Tag 9 – Es braucht nicht viel, um glücklich zu sein – Spendenlauf der Rhönschätze aus Kaltenlengsfeld

Am Montag, den 25. März 2024 starteten die Rhönschätze aus Kaltenlengsfeld ihren ersten Spendenlauf. Ziel ist es in 11 Tagen 11.000 Euro zu sammeln, um tiergestützte Projekte zu finanzieren und diese Art der Therapie bekannter zu machen.

Entlang des Grünen Bandes sollen mit zwei Pferden und einem Hund 111 Kilometer zurück gelegt werden.

Franziska Vogt, Geschäftsführerin und Initiatorin des Spendenlaufs, nimmt uns mit auf ihre abenteuerliche Reise:

Logbuch Spendenlauf Tag 9 (2. April):

Heute morgen musste ich mich tatsächlich etwas mehr motivieren, aus dem Bett aufzustehen. Der gestrige Tag, wenn er auch nicht ganz so lang war, war anstrengend. Ein bisschen freu ich mich darauf, wenn ich ausschlafen kann und danach kein Pferd packen muss. Das nass-kalte Wetter und das tägliche Laufen hinterlassen ihre Spuren.

Den Blick in die Wetterapp hätte ich mir sparen können, danach war ich nicht schlauer als vorher. Also blieb ich beim gewohnten Prozedere. Gegen 10 Uhr Pferde fertig machen, 11 Uhr los laufen.

Reinhold war schon am werkeln, als ich am Stall ankam. Die Nacht im Kuhstall hatten die zwei gut überstanden. Während ich ein Pony nach dem anderen putzte kamen wir ins Gespräch.

Der Oberrothof wurde nicht wie einige andere Höfe zur Zeit des Mauerbaus geschleift (als Folge der Grenznähe wurden die grenznahen Gehöfte abgesiedelt und zerstört), sondern blieb erhalten. Reinholds Mutter stammte aus Geisa, sein Vater wurde auf dem Hof geboren.

Seither führen sie die Landwirtschaft in fünfter Generation, denn auch Reinholds Sohn lebt und arbeitet auf dem Hof. Wir sprachen über das Leben vor und nach der Wende.

Bis auf dass Reinhold zum Schluss noch zwei Jahre eingezogen wurde, hat er keine schlechten Erinnerungen an die Zeit der Teilung. Seiner Familie ging es gut. Man arrangierte sich mit den Gegebenheiten, gewöhnte sich an die Soldaten und hätte nicht an eine Wende geglaubt.

Man war zufrieden, meinte Reinhold. Der heute fast 60-Jährige, wirkt auf mich seit unserem Kennenlernen sehr ruhig und gelassen. Auf seinem Hof habe er sich schon immer wohl gefühlt, erinnert sich aber auch noch daran, wie es war, als andere Bekannte und Freunde im Zuge der Grenzschließung, von heute auf morgen nicht mehr da waren.

Das Leben auf dem Oberrothhof war einfach, dennoch hatte man alles, was man brauchte. Es fehlte nicht an Nahrung, meist versorgte man sich selbst oder besorgte den Rest im Konsum in Kranlucken. Was er gerne weitergeben möchte an seine Kinder und Enkel, hab ich ihn gefragt.

„Besitz verpflichtet, macht Arbeit. Man hat Verantwortung.“ Aber es mache auch unabhängig und gebe Sicherheit, war für mich herauszuhören. Ich bewunderte seine Gelassenheit, die Zufriedenheit und innere Ruhe, die wohl seinem Gemüt entsprach. Reinhold braucht nicht viel, er war wie seine Eltern damals, glücklich mit dem, was er hatte.

Wie wäre es gewesen, fragte ich ihn, wenn auch der Oberrothof geschleift worden wäre? „Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht“, meinte er. Seine Familie hat mit dem gewirtschaftet, was da war. Hinterfragt haben sie nicht. Sie haben das Leben angenommen, wie es war.

