Eine stark beschädigte B 24, musste zwischen Borsch und der Lützenbach, am Weihersraine, eine nicht zum Abwurf gelangte Sprengbombe abwerfen (Notabwurf).

Diese Maschine schaffte es unter größten Schwierigkeiten zurück nach England. Auch die deutsche Luftwaffe hatte Verluste zu beklagen, so stürzte eine Me 109 mit dem Piloten Unteroffizier Erich Knoblich in der Nähe von Völkershausen ab.

Ein anderer deutscher Pilot musste (nach offiziell nicht bestätigten Angaben) wegen starker Beschädigungen mit seiner Me 109 auf den Ulsterwiesen bei Borsch notlanden. Glück im Unglück: Der Pilot blieb unverletzt.

Obwohl von zahlreiche Flakstellungen umgeben und gesichert, wurde die 50.000 Einwohner zählende Stadt Schweinfurt am 24. und in der Nacht zum 25. Februar 1944 dreimal zum Ziel massiver anglo-amerikanischer Luftangriffe.

Diese Angriffe, auch als „Große Woche“ (Big Week) oder „Mission Kassel“ bezeichnet, waren bisher die größten Luftschläge gegen das Deutsche Reichsgebiet. Es sollte die Flugzeugproduktion und deren Zulieferindustrie vernichtet oder wenigstens stark dezimiert werden.

Außerdem hoffte man, die Moral und den Kriegswillen der deutschen Zivilbevölkerung zu brechen. Die kriegsbedingten Bombardierungen waren zwischen Tag-und Nachteinsätzen aufgeteilt, die Tageinsätze wurden durch die USAAF und die Nachteinsätze durch die RAF geflogen.

Die erste Welle kam zwischen 13:26 Uhr und 13:45 Uhr, mit 300 viermotorigen Bombenflugzeugen (USAAF), die zweite Welle um 22:59 Uhr und 23:35 Uhr, mit 400 Flugzeugen (RAF) und die dritte Angriffswelle am Freitag, auch der „Schwarze Freitag“ genannt, um 1:00 Uhr bis 01:40 Uhr, mit 400 Flugzeugen (RAF).

Insgesamt gingen über 800 flüssige Brandbomben, 2.000 Phosphorbomben, 32.500 Stabbrandbomben, 10 Luftminen und 3.600 Sprengbomben nieder. Nicht nur Schweinfurt wurde schwer beschädigt, sondern auch viele Ortschaften in der Umgebung fast vollkommen zerstört.

Schnellstens wurden die Werke repariert oder es wurden die Rüstungsproduktionen an andere, sichere Orte verlegt und in Luftschutzbunkern die Arbeiten wieder aufgenommen.

An zivilen Todes-Opfern waren 362 Menschen zu beklagen, etwa 1.000 Bürger wurden zum Teil schwer verletzt und um die 10.000 Einwohner wurden obdachlos.

Piloten der amerikanischen P 51 „Mustang“ Begleitjäger meldeten Angriffe von deutschen, zweistrahligen Jagdeinsitzern Me 262, die auch als „Blitzjäger“ bezeichnet werden.

Diese Beobachtungen konnten nicht genau aufgeklärt werden, da ein offizieller Ersteinsatz der Me 262 erst am 19. April 1944 aktenkundig ist.

Von einem Oberprüfmeister und Einflieger des Schweinfurter Fliegerhorst wurde erzählt, das eine Vorserie von 22 Maschinen der Me 262 ab Mitte Januar 1944, kampf- und einsatzfähig dort stationiert waren.

Es ist deshalb durchaus denkbar, dass die Me 262 wirklich schon Kampfeinsätze am 24. und 25. Februar 1944 über Schweinfurt geflogen sind.

Die Gothaer Waggonwerke, Werksflugplatz und die Eisenbahnverladung wurden von der 8th Air Force neben Schweinfurt als ein Primärziel bezeichnet und von 169 B-24 „Liberator“ Bombenflugzeugen in drei Angriffswellen aus ca. 4.500 Meter Höhe mit einer Bombenlast von 424 Tonnen angegriffen.

Davon waren 175 Tonnen Sprengbomben, 175 Tonnen Splitterbomben und 74 Tonnen Brandbomben. Die Produktionsanlagen, hauptsächlich die Flugzeugproduktion, sowie die Stadtteile Gärtnerfeld bis zum Kronberg wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen.

