Gastbeitrag von Julia Otto
Schon Erwachsene haben Mühe, den Tod einer nahestehenden Person zu bewältigen. Bei Kindern und Jugendlichen ist das nicht anders. Allerdings äußern sie ihre Trauer oft auf eine andere Weise, was bei Erwachsenen mitunter auf Unverständnis stößt.
Daher ist es wichtig, die Gefühle und Reaktionen von Kindern und Jugendlichen nach einem Todesfall zu verstehen, um ihnen in dieser schweren Zeit helfen zu können. Das Gefühlschaos beginnt allerdings oft schon mit der Diagnosestellung einer schweren Krankheit.
Heike Fritzsche, Koordinatorin, und Jessica Poeppel-Schmidt, Sterbe- und Trauerbegleiterin vom Ambulanten Hospiz-Zentrum für Kinder, Jugendliche und Erwachsene der Regionen Bad Salzungen/Rhön, betonen: „Wir helfen nicht beim Sterben, sondern beim Leben bis zum Schluss.“
Sie erleben das, was oft unausgesprochen bleibt. Dabei schöpfen die beiden Frauen auch immer wieder Kraft aus ihrem Glauben.
Am vergangenen Samstag teilten sie ihre Erfahrungen mit 16 Interessierten im Gemeindehaus in Dorndorf und gaben wertvolle Anregungen zur Begleitung von Kindern und Jugendlichen in ihrer Trauer.
Der Tag stand unter dem Thema "Weißt du, wo der Himmel ist?" und wurde musikalisch am Klavier von Arial Arnhold begleitet, während Ellen Schmuck durch das Programm führte.
Wie erkläre ich meinem Kind, dass jemand verstorben ist?
Heike Fritzsche sensibilisiert: „Beim Überbringen einer schlechten Nachricht kommt es darauf an, deutliche Worte zu wählen und immer ehrlich zu sein.“
Sie erklärt, dass blumige oder ausweichende Formulierungen Kinder verunsichern oder Ängste auslösen können, da sie automatisch Fragen aufwerfen.
Zum Beispiel könnte die Aussage "… ist für immer eingeschlafen" Kinder dazu veranlassen, sich zu fragen, ob ihnen das auch passieren könnte. Sie verwies auf Bücher, die das Thema Tod und Trauer sensibel behandeln.
Das Ambulante Hospiz-Zentrum für Kinder und Jugendliche bietet auch individuelle Gespräche sowie Trauergruppen an. Frau Fritzsche betont, wie wichtig es für Kinder und Jugendliche ist, Abschied nehmen zu können.
„Sie brauchen die Möglichkeit des Begreifens, was wirklich passiert ist“, so Heike Fritzsche. Manchmal sind Erwachsene überrascht, wenn ihr Kind zunächst scheinbar keine Reaktion auf eine Todesnachricht zeigt, zu einem späteren Zeitpunkt dann aber plötzlich heftig reagiert.
„Für kleine Kinder ist der Tod etwas Abstraktes, sie sehen ihn nicht als etwas Endgültiges an. Erst im Alter von neun oder zehn Jahren können Kinder begreifen, dass der Tod das unwiderrufliche Ende des Lebens bedeutet, einschließlich ihres eigenen“, ergänzt Jessica Poeppel-Schmidt.
Kleinere Kinder haben oft andere Vorstellungen vom Tod, die sich von denen der Erwachsenen völlig unterscheiden.
Heike Fritzsche verglich den Umgang mit Trauer bei Erwachsenen mit dem Waten durch einen Fluss der Trauer, während Kinder eher in eine Pfütze hüpfen – sie gehen rein und wieder raus.
In den Phasen der Erholung können sie abschalten und ihre seelische Gesundheit regenerieren.
„Kinder wollen nicht ständig über ihre Trauer sprechen. Kinder brauchen Sicherheit und Normalität. Und sie wollen in ihrer Trauer ernst genommen werden“, ergänzt Frau Fritsche.
Trauer kommt in Wellen
Wer könnte besser über Trauer berichten als jemand, der sie schon in jungen Jahren erleben musste? Jessica Poeppel-Schmidt arbeitet neben ihrer Tätigkeit als Krankenschwester, ehrenamtlich als Sterbe- und Trauerbegleiterin im Ambulanten Hospiz-Zentrum für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in den Regionen Bad Salzungen/Rhön.
Als sie gerade einmal zwölf Jahre alt war, erkrankte ihr Vater an Krebs, zwei Jahre später, als Jessica Poeppel-Schmidt 14 Jahre war, verstarb er.
„Wenn Kinder trauern, tun sie es oft in plötzlich auftretenden Wellen“, sagt Frau Poeppel-Schmidt, die aus eigener Erfahrung spricht. Trauer hat viele Gesichter und unterschiedliche Gefühle können aufkommen.
So war es auch bei Jessica Poeppel-Schmidt. Das Begreifen und die Akzeptanz der Krankheit und ihres Verlaufes war eine schwierige Phase in ihrer Jugend.
Als ihr Vater die Diagnose Krebs bekam, konnte sie das zunächst nicht realisieren und wollte es nicht wahrhaben. Immer wieder hat sie es verdrängt und sich eingeredet: „Mein Papa ist nicht krank, der wird wieder gesund.“
Als ihr bewusst wurde, dass ihr Vater nicht genesen wird, brach bei dem jungen Mädchen ein Gefühlschaos aus. „Ich war zornig auf alles und jeden“, sagt Jessica Poeppel-Schmidt. Die Krankheit war nicht angreifbar, so ließ sie ihre Wut an der engsten Familie aus.
„Und ich war auch wütend auf Gott!“, erzählt die junge Frau. In dieser Situation suchten Mutter und Tochter Hilfe beim ambulanten Hospizdienst.
„Ich hatte eigentlich keine Lust und dachte: 'Was soll ich da jetzt?' Ich bin dann aber doch mit und hatte mein Erstgespräch mit Heike Fritzsche. Dann habe ich wirklich gemerkt, mir fällt es leichter, mit jemanden Außenstehenden darüber zu sprechen“, sagt Jessica Poeppel-Schmidt.
Heike Fritzsche war damals ihre Betreuerin und begleitete sie während dieser schweren Zeit. Jessica und ihre Familie haben sich zusammen kleine Ziele gesteckt, was sie noch zusammen erleben wollen. Kurz vor ihrer Konfirmation verstarb ihr Vater.
Danach begann für Jessica eine herausfordernde Zeit, jedoch auch eine Zeit der persönlichen Entwicklung und Reife. In ihrer Trauer fand Jessica Halt im Schreiben von Gedichten, eine Form der Trauerverarbeitung.
„Wichtig ist, dass ich Trauer leben darf und dass wir Erwachsenen die Trauer von Kindern und Jugendlichen aushalten“, betont Heike Fritzsche.
Seit ihrem 18. Lebensjahr ist Jessica Poeppel-Schmidt ehrenamtlich im Hospizdienst tätig und unterstützt mit kreativen Ansätzen und Gesprächsangeboten Kinder und Jugendliche dabei, ihre Trauer zu verarbeiten.