Leichter fiel das wohl, weil der Oberrothof außerhalb gelegen war, man hatte die Natur um sich herum, versorgte sich mit Lebensmitteln hauptsächlich selbst. Es reichte immer zum Leben. Auch als der Hof vergrößert wurde, konnte man tauschen und kam so an nötige Baumaterialien.

Für mich als "geborenes Wendekind", war dies eine der wenigen Geschichten aus dieser Zeit, die so positiv geprägt war. Sicher kommt es darauf an, was man hatte und brauchte.

Aber im Grunde, so ist es doch auch noch heute, ist es eine innere Einstellung und Eigenverantwortung wie man sein Leben gestaltet.

Welche Ansprüche habe ich, oder welche will ich - aus was für Gründen auch immer - erfüllen. Irgendwie schließt sich der Kreis mit den vergangenen Tagen. Wir definieren uns oder andere häufig nach dem was wir haben. Nicht über das was wir sind.

Als ich Reinhold fragte, was er braucht zum Glücklichsein antwortete er ohne groß zu überlegen: „Familie.“ Für ihn braucht es nicht mehr. Ein Dach über dem Kopf, warm, Essen und seine Familie.

Das war auch meine Erkenntnis der letzten Tage. Es braucht nicht viel um sich gut zu fühlen. Kein dickes Auto, keine Kreuzfahrt, keine Villa - um es überspitzt zu sagen. Wann haben wir angefangen unseren Wert darüber zu definieren?

Warum vergleichen wir uns mit anderen über die materiellen Dinge? Warum vergleichen wir uns überhaupt? Was sagt ein Markenpullover über einen Menschen aus? Bedeutet ein einfaches Leben, ein weniger erfülltes oder wertloses Leben?

Und anderes herum: Ist das Mädchen oder der Junge, der einen Markenpullover trägt automatisch arrogant, reich oder oberflächlich? Oder gefällt ihm einfach nur der Pullover?

Ist die Familie, die eine Kreuzfahrt macht gleichzeitig etwas besseres oder möchte sie einfach nur die Welt sehen? Ja, wer über das nötige Geld verfügt, dem fallen Entscheidungen leichter, derjenige kann sich Dinge kaufen, die sich andere nicht leisten können. Aber sind sie deshalb anders als die anderen?

Neid und Gier helfen niemandem weiter - die Frage ist doch, warum Sie erst entstehen? Warum wollen wir immer "höher, schneller, weiter"? Und messen uns mit anderen, anstatt mit dem zufrieden zu sein, was wir haben. Schließlich könnte es immer auch noch schlechter sein.

Ich wünsche mir, dass wir uns darauf besinnen, was uns wirklich wichtig ist im Leben. Und uns beim nächsten Einkauf fragen , ob wir das ein oder andere wirklich brauchen.

Vielleicht können wir soweit gehen und unserem Nachbarn was mitbringen - einfach so. Weil verschenken mehr Freude macht als besitzen.

Vielleicht besinnen wir uns wieder auf das Wesentliche und fragen uns , was oder wen es wirklich braucht, um glücklich und zufrieden zu sein.

Kurz nach 11 Uhr war ich fertig und bereit zum Abmarsch. Schön war es, wieder einen Platz gefunden zu haben, mit den Tieren unter zu kommen. So machte ich mich nach dem gemeinsamen Foto auf den Weg Richtung Habel.

Die Strecke verlief durch das Ulstertal und schenkte mir wunderschöne Ausblicke. In Gedanken war ich bei den letzten Tagen. Noch zwei Tage, dann war meine Reise zu Ende. Das Wetter war bis auf kleine Schauer passabel.

So kam ich gut durch und wohlbehalten in Habel bei Christin Kohlstock an. Die Ponys bekamen eine kleine Weide für sich und freuten sich sichtlich darüber. Während sie sich ausgiebig wälzten, ließ ich sie guten Gewissens bis zum nächsten Tag dort.