Auch hier kam es zu sehr vielen zivilen Opfern, von den 8.000 Arbeitern in den drei Schichtsystemen kamen 79 deutsche und 18 ausländische Beschäftigte ums Leben.

Über die Verluste von 1415 Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen, welche auch in den Waggonfabriken tätig waren, gibt es keine Überlieferungen, da diese Personengruppen in keinerlei Statistiken vermerkt wurden. Insgesamt forderte die Bombardierung von Gotha am 24. Februar 1944 232 Todesopfer.

Wie in Schweinfurt, wurde auch in Gotha die Flugzeugfertigung in Bunkern und Höhlen oder in kleinere mittel- und westthüringische Gemeinden ausgelagert und weiter fortgeführt. Die Erprobung und Herstellung der Nurflügler-Horten wurde nun in Friedrichroda weiter vorangetrieben.

Die amerikanische Luftwaffe (USAAF) verlor am 24. Februar 1944 65 Bomber und 13 Begleitjäger sowie 244 Kampfflugzeuge der 8. US Luftflotte wurden zum Teil schwer beschädigt.

Die deutsche Luftwaffe beklagte den Verlust von 45 Kampfmaschinen, weitere 30 Flugzeuge waren nicht mehr Einsatzfähig. Außerdem vernichteten die Amerikaner 40 nagelneue zweimotorige Jagdflugzeuge Me 110 in den Gothaer Waggonfabriken. Es waren 33 deutsche Piloten gefallen und 15 Flugzeugführer wurden zum Teil schwer verletzt.

Consolidated B-24 Liberator, viermotoriges, amerikanisches Bombenflugzeug: Das meist gebaute Flugzeug im Zweiten Weltkrieg.

Während der „Großen Woche“ (Big Week) im Februar 1944 verloren die anglo-amerikanische Luftwaffe 226 Bombenflugzeuge, 28 Begleitjäger und es kamen 2600 Besatzungsmitglieder während den Einsätzen über Deutschland ums Leben. Die Luftangriffe gingen bis zum Kriegsende am 8. Mai 1945 mit unverminderter Härte weiter.

Heute nach 80 Jahren, dürfen wir nicht vergessen, dass der unselige Zweite Weltkrieg von der damaligen, verbrecherischen Hitler-Regierung, des ehemaligen deutschen Reichs im Jahr 1939 vom Zaun gebrochen wurde.

Die Anti-Hitler-Koalition bestehend aus der USA, Frankreich, England und der Sowjetunion befreite Europa vom deutschen Faschismus.

Während oder nach jedem Krieg ist die Zivil-Bevölkerung, egal auf welcher Seite, die Gruppe, welche die größten Opfer zu beklagen hat.

Nie wieder Krieg!

Wer mehr über die Ereignisse am 24. Februar 1944 erfahren möchte, dem empfehlen wir die folgende Publikation:

„Der Luftkrieg zwischen Rhön und Rennsteig“, Autor Lothar Günther, 1. Auflage 2010, Verlag Resch im Meininger Druckhaus GmbH, ISBN 978-3-940295-09-5

An dieser Stelle möchten wir uns bei den Heimatfreunden Frank Ißbrücker und Rolf Leimbach für die Unterstützung bei der Erstellung des vorliegenden Beitrages bedanken.

Quellen:

Wikipedia; „Vorderrhön-Kurier“ Amtsblatt für die Stadt Vacha und die Gemeinde Unterbreizbach, Nr.: 24/1995, Autor: Christian Loop (†) ; „Der Luftkrieg zwischen Rhön und Rennsteig“ Autor: Lothar Günther; Privatarchive: Frank Ißbrücker und Rolf Leimbach

Abkürzungen:

USAAF : United Stats Army Air Forces = amerikanische Luftwaffe
RAF : Royal Air Force = königlich, englische Luftwaffe
prop wash: aerodynamischer Effekt, das Flugzeug dreht um die eigene Achse
Big Week: große Woche

Flugzeugmarken:

Me : Messerschmitt
He : Heinkel
Ka : Kanth
Ho : Horten
Go : Gotha
B-24: Consolidated B-24 Liberator, viermotoriger Hochdecker mit Doppelseitenleitwerk, meistgebautes Flugzeug im II. Weltkrieg, 18.482 Stück