Gastbeitrag von Jürgen Fischer-Crailsheim
Die Currywurst mit Pommes vom Mittag liegt noch schwer im Magen. Davor wurden die Schüler bereits zwei Stunden durch die Dauerausstellung von Point Alpha geführt.
„Beste“ Voraussetzungen also, dass die Neuntklässler vom Sulzberger Gymnasium aus Bad Salzungen beim nun beginnenden Zeitzeugengespräch gleich eindösen werden. Doch nichts dergleichen geschieht. Stattdessen wird gespannt zugehört.
Die Blicke sind auf den Zeitzeugen gerichtet. Das liegt an der bildhaften und deutlichen Sprache des Erzählers und an dem, was er erlebt hat.
Kaum älter als seine Zuhörerschaft war Berthold Dücker als er vor 60 Jahren minderjährig „rübermachte“. Was flapsig und einfach klingt, war lebensgefährlich, erfüllte den Straftatbestand der „Republikflucht“ und bedeutete den buchstäblichen Sprung ins Ungewisse.
Der Journalist und frühere Chefredakteur der Südthüringer Zeitung berichtet, wie es für ihn als gläubigen Katholiken war, in einem Land aufzuwachsen, das zum Hass auf den „Klassenfeind“ und zum Denunzieren erzog.
Er erzählt von seinem schon früh gehegten Berufswunsch, Journalist zu werden, aber ohne Pressezensur und Propaganda. Das war in der DDR nicht möglich. Also reifte der Gedanke zur Flucht nach Westdeutschland, den er für sich behalten musste, um sich und andere nicht in Gefahr zu bringen.
Den Tag der Flucht im Sommer 1964 schildert Dücker spannend und detailreich: Der günstig erscheinende Moment. Die Entscheidung es heute zu wagen.
Daheim der letzte Blick auf den Rücken der Mutter, an der sich der Sohn vorbei schleicht, damit sie ihn nicht bemerkt. Die zitternden Beine nach der Überwindung der verminten Grenzanlagen.
Der weitere Weg bis zur Flüchtlingsunterkunft, gepflastert mit Erlebnissen der Ablehnung aber auch großer Hilfe. Wie teilt man den Eltern mit, was geschehen ist und wo man nun steckt, ohne sie zu gefährden?
Einfach einen Brief in die DDR senden, wo das Postgeheimnis nichts galt? Eine hilfsbereite fremde Frau schreibt schließlich an Verwandte von Berthold Dücker. Über diesen Umweg erfahren die Eltern, dass es ihrem Jungen gut geht.
„Es sind Schilderungen wie diese, die vielleicht hängen bleiben, die zum Nachdenken anregen und zum Reflektieren über die eigene Lebenswirklichkeit. Welchen Unterschied es macht und welch Privileg es ist, in Freiheit und mit garantierten Grundrechten aufzuwachsen.
Ich bin der Konrad-Adenauer-Stiftung sehr dankbar, dass sie meine Idee zu dieser Schülerfahrt nach Point Alpha ermöglicht und auch finanziert hat.
Ebenso dankbar bin ich Berthold Dücker für die packende wie ergreifende Schilderung seiner Lebensgeschichte sowie dem gesamten Team der Gedenkstätte Point Alpha“, sagte der Landtagsabgeordneter Martin Henkel (CDU) zum Abschluss der Veranstaltung.