Gastbeitrag von Stefan Studtrucker
Eigentlich war alles ganz anders geplant, aber Anton Schrank hat die Leidenschaft seines Vaters für dessen Handwerk geerbt.
Irgendwann in den späten Siebzigerjahren blättert ein Junge aus Fischbach in der Rhön im Familienalbum. Sein Blick bleibt an einem alten Foto mit Büttenrand hängen, das – natürlich noch ohne Farbe – seinen Großvater zeigt, einen Handwerker mit großer Leidenschaft für Holz und Holzbearbeitung.
Doch es ist nicht der Opa in Jugendtagen, der ihn so interessiert, sondern das Auto neben ihm. Lange kann dem Jungen niemand sagen, was das für ein Wagen ist, aber er kann ihn nicht vergessen.
Der Junge beginnt eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und forscht währenddessen weiter nach.
Mit 17 Jahren schließlich ist es soweit: Er inseriert im „Deutschen Straßenverkehr“, plündert sein Sparbuch mit dem Lehrlingsgeld und holt mit Hilfe eines volljährigen Freundes seinen gebrauchten Traum-DKW von der Ostsee nach Thüringen, wo er sofort damit beginnt, ihn gemeinsam mit seinem Vater, selbst Fahrzeugingenieur und Technischer Direktor, zu restaurieren.
Einige Jahrzehnte später überrascht wieder ein kleiner Junge aus Fischbach seine Eltern mit einer ganz besonderen Bitte: Nicht ein Fahrrad, Bausteine oder Elektronikspielzeug wünscht sich der Zwölfjährige, sondern ausgerechnet einen echten Traktor; genauer gesagt einen gebrauchten Traktor-Oldtimer einer legendären Schweizer Marke.
Fast fünfmal so alt wie der Junge ist der Traktor, und doch will er ihn selbst aufarbeiten, Schraube für Schraube und Blech für Blech.
Es war wohl in diesem Moment, als Kfz-Mechanikermeister Mario Schrank endgültig klar wurde, dass sein Sohn Anton seine Leidenschaft für alte Fahrzeuge und Kfz-Technik geerbt hatte. Und doch war dessen Weg zum Traumberuf lange Zeit alles andere als vorgezeichnet.
Nicht nur trockene Theorie
„Anton sollte sich frei entwickeln“, erzählt sein Vater. Weder beruflich noch bei der Ausbildung habe er ihn festgelegt. „Er war in der Schule sehr begabt, aber eben auch sehr technikaffin“, erinnert sich Mario Schrank.
Deshalb hätte es seinen Sohn auch gut zum Studium an eine Hochschule verschlagen können. Doch nach langem Abwägen setzte sich das Handwerk durch, das ihn schon seit Kindertagen faszinierte: „Ich wollte etwas Technisches machen, nicht nur trockene Theorie“, begründet der Stammhalter seine Entscheidung.
Aber wo sollte er sich ausbilden lassen? „Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass man nicht den eigenen Sohn ausbildet“, weiß Mario Schrank.
Deswegen sah es lange danach aus, dass Anton seine Lehrjahre in einem großen Autohaus absolvieren würde. „Wir dachten, wir hätten die beste Adresse gefunden“, erzählt der Kfz-Mechanikermeister, aber ausgerechnet sein guter Ruf war ihm vorausgeeilt.
Kunden aus über einem Dutzend Ländern schwören seit über drei Jahrzehnten auf die Restaurationsfähigkeiten der Oldtimermanufaktur Schrank, darunter viele Sammler und Automobilenthusiasten mit höchsten Ansprüchen an Niveau und Qualität.
Hand- und Maßarbeit, aber auch sorgfältige Recherche sind das Tagesgeschäft, um Fahrzeuge ihrem Originalzustand wieder möglichst nahe zu bringen.
Elektronische Diagnosegeräte, Ersatzteile aus dem Katalog und Stapel von Sommer- und Winterreifen hingegen sucht man hier vergebens.
„Was soll Ihr Sohn bei mir lernen?“, lautete zwangsläufig die Frage, mit welcher der Inhaber des ins Auge gefassten Autohauses Mario Schrank konfrontierte.
Auch in der Innung des Kfz-Gewerbes Südthüringen riet man ihm zur Ausbildung im eigenen Haus, denn die Oldtimermanufaktur ist der einzige zertifizierte Fachbetrieb für historische Fahrzeuge im gesamten Verbandsgebiet.
„Damit hat sich damals die Sache komplett gedreht“, blickt Mario Schrank zurück. Die letzte Bestätigung aber erhielt er von seinen Mitarbeitern: Sie kannten Anton teils selbst seit Kindestagen und waren sich sicher, dass „der Sohn des Chefs“ auch als Azubi gut in das Team passen würde.
„Null bereut“
Dann kam Corona. „Es war keine einfache Lehrzeit“, erinnert sich Vater Schrank, denn mehr als ein Jahr lang fanden weder Überbetriebliche Lehrunterweisung noch die reguläre Berufsschule statt.
Sein Sohn schaffte es trotzdem: Bei der Gesellenfreisprechung im Januar war er unter den Besten des Jahrgangs 2023/2024.
„Anton war selbst am skeptischsten nach der Prüfung“, erinnert sich Mario Schrank, aber am Ende stand dem Feiern nichts mehr im Wege: „Wir sind sehr stolz auf ihn!“
Und Anton selbst? „Ich habe es Null bereut, nie!“, sagt der frischgebackene Geselle zu seinem von Überraschungen geprägten Berufseinstieg.
Natürlich habe die Ausbildung vor Ort mehr Verpflichtungen und Erwartungen mit sich gebracht als in einer fremden Werkstatt, aber dank des familiären Betriebsklimas sei auch dies gut gegangen.
Entscheidend aber dürfte etwas anderes gewesen sein: „Mich begeistern die Formen und Farben der alten Fahrzeuge und das, was wir aus ihnen machen“, sagt Anton Schrank.
Sie zu retten und aus ihnen etwas richtig Schönes zu machen, motiviere ihn ungemein.
„Es ist toll, wenn der Motor wieder rund läuft“, beschreibt er und fügt hinzu: „Für viele Kunden realisieren wir Kindheitsträume. Das gib einem ein richtig schönes, wertgeschätztes Gefühl!“
Handwerkstradition
Fast meint man, seinen eigenen Vater zu hören, wenn Anton dies erzählt. In vielerlei Hinsicht hat er mehr von ihm geerbt als nur die Leidenschaft für Oldtimer, obwohl er auch mit seinen 19 Jahren schon ein wandelndes Lexikon der Automobilgeschichte ist.
Darüber hinaus teilt er mit ihm auch das Durchhaltevermögen und die Leidenschaft, wenn Jahre in ein Restaurationsprojekt fließen, sowie den Qualitätsanspruch an ihre Projekte und an sich selbst. „Fördern und Fordern“ ist ein Wahlspruch, den beide hochhalten.
Schon im Herbst will Anton Schrank seinen Meisterkurs im BTZ Rohr-Kloster beginnen und ist sich voll bewusst, dass er sich Vieles in seiner Freizeit wird erarbeiten müssen, was an modernen Themen nicht in seinem Arbeitsalltag vorkommt.
Dass er auch dies schaffen wird, daran hat Vater Mario Schrank keine Zweifel, denn während andere junge Männer in seinem Alter vor dem Bildschirm sitzen oder um die Häuser ziehen, baut sein Sohn in seiner Freizeit in Eigenregie ein altes Fachwerkhaus in der Nachbarschaft um.
„Hier kann ich mich frei entfalten, meine Ideen umsetzen und eigene Entscheidungen treffen“, begeistert sich Anton.
Ganz wie in der Werkstatt, nur geht es hier nicht um Metall, Lack und Chrom, sondern um Mauerwerk, Putz und vor allem um jede Menge Holz, das er mit großer Geduld und Liebe zum Detail aufarbeitet.
So bleibt die Handwerkstradition in der Familie Schrank stark, auch wenn sie manchmal die eine oder andere Generation überspringt. Vermutlich wäre auch Antons Urgroßvater stolz auf ihn gewesen, dessen Foto einst Mario Schrank nicht mehr losgelassen hatte.